Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Einleitung.
sinn folgen können, um würdig zu beschließen,
oder wieder in das gewöhnliche Leben einzu-
lenken?

Der orientalische Ernst des Caffee, ant-
wortete Lothar, und nach diesem, wie neulich
schon ausgemacht wurde, vielleicht sogar die
Pfeife. Da befinden wir uns plötzlich wieder
in der Mitte eines herabgestimmten Lebens,
und denken an unsere vorige Lust nur wie an
einen Traum zurück.

Sollte man so bewußtvoll leben, essen und
trinken, warf Clara ein, so wäre es eben eine
herzliche Last, sich mit dem Leben überall ein-
zulassen.

Es kömmt wohl nur auf die Uebung an,
sagte Theodor, haben doch Elephanten gelernt
auf dem Seile tanzen. Die meisten Menschen
machen sich außerdem ihr Leben noch viel be-
schwerlicher, und sie leben es doch ab: o wahr-
lich, hätten sie nur etwas Leichtsinn in den Kauf
bekommen, so entschlössen sich viele, sich sterben
zu lassen.

Ich sage ja nur, antwortete Lothar, daß
uns dunkel dergleichen Vorstellung eines Dra-
ma vorschwebt, wie bei allen Dingen, in die
wir uns bestreben Sinn und Zusammenhang
hinein zu bringen.

Da man sich schon dem Nachtische näherte,
so ließ Manfred heißern Wein geben und ermun-
terte seine Freunde zum Trinken. Du wolltest,

Einleitung.
ſinn folgen koͤnnen, um wuͤrdig zu beſchließen,
oder wieder in das gewoͤhnliche Leben einzu-
lenken?

Der orientaliſche Ernſt des Caffee, ant-
wortete Lothar, und nach dieſem, wie neulich
ſchon ausgemacht wurde, vielleicht ſogar die
Pfeife. Da befinden wir uns ploͤtzlich wieder
in der Mitte eines herabgeſtimmten Lebens,
und denken an unſere vorige Luſt nur wie an
einen Traum zuruͤck.

Sollte man ſo bewußtvoll leben, eſſen und
trinken, warf Clara ein, ſo waͤre es eben eine
herzliche Laſt, ſich mit dem Leben uͤberall ein-
zulaſſen.

Es koͤmmt wohl nur auf die Uebung an,
ſagte Theodor, haben doch Elephanten gelernt
auf dem Seile tanzen. Die meiſten Menſchen
machen ſich außerdem ihr Leben noch viel be-
ſchwerlicher, und ſie leben es doch ab: o wahr-
lich, haͤtten ſie nur etwas Leichtſinn in den Kauf
bekommen, ſo entſchloͤſſen ſich viele, ſich ſterben
zu laſſen.

Ich ſage ja nur, antwortete Lothar, daß
uns dunkel dergleichen Vorſtellung eines Dra-
ma vorſchwebt, wie bei allen Dingen, in die
wir uns beſtreben Sinn und Zuſammenhang
hinein zu bringen.

Da man ſich ſchon dem Nachtiſche naͤherte,
ſo ließ Manfred heißern Wein geben und ermun-
terte ſeine Freunde zum Trinken. Du wollteſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="82"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Einleitung</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;inn folgen ko&#x0364;nnen, um wu&#x0364;rdig zu be&#x017F;chließen,<lb/>
oder wieder in das gewo&#x0364;hnliche Leben einzu-<lb/>
lenken?</p><lb/>
        <p>Der orientali&#x017F;che Ern&#x017F;t des Caffee, ant-<lb/>
wortete Lothar, und nach die&#x017F;em, wie neulich<lb/>
&#x017F;chon ausgemacht wurde, vielleicht &#x017F;ogar die<lb/>
Pfeife. Da befinden wir uns plo&#x0364;tzlich wieder<lb/>
in der Mitte eines herabge&#x017F;timmten Lebens,<lb/>
und denken an un&#x017F;ere vorige Lu&#x017F;t nur wie an<lb/>
einen Traum zuru&#x0364;ck.</p><lb/>
        <p>Sollte man &#x017F;o bewußtvoll leben, e&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
trinken, warf Clara ein, &#x017F;o wa&#x0364;re es eben eine<lb/>
herzliche La&#x017F;t, &#x017F;ich mit dem Leben u&#x0364;berall ein-<lb/>
zula&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Es ko&#x0364;mmt wohl nur auf die Uebung an,<lb/>
&#x017F;agte Theodor, haben doch Elephanten gelernt<lb/>
auf dem Seile tanzen. Die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen<lb/>
machen &#x017F;ich außerdem ihr Leben noch viel be-<lb/>
&#x017F;chwerlicher, und &#x017F;ie leben es doch ab: o wahr-<lb/>
lich, ha&#x0364;tten &#x017F;ie nur etwas Leicht&#x017F;inn in den Kauf<lb/>
bekommen, &#x017F;o ent&#x017F;chlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich viele, &#x017F;ich &#x017F;terben<lb/>
zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;age ja nur, antwortete Lothar, daß<lb/>
uns dunkel dergleichen Vor&#x017F;tellung eines Dra-<lb/>
ma vor&#x017F;chwebt, wie bei allen Dingen, in die<lb/>
wir uns be&#x017F;treben Sinn und Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
hinein zu bringen.</p><lb/>
        <p>Da man &#x017F;ich &#x017F;chon dem Nachti&#x017F;che na&#x0364;herte,<lb/>
&#x017F;o ließ Manfred heißern Wein geben und ermun-<lb/>
terte &#x017F;eine Freunde zum Trinken. Du wollte&#x017F;t,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0093] Einleitung. ſinn folgen koͤnnen, um wuͤrdig zu beſchließen, oder wieder in das gewoͤhnliche Leben einzu- lenken? Der orientaliſche Ernſt des Caffee, ant- wortete Lothar, und nach dieſem, wie neulich ſchon ausgemacht wurde, vielleicht ſogar die Pfeife. Da befinden wir uns ploͤtzlich wieder in der Mitte eines herabgeſtimmten Lebens, und denken an unſere vorige Luſt nur wie an einen Traum zuruͤck. Sollte man ſo bewußtvoll leben, eſſen und trinken, warf Clara ein, ſo waͤre es eben eine herzliche Laſt, ſich mit dem Leben uͤberall ein- zulaſſen. Es koͤmmt wohl nur auf die Uebung an, ſagte Theodor, haben doch Elephanten gelernt auf dem Seile tanzen. Die meiſten Menſchen machen ſich außerdem ihr Leben noch viel be- ſchwerlicher, und ſie leben es doch ab: o wahr- lich, haͤtten ſie nur etwas Leichtſinn in den Kauf bekommen, ſo entſchloͤſſen ſich viele, ſich ſterben zu laſſen. Ich ſage ja nur, antwortete Lothar, daß uns dunkel dergleichen Vorſtellung eines Dra- ma vorſchwebt, wie bei allen Dingen, in die wir uns beſtreben Sinn und Zuſammenhang hinein zu bringen. Da man ſich ſchon dem Nachtiſche naͤherte, ſo ließ Manfred heißern Wein geben und ermun- terte ſeine Freunde zum Trinken. Du wollteſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/93
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/93>, abgerufen am 21.11.2024.