Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Rothkäppchen. Rothkäppchen. Ach, ihr lieben Gesellen, Hat euch nicht Gott der Herr eben Selbst rothe Mützchen gegeben? Wer wollte solch Urtheil fällen, Daß er an den lieblichen hellen Bunt Farben und lustigem Leben, Nicht hätte Gefallen so eben Wie an dem Traurig stellen? Den Kummer laß ich fahren, Ich glaube dreist daran, Ich darf es immer wagen: Komm ich zu erwachsenen Jahren, Zieh ich, wie es beliebt, mich an, Will auch dann ein rothes Käppchen tragen! (sie geht ab.) Die Vögel. Rothkäppchen, Rothkäppchen ist unser Freund! Wie lieblich warm die Sonne scheint! (fliegen fort.) Dritte Scene. (Dickicht im Walde). Der Wolf. Muß nun hier in den dichtesten Gesträuchen Wie ein Vertriebener auf und nieder schleichen, Und bin verstoßen und ausgetrieben. Rothkaͤppchen. Rothkaͤppchen. Ach, ihr lieben Geſellen, Hat euch nicht Gott der Herr eben Selbſt rothe Muͤtzchen gegeben? Wer wollte ſolch Urtheil faͤllen, Daß er an den lieblichen hellen Bunt Farben und luſtigem Leben, Nicht haͤtte Gefallen ſo eben Wie an dem Traurig ſtellen? Den Kummer laß ich fahren, Ich glaube dreiſt daran, Ich darf es immer wagen: Komm ich zu erwachſenen Jahren, Zieh ich, wie es beliebt, mich an, Will auch dann ein rothes Kaͤppchen tragen! (ſie geht ab.) Die Voͤgel. Rothkaͤppchen, Rothkaͤppchen iſt unſer Freund! Wie lieblich warm die Sonne ſcheint! (fliegen fort.) Dritte Scene. (Dickicht im Walde). Der Wolf. Muß nun hier in den dichteſten Geſtraͤuchen Wie ein Vertriebener auf und nieder ſchleichen, Und bin verſtoßen und ausgetrieben. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0504" n="493"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Rothkaͤppchen</hi>.</fw><lb/> <sp who="#ROT"> <speaker><hi rendition="#g">Rothkaͤppchen</hi>.</speaker><lb/> <p>Ach, ihr lieben Geſellen,<lb/> Hat euch nicht Gott der Herr eben<lb/> Selbſt rothe Muͤtzchen gegeben?<lb/> Wer wollte ſolch Urtheil faͤllen,<lb/> Daß er an den lieblichen hellen<lb/> Bunt Farben und luſtigem Leben,<lb/> Nicht haͤtte Gefallen ſo eben<lb/> Wie an dem Traurig ſtellen?<lb/> Den Kummer laß ich fahren,<lb/> Ich glaube dreiſt daran,<lb/> Ich darf es immer wagen:<lb/> Komm ich zu erwachſenen Jahren,<lb/> Zieh ich, wie es beliebt, mich an,<lb/> Will auch dann ein rothes Kaͤppchen tragen!</p> <stage>(ſie<lb/> geht ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#VOE"> <speaker><hi rendition="#g">Die Voͤgel</hi>.</speaker><lb/> <p>Rothkaͤppchen, Rothkaͤppchen iſt unſer Freund!<lb/> Wie lieblich warm die Sonne ſcheint!</p> <stage>(fliegen fort.)</stage> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="3"> <head><hi rendition="#g">Dritte Scene</hi>.</head><lb/> <stage>(Dickicht im Walde).</stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <sp who="#WOLF"> <speaker><hi rendition="#g">Der Wolf</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#in">M</hi>uß nun hier in den dichteſten Geſtraͤuchen<lb/> Wie ein Vertriebener auf und nieder ſchleichen,<lb/> Und bin verſtoßen und ausgetrieben.<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [493/0504]
Rothkaͤppchen.
Rothkaͤppchen.
Ach, ihr lieben Geſellen,
Hat euch nicht Gott der Herr eben
Selbſt rothe Muͤtzchen gegeben?
Wer wollte ſolch Urtheil faͤllen,
Daß er an den lieblichen hellen
Bunt Farben und luſtigem Leben,
Nicht haͤtte Gefallen ſo eben
Wie an dem Traurig ſtellen?
Den Kummer laß ich fahren,
Ich glaube dreiſt daran,
Ich darf es immer wagen:
Komm ich zu erwachſenen Jahren,
Zieh ich, wie es beliebt, mich an,
Will auch dann ein rothes Kaͤppchen tragen! (ſie
geht ab.)
Die Voͤgel.
Rothkaͤppchen, Rothkaͤppchen iſt unſer Freund!
Wie lieblich warm die Sonne ſcheint! (fliegen fort.)
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Der Wolf.
Muß nun hier in den dichteſten Geſtraͤuchen
Wie ein Vertriebener auf und nieder ſchleichen,
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