Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Die Elfen. Gebäuden, um aufzuräumen und eine verloreneSache wieder zu finden, als sie wahrnahm, daß durch eine Ritze der Mauer ein Lichtstrahl in das Gemach falle. Es kam ihr der Gedanke, hindurch zu sehn, um ihr Kind zu beobachten, und es fand sich, daß ein locker gewordener Stein sich von der Seite schieben ließ, wodurch sie den Blick gerade hinein in die Laube gewann. Elfriede saß drinnen auf einem Bänkchen, und neben ihr die wohlbe- kannte Zerina, und beide Kinder spielten und er- götzten sich in holdseliger Eintracht. Die Elfe um- armte das schöne Kind und sagte traurig: Ach, du liebes Wesen, so wie mit dir habe ich schon mit deiner Mutter gespielt, als sie klein war und uns besuchte, aber ihr Menschen wachst zu bald auf und werdet so schnell groß und vernünftig; das ist recht betrübt: bliebest du doch so lange ein Kind, wie ich! Gern thät ich dir den Gefallen, sagte Elfriede, Die Elfen. Gebaͤuden, um aufzuraͤumen und eine verloreneSache wieder zu finden, als ſie wahrnahm, daß durch eine Ritze der Mauer ein Lichtſtrahl in das Gemach falle. Es kam ihr der Gedanke, hindurch zu ſehn, um ihr Kind zu beobachten, und es fand ſich, daß ein locker gewordener Stein ſich von der Seite ſchieben ließ, wodurch ſie den Blick gerade hinein in die Laube gewann. Elfriede ſaß drinnen auf einem Baͤnkchen, und neben ihr die wohlbe- kannte Zerina, und beide Kinder ſpielten und er- goͤtzten ſich in holdſeliger Eintracht. Die Elfe um- armte das ſchoͤne Kind und ſagte traurig: Ach, du liebes Weſen, ſo wie mit dir habe ich ſchon mit deiner Mutter geſpielt, als ſie klein war und uns beſuchte, aber ihr Menſchen wachſt zu bald auf und werdet ſo ſchnell groß und vernuͤnftig; das iſt recht betruͤbt: bliebeſt du doch ſo lange ein Kind, wie ich! Gern thaͤt ich dir den Gefallen, ſagte Elfriede, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0434" n="423"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Elfen</hi>.</fw><lb/> Gebaͤuden, um aufzuraͤumen und eine verlorene<lb/> Sache wieder zu finden, als ſie wahrnahm, daß<lb/> durch eine Ritze der Mauer ein Lichtſtrahl in das<lb/> Gemach falle. Es kam ihr der Gedanke, hindurch<lb/> zu ſehn, um ihr Kind zu beobachten, und es fand<lb/> ſich, daß ein locker gewordener Stein ſich von der<lb/> Seite ſchieben ließ, wodurch ſie den Blick gerade<lb/> hinein in die Laube gewann. Elfriede ſaß drinnen<lb/> auf einem Baͤnkchen, und neben ihr die wohlbe-<lb/> kannte Zerina, und beide Kinder ſpielten und er-<lb/> goͤtzten ſich in holdſeliger Eintracht. Die Elfe um-<lb/> armte das ſchoͤne Kind und ſagte traurig: Ach,<lb/> du liebes Weſen, ſo wie mit dir habe ich ſchon<lb/> mit deiner Mutter geſpielt, als ſie klein war und<lb/> uns beſuchte, aber ihr Menſchen wachſt zu bald<lb/> auf und werdet ſo ſchnell groß und vernuͤnftig;<lb/> das iſt recht betruͤbt: bliebeſt du doch ſo lange ein<lb/> Kind, wie ich!</p><lb/> <p>Gern thaͤt ich dir den Gefallen, ſagte Elfriede,<lb/> aber ſie meinen ja alle, ich wuͤrde bald zu Ver-<lb/> ſtande kommen, und gar nicht mehr ſpielen, denn<lb/> ich haͤtte rechte Anlagen, altklug zu werden. Ach!<lb/> und dann ſeh ich dich auch nicht wieder, du liebes<lb/> Zerinchen! Ja, es geht wie mit den Baumbluͤ-<lb/> ten: wie herrlich der bluͤhende Apfelbaum mit<lb/> ſeinen roͤthlichen aufgequollenen Knospen! der Baum<lb/> thut ſo groß und breit, und jedermann, der drun-<lb/> ter weg geht, meint auch, es muͤſſe recht was<lb/> Beſonderes werden; dann kommt die Sonne, die<lb/> Bluͤte geht ſo leutſelig auf, und da ſteckt ſchon<lb/> der boͤſe Kern drunter, der nachher den bunten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [423/0434]
Die Elfen.
Gebaͤuden, um aufzuraͤumen und eine verlorene
Sache wieder zu finden, als ſie wahrnahm, daß
durch eine Ritze der Mauer ein Lichtſtrahl in das
Gemach falle. Es kam ihr der Gedanke, hindurch
zu ſehn, um ihr Kind zu beobachten, und es fand
ſich, daß ein locker gewordener Stein ſich von der
Seite ſchieben ließ, wodurch ſie den Blick gerade
hinein in die Laube gewann. Elfriede ſaß drinnen
auf einem Baͤnkchen, und neben ihr die wohlbe-
kannte Zerina, und beide Kinder ſpielten und er-
goͤtzten ſich in holdſeliger Eintracht. Die Elfe um-
armte das ſchoͤne Kind und ſagte traurig: Ach,
du liebes Weſen, ſo wie mit dir habe ich ſchon
mit deiner Mutter geſpielt, als ſie klein war und
uns beſuchte, aber ihr Menſchen wachſt zu bald
auf und werdet ſo ſchnell groß und vernuͤnftig;
das iſt recht betruͤbt: bliebeſt du doch ſo lange ein
Kind, wie ich!
Gern thaͤt ich dir den Gefallen, ſagte Elfriede,
aber ſie meinen ja alle, ich wuͤrde bald zu Ver-
ſtande kommen, und gar nicht mehr ſpielen, denn
ich haͤtte rechte Anlagen, altklug zu werden. Ach!
und dann ſeh ich dich auch nicht wieder, du liebes
Zerinchen! Ja, es geht wie mit den Baumbluͤ-
ten: wie herrlich der bluͤhende Apfelbaum mit
ſeinen roͤthlichen aufgequollenen Knospen! der Baum
thut ſo groß und breit, und jedermann, der drun-
ter weg geht, meint auch, es muͤſſe recht was
Beſonderes werden; dann kommt die Sonne, die
Bluͤte geht ſo leutſelig auf, und da ſteckt ſchon
der boͤſe Kern drunter, der nachher den bunten
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