Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.Einleitung. Stückes doch wieder unzufrieden wird. Ich habees ja erlebt, daß du zu einem Balle fuhrst, und mich und meine Gesellschaft so über die Gebühr triebst, daß wir anlangten, als die Bedienten noch den Tanzsaal ausstäubten und kein einziges Licht angezündet war. Diese deine Ordnung willst du in jede Gesellschaft einführen, um nur alles eine Stunde früher als gewöhnlich zu thun, und gäbe man dir selbst diese Stunde nach, so würdest du wieder eine Stunde zu verlangen, so daß man, um mit dir ordentlich zu leben, immer im Zirkel um die vier und zwanzig Stunden des Tages mit Frühstück, Mittag- und Abendessen herum fahren müßte. Weil gestern die Gesell- schaft noch nicht versammelt war, als die Suppe auf dem Tische stand, und jeder nach seiner Ge- legenheit etwas später kam, darüber bist du noch heut verstimmt, du Heimtückischer, Nachtragender! noch mehr aber darüber, daß wir aus Scherz die geheime Abrede trafen, dich durchaus von Au- gustens Seite wegzuschieben, zu der du dich mit öffentlichem Geheimniß so geflissentlich drängst, und meinst, wir alle haben keine Augen und Sinne, um deine feurigen Augen und wohl- gesetzten verliebten Redensarten wahrzunehmen. Sieh, Freund, man kennt dich auch, und weiß auch deine empfindliche Seite zu treffen. Wilibald zwang sich zu lachen und ging Einleitung. Stuͤckes doch wieder unzufrieden wird. Ich habees ja erlebt, daß du zu einem Balle fuhrſt, und mich und meine Geſellſchaft ſo uͤber die Gebuͤhr triebſt, daß wir anlangten, als die Bedienten noch den Tanzſaal ausſtaͤubten und kein einziges Licht angezuͤndet war. Dieſe deine Ordnung willſt du in jede Geſellſchaft einfuͤhren, um nur alles eine Stunde fruͤher als gewoͤhnlich zu thun, und gaͤbe man dir ſelbſt dieſe Stunde nach, ſo wuͤrdeſt du wieder eine Stunde zu verlangen, ſo daß man, um mit dir ordentlich zu leben, immer im Zirkel um die vier und zwanzig Stunden des Tages mit Fruͤhſtuͤck, Mittag- und Abendeſſen herum fahren muͤßte. Weil geſtern die Geſell- ſchaft noch nicht verſammelt war, als die Suppe auf dem Tiſche ſtand, und jeder nach ſeiner Ge- legenheit etwas ſpaͤter kam, daruͤber biſt du noch heut verſtimmt, du Heimtuͤckiſcher, Nachtragender! noch mehr aber daruͤber, daß wir aus Scherz die geheime Abrede trafen, dich durchaus von Au- guſtens Seite wegzuſchieben, zu der du dich mit oͤffentlichem Geheimniß ſo gefliſſentlich draͤngſt, und meinſt, wir alle haben keine Augen und Sinne, um deine feurigen Augen und wohl- geſetzten verliebten Redensarten wahrzunehmen. Sieh, Freund, man kennt dich auch, und weiß auch deine empfindliche Seite zu treffen. Wilibald zwang ſich zu lachen und ging <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0071" n="60"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/> Stuͤckes doch wieder unzufrieden wird. Ich habe<lb/> es ja erlebt, daß du zu einem Balle fuhrſt, und<lb/> mich und meine Geſellſchaft ſo uͤber die Gebuͤhr<lb/> triebſt, daß wir anlangten, als die Bedienten<lb/> noch den Tanzſaal ausſtaͤubten und kein einziges<lb/> Licht angezuͤndet war. Dieſe deine Ordnung<lb/> willſt du in jede Geſellſchaft einfuͤhren, um nur<lb/> alles eine Stunde fruͤher als gewoͤhnlich zu thun,<lb/> und gaͤbe man dir ſelbſt dieſe Stunde nach, ſo<lb/> wuͤrdeſt du wieder eine Stunde zu verlangen, ſo<lb/> daß man, um mit dir ordentlich zu leben, immer<lb/> im Zirkel um die vier und zwanzig Stunden des<lb/> Tages mit Fruͤhſtuͤck, Mittag- und Abendeſſen<lb/> herum fahren muͤßte. Weil geſtern die Geſell-<lb/> ſchaft noch nicht verſammelt war, als die Suppe<lb/> auf dem Tiſche ſtand, und jeder nach ſeiner Ge-<lb/> legenheit etwas ſpaͤter kam, daruͤber biſt du noch<lb/> heut verſtimmt, du Heimtuͤckiſcher, Nachtragender!<lb/> noch mehr aber daruͤber, daß wir aus Scherz die<lb/> geheime Abrede trafen, dich durchaus von Au-<lb/> guſtens Seite wegzuſchieben, zu der du dich mit<lb/> oͤffentlichem Geheimniß ſo gefliſſentlich draͤngſt,<lb/> und meinſt, wir alle haben keine Augen und<lb/> Sinne, um deine feurigen Augen und wohl-<lb/> geſetzten verliebten Redensarten wahrzunehmen.<lb/> Sieh, Freund, man kennt dich auch, und weiß<lb/> auch deine empfindliche Seite zu treffen.</p><lb/> <p>Wilibald zwang ſich zu lachen und ging<lb/> empfindlich fort; indem ſah man Lothar und<lb/> Ernſt von der Straße des Berges, der uͤber dem<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0071]
Einleitung.
Stuͤckes doch wieder unzufrieden wird. Ich habe
es ja erlebt, daß du zu einem Balle fuhrſt, und
mich und meine Geſellſchaft ſo uͤber die Gebuͤhr
triebſt, daß wir anlangten, als die Bedienten
noch den Tanzſaal ausſtaͤubten und kein einziges
Licht angezuͤndet war. Dieſe deine Ordnung
willſt du in jede Geſellſchaft einfuͤhren, um nur
alles eine Stunde fruͤher als gewoͤhnlich zu thun,
und gaͤbe man dir ſelbſt dieſe Stunde nach, ſo
wuͤrdeſt du wieder eine Stunde zu verlangen, ſo
daß man, um mit dir ordentlich zu leben, immer
im Zirkel um die vier und zwanzig Stunden des
Tages mit Fruͤhſtuͤck, Mittag- und Abendeſſen
herum fahren muͤßte. Weil geſtern die Geſell-
ſchaft noch nicht verſammelt war, als die Suppe
auf dem Tiſche ſtand, und jeder nach ſeiner Ge-
legenheit etwas ſpaͤter kam, daruͤber biſt du noch
heut verſtimmt, du Heimtuͤckiſcher, Nachtragender!
noch mehr aber daruͤber, daß wir aus Scherz die
geheime Abrede trafen, dich durchaus von Au-
guſtens Seite wegzuſchieben, zu der du dich mit
oͤffentlichem Geheimniß ſo gefliſſentlich draͤngſt,
und meinſt, wir alle haben keine Augen und
Sinne, um deine feurigen Augen und wohl-
geſetzten verliebten Redensarten wahrzunehmen.
Sieh, Freund, man kennt dich auch, und weiß
auch deine empfindliche Seite zu treffen.
Wilibald zwang ſich zu lachen und ging
empfindlich fort; indem ſah man Lothar und
Ernſt von der Straße des Berges, der uͤber dem
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