Es führt, antwortete dieser, wie alles, was die letzte Spitze und den wahrhaften Schwindel mit einem gewissen Witze sucht, zu gar nichts. Theurer Lothar, laß uns wieder vernünftig spre- chen, und führe deine Vergleichung einer Mahl- zeit und des Schauspiels noch etwas weiter.
Um deiner Wißbegier genug zu thun, fuhr Lothar fort, erklär' ich also, daß bei einem Schau- spiele die Einleitung eine der wichtigsten Par- thieen ist; sie kann hauptsächlich auf dreierlei Art geschehn. Entweder, daß in ruhiger Erzäh- lung die Lage der Dinge auf die einfachste und natürlichste Weise auseinander gesetzt wird, so wie in den Irrungen, oder daß uns der Dich- ter sogleich in Getümmel und Unruhe wirft, woraus sich nach und nach die Klarheit und das Verständniß eröffnen, so wie im Romeo und dem Oldcastle, die gar mit Schlägerei beginnen, oder auf die dritte Weise, die uns zwar auch sogleich in die Mitte der Dinge führt, aber mit ruhiger Besonnenheit, wie in Was ihr wollt. Es ist keine Frage, daß die letztere Art beim Gastmahl die vorzüglichere sei, und daß deshalb die zivilisirten Nationen, und Menschen, die nicht bizarr leben und essen wollen, ihre Mahl- zeit mit einer kräftigen, aber milden, ruhig bedächtigen Suppe eröffnen. Weil nun alle Menschen Hang zum Drama haben, und dunkel die Ahndung in ihnen schläft, daß alles Drama sei, so hüten sie sich mit Recht, zu witzig, zu
Einleitung.
Es fuͤhrt, antwortete dieſer, wie alles, was die letzte Spitze und den wahrhaften Schwindel mit einem gewiſſen Witze ſucht, zu gar nichts. Theurer Lothar, laß uns wieder vernuͤnftig ſpre- chen, und fuͤhre deine Vergleichung einer Mahl- zeit und des Schauſpiels noch etwas weiter.
Um deiner Wißbegier genug zu thun, fuhr Lothar fort, erklaͤr' ich alſo, daß bei einem Schau- ſpiele die Einleitung eine der wichtigſten Par- thieen iſt; ſie kann hauptſaͤchlich auf dreierlei Art geſchehn. Entweder, daß in ruhiger Erzaͤh- lung die Lage der Dinge auf die einfachſte und natuͤrlichſte Weiſe auseinander geſetzt wird, ſo wie in den Irrungen, oder daß uns der Dich- ter ſogleich in Getuͤmmel und Unruhe wirft, woraus ſich nach und nach die Klarheit und das Verſtaͤndniß eroͤffnen, ſo wie im Romeo und dem Oldcaſtle, die gar mit Schlaͤgerei beginnen, oder auf die dritte Weiſe, die uns zwar auch ſogleich in die Mitte der Dinge fuͤhrt, aber mit ruhiger Beſonnenheit, wie in Was ihr wollt. Es iſt keine Frage, daß die letztere Art beim Gaſtmahl die vorzuͤglichere ſei, und daß deshalb die ziviliſirten Nationen, und Menſchen, die nicht bizarr leben und eſſen wollen, ihre Mahl- zeit mit einer kraͤftigen, aber milden, ruhig bedaͤchtigen Suppe eroͤffnen. Weil nun alle Menſchen Hang zum Drama haben, und dunkel die Ahndung in ihnen ſchlaͤft, daß alles Drama ſei, ſo huͤten ſie ſich mit Recht, zu witzig, zu
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Einleitung.
Es fuͤhrt, antwortete dieſer, wie alles, was
die letzte Spitze und den wahrhaften Schwindel
mit einem gewiſſen Witze ſucht, zu gar nichts.
Theurer Lothar, laß uns wieder vernuͤnftig ſpre-
chen, und fuͤhre deine Vergleichung einer Mahl-
zeit und des Schauſpiels noch etwas weiter.
Um deiner Wißbegier genug zu thun, fuhr
Lothar fort, erklaͤr' ich alſo, daß bei einem Schau-
ſpiele die Einleitung eine der wichtigſten Par-
thieen iſt; ſie kann hauptſaͤchlich auf dreierlei
Art geſchehn. Entweder, daß in ruhiger Erzaͤh-
lung die Lage der Dinge auf die einfachſte und
natuͤrlichſte Weiſe auseinander geſetzt wird, ſo
wie in den Irrungen, oder daß uns der Dich-
ter ſogleich in Getuͤmmel und Unruhe wirft,
woraus ſich nach und nach die Klarheit und
das Verſtaͤndniß eroͤffnen, ſo wie im Romeo und
dem Oldcaſtle, die gar mit Schlaͤgerei beginnen,
oder auf die dritte Weiſe, die uns zwar auch
ſogleich in die Mitte der Dinge fuͤhrt, aber mit
ruhiger Beſonnenheit, wie in Was ihr wollt.
Es iſt keine Frage, daß die letztere Art beim
Gaſtmahl die vorzuͤglichere ſei, und daß deshalb
die ziviliſirten Nationen, und Menſchen, die
nicht bizarr leben und eſſen wollen, ihre Mahl-
zeit mit einer kraͤftigen, aber milden, ruhig
bedaͤchtigen Suppe eroͤffnen. Weil nun alle
Menſchen Hang zum Drama haben, und dunkel
die Ahndung in ihnen ſchlaͤft, daß alles Drama
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/86>, abgerufen am 24.11.2024.
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