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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Rothkäppchen.
Denn so ein Kerl versteht über Jagd keinen
Spaß.
Wolf.
Bist du noch bei Rothkäppchens Vater in Dienst?
Hund.
O ja, ich habe da guten Gewinnst,
Die Wirthschaft ist groß, und manches bleibt über
Was sie mir als andern gönnen lieber,
Das Kind im Hause ist mir auch gut
Und steckt mir heimlich manches zu,
Wofür ich denn die Katze vexire,
Auch Stöckchen aus dem Wasser apportire,
Lege mich auf den Rücken und stelle mich todt.
Gottlob! ich leide jetzt keine Noth.
Wolf.
Das sind die Künste, die finden ihr Brod!
Hund.
Jetzt ist seit vierzehn oder zwanzig Tagen
Im Wald mit Essen ein vieles Tragen,
Die Großmutter ist krank und wird gepflegt,
Für mich mancher Knochen beiseit gelegt.
Die Alte stirbt vielleicht, zum Lohn
Erbt ihr Vermögen der Schwiegersohn;
Der kann es brauchen, er säuft gern viel,
Verliert auch sein Geld im Kartenspiel.
Nur ein gewisser philosophscher Trieb
Ist mir in meinem Wesen nicht lieb:
Letzt schleppt das Kind einen Stein herbei,
Der wiegt wohl mehr als ihrer drei,
Und wirft mir den vor meine Füße,
Mir wars, als ob ich ihn apportiren müsse,
Rothkaͤppchen.
Denn ſo ein Kerl verſteht uͤber Jagd keinen
Spaß.
Wolf.
Biſt du noch bei Rothkaͤppchens Vater in Dienſt?
Hund.
O ja, ich habe da guten Gewinnſt,
Die Wirthſchaft iſt groß, und manches bleibt uͤber
Was ſie mir als andern goͤnnen lieber,
Das Kind im Hauſe iſt mir auch gut
Und ſteckt mir heimlich manches zu,
Wofuͤr ich denn die Katze vexire,
Auch Stoͤckchen aus dem Waſſer apportire,
Lege mich auf den Ruͤcken und ſtelle mich todt.
Gottlob! ich leide jetzt keine Noth.
Wolf.
Das ſind die Kuͤnſte, die finden ihr Brod!
Hund.
Jetzt iſt ſeit vierzehn oder zwanzig Tagen
Im Wald mit Eſſen ein vieles Tragen,
Die Großmutter iſt krank und wird gepflegt,
Fuͤr mich mancher Knochen beiſeit gelegt.
Die Alte ſtirbt vielleicht, zum Lohn
Erbt ihr Vermoͤgen der Schwiegerſohn;
Der kann es brauchen, er ſaͤuft gern viel,
Verliert auch ſein Geld im Kartenſpiel.
Nur ein gewiſſer philoſophſcher Trieb
Iſt mir in meinem Weſen nicht lieb:
Letzt ſchleppt das Kind einen Stein herbei,
Der wiegt wohl mehr als ihrer drei,
Und wirft mir den vor meine Fuͤße,
Mir wars, als ob ich ihn apportiren muͤſſe,
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[495/0506] Rothkaͤppchen. Denn ſo ein Kerl verſteht uͤber Jagd keinen Spaß. Wolf. Biſt du noch bei Rothkaͤppchens Vater in Dienſt? Hund. O ja, ich habe da guten Gewinnſt, Die Wirthſchaft iſt groß, und manches bleibt uͤber Was ſie mir als andern goͤnnen lieber, Das Kind im Hauſe iſt mir auch gut Und ſteckt mir heimlich manches zu, Wofuͤr ich denn die Katze vexire, Auch Stoͤckchen aus dem Waſſer apportire, Lege mich auf den Ruͤcken und ſtelle mich todt. Gottlob! ich leide jetzt keine Noth. Wolf. Das ſind die Kuͤnſte, die finden ihr Brod! Hund. Jetzt iſt ſeit vierzehn oder zwanzig Tagen Im Wald mit Eſſen ein vieles Tragen, Die Großmutter iſt krank und wird gepflegt, Fuͤr mich mancher Knochen beiſeit gelegt. Die Alte ſtirbt vielleicht, zum Lohn Erbt ihr Vermoͤgen der Schwiegerſohn; Der kann es brauchen, er ſaͤuft gern viel, Verliert auch ſein Geld im Kartenſpiel. Nur ein gewiſſer philoſophſcher Trieb Iſt mir in meinem Weſen nicht lieb: Letzt ſchleppt das Kind einen Stein herbei, Der wiegt wohl mehr als ihrer drei, Und wirft mir den vor meine Fuͤße, Mir wars, als ob ich ihn apportiren muͤſſe,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/506>, abgerufen am 24.11.2024.