Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. uns diese tiefsinnige Betrachtung wenden, dennam Ende kömmt doch in keiner Tugend der ganze Mensch so rein zum Vorschein, als in den Thor- heiten. Die Berge rauchen oft und die Thäler sind voll Nebel, viele Gegenden verlieren ihn oft in Monaten nicht, die See dampft, und so laßt denn unserm guten Zeitalter auch seinen Dampf. Nur wir wollen unsrer Sitte treu blei- ben. Besorgt bin ich aber für Manfred, daß er sich diesen Zustand als Appendix der Ehe möchte angewöhnt haben, um seine weisen Lehr- sprüche aus dampfendem Munde, wie Orakel aus rauchenden Hölen, verehrlicher zu machen, und ich gestehe überhaupt, daß ich mich ihm nur mit einer gewissen heimlichen Furcht wieder nähern kann. Du bist ohne Noth besorgt, sagte Lothar. Wenn alles übrige, sagte Theodor, auf den- Einleitung. uns dieſe tiefſinnige Betrachtung wenden, dennam Ende koͤmmt doch in keiner Tugend der ganze Menſch ſo rein zum Vorſchein, als in den Thor- heiten. Die Berge rauchen oft und die Thaͤler ſind voll Nebel, viele Gegenden verlieren ihn oft in Monaten nicht, die See dampft, und ſo laßt denn unſerm guten Zeitalter auch ſeinen Dampf. Nur wir wollen unſrer Sitte treu blei- ben. Beſorgt bin ich aber fuͤr Manfred, daß er ſich dieſen Zuſtand als Appendix der Ehe moͤchte angewoͤhnt haben, um ſeine weiſen Lehr- ſpruͤche aus dampfendem Munde, wie Orakel aus rauchenden Hoͤlen, verehrlicher zu machen, und ich geſtehe uͤberhaupt, daß ich mich ihm nur mit einer gewiſſen heimlichen Furcht wieder naͤhern kann. Du biſt ohne Noth beſorgt, ſagte Lothar. Wenn alles uͤbrige, ſagte Theodor, auf den- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0051" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> uns dieſe tiefſinnige Betrachtung wenden, denn<lb/> am Ende koͤmmt doch in keiner Tugend der ganze<lb/> Menſch ſo rein zum Vorſchein, als in den Thor-<lb/> heiten. Die Berge rauchen oft und die Thaͤler<lb/> ſind voll Nebel, viele Gegenden verlieren ihn<lb/> oft in Monaten nicht, die See dampft, und<lb/> ſo laßt denn unſerm guten Zeitalter auch ſeinen<lb/> Dampf. Nur wir wollen unſrer Sitte treu blei-<lb/> ben. Beſorgt bin ich aber fuͤr Manfred, daß<lb/> er ſich dieſen Zuſtand als Appendix der Ehe<lb/> moͤchte angewoͤhnt haben, um ſeine weiſen Lehr-<lb/> ſpruͤche aus dampfendem Munde, wie Orakel aus<lb/> rauchenden Hoͤlen, verehrlicher zu machen, und<lb/> ich geſtehe uͤberhaupt, daß ich mich ihm nur mit<lb/> einer gewiſſen heimlichen Furcht wieder naͤhern<lb/> kann.</p><lb/> <p>Du biſt ohne Noth beſorgt, ſagte Lothar.<lb/> Seit lange kenne ich unſern Freund in ſeinem<lb/> haͤuslichen Zuſtande, und ich habe nicht bemer-<lb/> ken koͤnnen, daß er ſeinen jugendlichen Frohſinn<lb/> und ſeine muthwillige Laune gegen jene altkluge<lb/> Hausvaͤterlichkeit vertauſcht habe, im Gegentheil,<lb/> kann er oft ſo ausgelaſſen ſein, daß die Schwie-<lb/> germutter im Hauſe ſo wenig laͤſtig oder uͤber-<lb/> fluͤſſig iſt, daß ſie vielmehr zuweilen als kuͤhlende<lb/> und beſonnene Vernunft zum allgemeinen Beſten<lb/> hervortreten muß.</p><lb/> <p>Wenn alles uͤbrige, ſagte Theodor, auf den-<lb/> ſelben Fuß eingerichtet iſt, ſo iſt ſeine Haushal-<lb/> tung die vollkommenſte in der Welt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [40/0051]
Einleitung.
uns dieſe tiefſinnige Betrachtung wenden, denn
am Ende koͤmmt doch in keiner Tugend der ganze
Menſch ſo rein zum Vorſchein, als in den Thor-
heiten. Die Berge rauchen oft und die Thaͤler
ſind voll Nebel, viele Gegenden verlieren ihn
oft in Monaten nicht, die See dampft, und
ſo laßt denn unſerm guten Zeitalter auch ſeinen
Dampf. Nur wir wollen unſrer Sitte treu blei-
ben. Beſorgt bin ich aber fuͤr Manfred, daß
er ſich dieſen Zuſtand als Appendix der Ehe
moͤchte angewoͤhnt haben, um ſeine weiſen Lehr-
ſpruͤche aus dampfendem Munde, wie Orakel aus
rauchenden Hoͤlen, verehrlicher zu machen, und
ich geſtehe uͤberhaupt, daß ich mich ihm nur mit
einer gewiſſen heimlichen Furcht wieder naͤhern
kann.
Du biſt ohne Noth beſorgt, ſagte Lothar.
Seit lange kenne ich unſern Freund in ſeinem
haͤuslichen Zuſtande, und ich habe nicht bemer-
ken koͤnnen, daß er ſeinen jugendlichen Frohſinn
und ſeine muthwillige Laune gegen jene altkluge
Hausvaͤterlichkeit vertauſcht habe, im Gegentheil,
kann er oft ſo ausgelaſſen ſein, daß die Schwie-
germutter im Hauſe ſo wenig laͤſtig oder uͤber-
fluͤſſig iſt, daß ſie vielmehr zuweilen als kuͤhlende
und beſonnene Vernunft zum allgemeinen Beſten
hervortreten muß.
Wenn alles uͤbrige, ſagte Theodor, auf den-
ſelben Fuß eingerichtet iſt, ſo iſt ſeine Haushal-
tung die vollkommenſte in der Welt.
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