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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.

So scheint es, sagte Lothar; ein geistreicher
Mann sagte einmal: wir sind schlecht erzogen,
und es ist nichts aus uns geworden, wie wird
es erst mit unsern Kindern aussehn, die wir
gut erziehn!

Mir däucht, sagte Theodor, es wäre nun
wohl an der Zeit, auch einmal eine Wochenschrift
"der Kinderfeind" zu schreiben, um die Thor-
heiten lächerlich zu machen, und der ehemaligen
Strenge und Einfalt wieder Raum und Auf-
nahme vorzubereiten.

Du fändest keine Leser, sagte Ernst, unter
dieser Ueberfülle humaner Eltern und gereifter
ausgebildter Erzieher.

Friedrich war schon vor einiger Zeit vom
Tisch und Gespräch aufgestanden, und auf sei-
nen Wink hatte sich Anton zu ihm gesellt. Sie
gingen unter einen Baumgang, von welchem
man weit auf die Landstraße hinaus sehn konnte,
die sich über einen nahe liegenden Berg hinweg
zog. Mich kümmern alle diese Dinge nicht, sagte
Friedrich, treib' es jeder, wie er mag und kann,
denn mein Herz ist so ganz und durchaus von
einem Gegenstande erfüllt, daß mich weder die
Thorheiten noch die ernsthaften Begebenheiten
unserer Zeit sonderlich anziehn. Er vertraute sei-
nem Freunde, der seine Verhältnisse schon kannte,
daß es ihm endlich gelungen sei, alle Bedenk-
lichkeiten seiner geliebten Adelheid zu überwin-
den, und daß sie sich entschlossen habe, auf ir-

Einleitung.

So ſcheint es, ſagte Lothar; ein geiſtreicher
Mann ſagte einmal: wir ſind ſchlecht erzogen,
und es iſt nichts aus uns geworden, wie wird
es erſt mit unſern Kindern ausſehn, die wir
gut erziehn!

Mir daͤucht, ſagte Theodor, es waͤre nun
wohl an der Zeit, auch einmal eine Wochenſchrift
„der Kinderfeind“ zu ſchreiben, um die Thor-
heiten laͤcherlich zu machen, und der ehemaligen
Strenge und Einfalt wieder Raum und Auf-
nahme vorzubereiten.

Du faͤndeſt keine Leſer, ſagte Ernſt, unter
dieſer Ueberfuͤlle humaner Eltern und gereifter
ausgebildter Erzieher.

Friedrich war ſchon vor einiger Zeit vom
Tiſch und Geſpraͤch aufgeſtanden, und auf ſei-
nen Wink hatte ſich Anton zu ihm geſellt. Sie
gingen unter einen Baumgang, von welchem
man weit auf die Landſtraße hinaus ſehn konnte,
die ſich uͤber einen nahe liegenden Berg hinweg
zog. Mich kuͤmmern alle dieſe Dinge nicht, ſagte
Friedrich, treib' es jeder, wie er mag und kann,
denn mein Herz iſt ſo ganz und durchaus von
einem Gegenſtande erfuͤllt, daß mich weder die
Thorheiten noch die ernſthaften Begebenheiten
unſerer Zeit ſonderlich anziehn. Er vertraute ſei-
nem Freunde, der ſeine Verhaͤltniſſe ſchon kannte,
daß es ihm endlich gelungen ſei, alle Bedenk-
lichkeiten ſeiner geliebten Adelheid zu uͤberwin-
den, und daß ſie ſich entſchloſſen habe, auf ir-

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[45/0056] Einleitung. So ſcheint es, ſagte Lothar; ein geiſtreicher Mann ſagte einmal: wir ſind ſchlecht erzogen, und es iſt nichts aus uns geworden, wie wird es erſt mit unſern Kindern ausſehn, die wir gut erziehn! Mir daͤucht, ſagte Theodor, es waͤre nun wohl an der Zeit, auch einmal eine Wochenſchrift „der Kinderfeind“ zu ſchreiben, um die Thor- heiten laͤcherlich zu machen, und der ehemaligen Strenge und Einfalt wieder Raum und Auf- nahme vorzubereiten. Du faͤndeſt keine Leſer, ſagte Ernſt, unter dieſer Ueberfuͤlle humaner Eltern und gereifter ausgebildter Erzieher. Friedrich war ſchon vor einiger Zeit vom Tiſch und Geſpraͤch aufgeſtanden, und auf ſei- nen Wink hatte ſich Anton zu ihm geſellt. Sie gingen unter einen Baumgang, von welchem man weit auf die Landſtraße hinaus ſehn konnte, die ſich uͤber einen nahe liegenden Berg hinweg zog. Mich kuͤmmern alle dieſe Dinge nicht, ſagte Friedrich, treib' es jeder, wie er mag und kann, denn mein Herz iſt ſo ganz und durchaus von einem Gegenſtande erfuͤllt, daß mich weder die Thorheiten noch die ernſthaften Begebenheiten unſerer Zeit ſonderlich anziehn. Er vertraute ſei- nem Freunde, der ſeine Verhaͤltniſſe ſchon kannte, daß es ihm endlich gelungen ſei, alle Bedenk- lichkeiten ſeiner geliebten Adelheid zu uͤberwin- den, und daß ſie ſich entſchloſſen habe, auf ir-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/56>, abgerufen am 24.11.2024.