vollem Erinnern anblitzt und anlächelt, und darum sind auch jene Dichtergebilde belebt und unsterb- lich. An dieser heiligen Stätte habe ich mich selbst gefunden, und ich müßte mir selbst ver- loren gehn, ich müßte vernichtet werden kön- nen, wenn diese Entzückung in irgend einer Zeit ersterben könnte.
Seinem Freunde traten die Thränen in die Augen, weil ihn die Krankheit weicher gemacht hatte, und er ohnedies schon reizbar war; er um- armte den Begeisterten schweigend, als beide die Landstraße einen offenen Wagen mit vier geschmück- ten hüpfenden Pferden herunter kommen sahn, von einem mit Bändern und Federbüschen auf- geputzten Kutscher geführt: in wunderlicher bun- ter Tracht folgte ein Reuter dem Wagen, und die Sprechenden nebst den andern drei Freun- den gingen vor das Thor des Gasthofes hin- aus, um das sonderbare Schauspiel näher in Augenschein zu nehmen. Ists möglich? rief plötz- lich Theodor aus, er selbst, Manfred ist es! und eilte den brausenden Pferden entgegen. Diese standen, auf den Ruf ihres Führers, er sprang vom Sitz, indem er die Leinen vorsichtig in der Hand behielt, und umarmte Theodor und die übrigen Freunde nach der Reihe. Er war freu- dig überrascht, auch Ernst zu finden, den er so wenig wie Theodor hatte erwarten können. Ich komme, euch abzuholen; so steigt nur gleich ein! rief er in zerstreuter Freude aus.
I. [ 4 ]
Einleitung.
vollem Erinnern anblitzt und anlaͤchelt, und darum ſind auch jene Dichtergebilde belebt und unſterb- lich. An dieſer heiligen Staͤtte habe ich mich ſelbſt gefunden, und ich muͤßte mir ſelbſt ver- loren gehn, ich muͤßte vernichtet werden koͤn- nen, wenn dieſe Entzuͤckung in irgend einer Zeit erſterben koͤnnte.
Seinem Freunde traten die Thraͤnen in die Augen, weil ihn die Krankheit weicher gemacht hatte, und er ohnedies ſchon reizbar war; er um- armte den Begeiſterten ſchweigend, als beide die Landſtraße einen offenen Wagen mit vier geſchmuͤck- ten huͤpfenden Pferden herunter kommen ſahn, von einem mit Baͤndern und Federbuͤſchen auf- geputzten Kutſcher gefuͤhrt: in wunderlicher bun- ter Tracht folgte ein Reuter dem Wagen, und die Sprechenden nebſt den andern drei Freun- den gingen vor das Thor des Gaſthofes hin- aus, um das ſonderbare Schauſpiel naͤher in Augenſchein zu nehmen. Iſts moͤglich? rief ploͤtz- lich Theodor aus, er ſelbſt, Manfred iſt es! und eilte den brauſenden Pferden entgegen. Dieſe ſtanden, auf den Ruf ihres Fuͤhrers, er ſprang vom Sitz, indem er die Leinen vorſichtig in der Hand behielt, und umarmte Theodor und die uͤbrigen Freunde nach der Reihe. Er war freu- dig uͤberraſcht, auch Ernſt zu finden, den er ſo wenig wie Theodor hatte erwarten koͤnnen. Ich komme, euch abzuholen; ſo ſteigt nur gleich ein! rief er in zerſtreuter Freude aus.
I. [ 4 ]
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Einleitung.
vollem Erinnern anblitzt und anlaͤchelt, und darum
ſind auch jene Dichtergebilde belebt und unſterb-
lich. An dieſer heiligen Staͤtte habe ich mich
ſelbſt gefunden, und ich muͤßte mir ſelbſt ver-
loren gehn, ich muͤßte vernichtet werden koͤn-
nen, wenn dieſe Entzuͤckung in irgend einer Zeit
erſterben koͤnnte.
Seinem Freunde traten die Thraͤnen in die
Augen, weil ihn die Krankheit weicher gemacht
hatte, und er ohnedies ſchon reizbar war; er um-
armte den Begeiſterten ſchweigend, als beide die
Landſtraße einen offenen Wagen mit vier geſchmuͤck-
ten huͤpfenden Pferden herunter kommen ſahn,
von einem mit Baͤndern und Federbuͤſchen auf-
geputzten Kutſcher gefuͤhrt: in wunderlicher bun-
ter Tracht folgte ein Reuter dem Wagen, und
die Sprechenden nebſt den andern drei Freun-
den gingen vor das Thor des Gaſthofes hin-
aus, um das ſonderbare Schauſpiel naͤher in
Augenſchein zu nehmen. Iſts moͤglich? rief ploͤtz-
lich Theodor aus, er ſelbſt, Manfred iſt es! und
eilte den brauſenden Pferden entgegen. Dieſe
ſtanden, auf den Ruf ihres Fuͤhrers, er ſprang
vom Sitz, indem er die Leinen vorſichtig in der
Hand behielt, und umarmte Theodor und die
uͤbrigen Freunde nach der Reihe. Er war freu-
dig uͤberraſcht, auch Ernſt zu finden, den er ſo
wenig wie Theodor hatte erwarten koͤnnen. Ich
komme, euch abzuholen; ſo ſteigt nur gleich ein!
rief er in zerſtreuter Freude aus.
I. [ 4 ]
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/60>, abgerufen am 24.11.2024.
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