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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.

An dir, sagte Wilibald, ist auch das ver-
loren, denn so wie du mit jeder Feder eine
andere Hand schreibst, klein, groß, ängstlich oder
flüchtig, so bist du auch nur der Anhang eines
jeden, mit dem du lebst; seine Leidenschaften,
Liebhabereien, Kenntnisse, Zeitverderb, hast und
treibst du mit ihm, und nur dein Leichtsinn ist
es, welcher alles, auch das widersprechendste, in
dir verbindet. Du bist hauptsächlich die Ursach,
daß wir, so oft wir noch beisammen gewesen
sind, zu keinem zweckmäßigen Leben haben kom-
men können, weil du dir nur in Unordnung und
leerem Hinträumen wohlgefällst. Heute sind wir
einmal recht vergnügt gewesen! pflegst du am
Abend zu sagen, wenn du die übrigen verleitest
hast, recht viel dummes Zeug zu schwatzen; bei
einer Albernheit geht dir das Herz auf, -- doch
ich verschwende nur meinen Athem, denn ich sehe
du lachst auch hierüber.

Allerdings, rief Theodor im frohesten Muthe
aus, o mein zorniger, mißmuthiger Camerad! du
Ordentlicher, Bedächtlicher, der die ganze Welt
nach seiner Taschenuhr stellen möchte, du, der
in jede Gesellschaft eine Stunde zu früh kommt,
um ja nicht eine halbe Viertelstunde zu spät an-
zulangen, du, der du wohl ins Theater gegan-
gen bist, bevor die Caffe noch eröffnet war, der
auch dann im ledigen Hause beim schönsten Wet-
ter sitzen bleibt, um sich nur den besten Platz
auszusuchen, mit dem er nachher im Verlauf des

Einleitung.

An dir, ſagte Wilibald, iſt auch das ver-
loren, denn ſo wie du mit jeder Feder eine
andere Hand ſchreibſt, klein, groß, aͤngſtlich oder
fluͤchtig, ſo biſt du auch nur der Anhang eines
jeden, mit dem du lebſt; ſeine Leidenſchaften,
Liebhabereien, Kenntniſſe, Zeitverderb, haſt und
treibſt du mit ihm, und nur dein Leichtſinn iſt
es, welcher alles, auch das widerſprechendſte, in
dir verbindet. Du biſt hauptſaͤchlich die Urſach,
daß wir, ſo oft wir noch beiſammen geweſen
ſind, zu keinem zweckmaͤßigen Leben haben kom-
men koͤnnen, weil du dir nur in Unordnung und
leerem Hintraͤumen wohlgefaͤllſt. Heute ſind wir
einmal recht vergnuͤgt geweſen! pflegſt du am
Abend zu ſagen, wenn du die uͤbrigen verleiteſt
haſt, recht viel dummes Zeug zu ſchwatzen; bei
einer Albernheit geht dir das Herz auf, — doch
ich verſchwende nur meinen Athem, denn ich ſehe
du lachſt auch hieruͤber.

Allerdings, rief Theodor im froheſten Muthe
aus, o mein zorniger, mißmuthiger Camerad! du
Ordentlicher, Bedaͤchtlicher, der die ganze Welt
nach ſeiner Taſchenuhr ſtellen moͤchte, du, der
in jede Geſellſchaft eine Stunde zu fruͤh kommt,
um ja nicht eine halbe Viertelſtunde zu ſpaͤt an-
zulangen, du, der du wohl ins Theater gegan-
gen biſt, bevor die Caffe noch eroͤffnet war, der
auch dann im ledigen Hauſe beim ſchoͤnſten Wet-
ter ſitzen bleibt, um ſich nur den beſten Platz
auszuſuchen, mit dem er nachher im Verlauf des

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[59/0070] Einleitung. An dir, ſagte Wilibald, iſt auch das ver- loren, denn ſo wie du mit jeder Feder eine andere Hand ſchreibſt, klein, groß, aͤngſtlich oder fluͤchtig, ſo biſt du auch nur der Anhang eines jeden, mit dem du lebſt; ſeine Leidenſchaften, Liebhabereien, Kenntniſſe, Zeitverderb, haſt und treibſt du mit ihm, und nur dein Leichtſinn iſt es, welcher alles, auch das widerſprechendſte, in dir verbindet. Du biſt hauptſaͤchlich die Urſach, daß wir, ſo oft wir noch beiſammen geweſen ſind, zu keinem zweckmaͤßigen Leben haben kom- men koͤnnen, weil du dir nur in Unordnung und leerem Hintraͤumen wohlgefaͤllſt. Heute ſind wir einmal recht vergnuͤgt geweſen! pflegſt du am Abend zu ſagen, wenn du die uͤbrigen verleiteſt haſt, recht viel dummes Zeug zu ſchwatzen; bei einer Albernheit geht dir das Herz auf, — doch ich verſchwende nur meinen Athem, denn ich ſehe du lachſt auch hieruͤber. Allerdings, rief Theodor im froheſten Muthe aus, o mein zorniger, mißmuthiger Camerad! du Ordentlicher, Bedaͤchtlicher, der die ganze Welt nach ſeiner Taſchenuhr ſtellen moͤchte, du, der in jede Geſellſchaft eine Stunde zu fruͤh kommt, um ja nicht eine halbe Viertelſtunde zu ſpaͤt an- zulangen, du, der du wohl ins Theater gegan- gen biſt, bevor die Caffe noch eroͤffnet war, der auch dann im ledigen Hauſe beim ſchoͤnſten Wet- ter ſitzen bleibt, um ſich nur den beſten Platz auszuſuchen, mit dem er nachher im Verlauf des

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/70>, abgerufen am 24.11.2024.