Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Die Elfen. sonnener, sie hatte ihre Vorstellungen mehr geord-net, und konnte den Leuten aus dem Dorfe, die alle sie zu begrüßen kamen, besser Red und Ant- wort geben. Andres war schon mit dem Frühe- sten wieder da, und zeigte sich äußerst geschäftig, erfreut und dienstfertig. Das funfzehnjährige auf- geblühte Mädchen hatte ihm einen tiefen Eindruck gemacht, und die Nacht war ihm ohne Schlaf vergangen. Die Herrschaft ließ Marien auf das Schloß fordern, sie mußte hier wieder ihre Ge- schichte erzählen, die ihr nun schon geläufig gewor- den war; der alte Herr und die gnädige Frau be- wunderten ihre gute Erziehung, denn sie war be- scheiden, ohne verlegen zu seyn, sie antwortete höflich und in guten Redensarten auf alle vorge- legten Fragen; die Furcht vor den vornehmen Men- schen und ihrer Umgebung hatte sich bei ihr verlo- ren, denn wenn sie diese Säle und Gestalten mit den Wundern und der hohen Schönheit maß, die sie bei den Elfen im heimlichen Aufenthalt gese- hen hatte, so erschien ihr dieser irdische Glanz nur dunkel, die Gegenwart der Menschen fast ge- ringe. Die jungen Herren waren vorzüglich über ihre Schönheit entzückt. Es war im Februar. Die Bäume belaubten Die Elfen. ſonnener, ſie hatte ihre Vorſtellungen mehr geord-net, und konnte den Leuten aus dem Dorfe, die alle ſie zu begruͤßen kamen, beſſer Red und Ant- wort geben. Andres war ſchon mit dem Fruͤhe- ſten wieder da, und zeigte ſich aͤußerſt geſchaͤftig, erfreut und dienſtfertig. Das funfzehnjaͤhrige auf- gebluͤhte Maͤdchen hatte ihm einen tiefen Eindruck gemacht, und die Nacht war ihm ohne Schlaf vergangen. Die Herrſchaft ließ Marien auf das Schloß fordern, ſie mußte hier wieder ihre Ge- ſchichte erzaͤhlen, die ihr nun ſchon gelaͤufig gewor- den war; der alte Herr und die gnaͤdige Frau be- wunderten ihre gute Erziehung, denn ſie war be- ſcheiden, ohne verlegen zu ſeyn, ſie antwortete hoͤflich und in guten Redensarten auf alle vorge- legten Fragen; die Furcht vor den vornehmen Men- ſchen und ihrer Umgebung hatte ſich bei ihr verlo- ren, denn wenn ſie dieſe Saͤle und Geſtalten mit den Wundern und der hohen Schoͤnheit maß, die ſie bei den Elfen im heimlichen Aufenthalt geſe- hen hatte, ſo erſchien ihr dieſer irdiſche Glanz nur dunkel, die Gegenwart der Menſchen faſt ge- ringe. Die jungen Herren waren vorzuͤglich uͤber ihre Schoͤnheit entzuͤckt. Es war im Februar. Die Baͤume belaubten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0430" n="419"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Elfen</hi>.</fw><lb/> ſonnener, ſie hatte ihre Vorſtellungen mehr geord-<lb/> net, und konnte den Leuten aus dem Dorfe, die<lb/> alle ſie zu begruͤßen kamen, beſſer Red und Ant-<lb/> wort geben. Andres war ſchon mit dem Fruͤhe-<lb/> ſten wieder da, und zeigte ſich aͤußerſt geſchaͤftig,<lb/> erfreut und dienſtfertig. Das funfzehnjaͤhrige auf-<lb/> gebluͤhte Maͤdchen hatte ihm einen tiefen Eindruck<lb/> gemacht, und die Nacht war ihm ohne Schlaf<lb/> vergangen. Die Herrſchaft ließ Marien auf das<lb/> Schloß fordern, ſie mußte hier wieder ihre Ge-<lb/> ſchichte erzaͤhlen, die ihr nun ſchon gelaͤufig gewor-<lb/> den war; der alte Herr und die gnaͤdige Frau be-<lb/> wunderten ihre gute Erziehung, denn ſie war be-<lb/> ſcheiden, ohne verlegen zu ſeyn, ſie antwortete<lb/> hoͤflich und in guten Redensarten auf alle vorge-<lb/> legten Fragen; die Furcht vor den vornehmen Men-<lb/> ſchen und ihrer Umgebung hatte ſich bei ihr verlo-<lb/> ren, denn wenn ſie dieſe Saͤle und Geſtalten mit<lb/> den Wundern und der hohen Schoͤnheit maß, die<lb/> ſie bei den Elfen im heimlichen Aufenthalt geſe-<lb/> hen hatte, ſo erſchien ihr dieſer irdiſche Glanz<lb/> nur dunkel, die Gegenwart der Menſchen faſt ge-<lb/> ringe. Die jungen Herren waren vorzuͤglich uͤber<lb/> ihre Schoͤnheit entzuͤckt.</p><lb/> <p>Es war im Februar. Die Baͤume belaubten<lb/> ſich fruͤher als je, ſo zeitig hatte ſich die Nachtigall<lb/> noch niemals eingeſtellt, der Fruͤhling kam ſchoͤner<lb/> in das Land, als ihn ſich die aͤlteſten Greiſe erin-<lb/> nern konnten. Aller Orten thaten ſich Baͤchlein<lb/> hervor und traͤnkten die Wieſen und Auen; die<lb/> Huͤgel ſchienen zu wachſen, die Rebengelaͤnder er-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [419/0430]
Die Elfen.
ſonnener, ſie hatte ihre Vorſtellungen mehr geord-
net, und konnte den Leuten aus dem Dorfe, die
alle ſie zu begruͤßen kamen, beſſer Red und Ant-
wort geben. Andres war ſchon mit dem Fruͤhe-
ſten wieder da, und zeigte ſich aͤußerſt geſchaͤftig,
erfreut und dienſtfertig. Das funfzehnjaͤhrige auf-
gebluͤhte Maͤdchen hatte ihm einen tiefen Eindruck
gemacht, und die Nacht war ihm ohne Schlaf
vergangen. Die Herrſchaft ließ Marien auf das
Schloß fordern, ſie mußte hier wieder ihre Ge-
ſchichte erzaͤhlen, die ihr nun ſchon gelaͤufig gewor-
den war; der alte Herr und die gnaͤdige Frau be-
wunderten ihre gute Erziehung, denn ſie war be-
ſcheiden, ohne verlegen zu ſeyn, ſie antwortete
hoͤflich und in guten Redensarten auf alle vorge-
legten Fragen; die Furcht vor den vornehmen Men-
ſchen und ihrer Umgebung hatte ſich bei ihr verlo-
ren, denn wenn ſie dieſe Saͤle und Geſtalten mit
den Wundern und der hohen Schoͤnheit maß, die
ſie bei den Elfen im heimlichen Aufenthalt geſe-
hen hatte, ſo erſchien ihr dieſer irdiſche Glanz
nur dunkel, die Gegenwart der Menſchen faſt ge-
ringe. Die jungen Herren waren vorzuͤglich uͤber
ihre Schoͤnheit entzuͤckt.
Es war im Februar. Die Baͤume belaubten
ſich fruͤher als je, ſo zeitig hatte ſich die Nachtigall
noch niemals eingeſtellt, der Fruͤhling kam ſchoͤner
in das Land, als ihn ſich die aͤlteſten Greiſe erin-
nern konnten. Aller Orten thaten ſich Baͤchlein
hervor und traͤnkten die Wieſen und Auen; die
Huͤgel ſchienen zu wachſen, die Rebengelaͤnder er-
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