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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Einleitung.
hohen, und weisen ihn wieder auf die niedrige
Erde an.

Es gemahnt mir, bemerkte Theodor unhöf-
lich, wie die Hunde, die, wenn auch noch so
geschickt, nicht lange auf zwei Beinen dienen
können, sondern immer bald wieder zu ihrem
Wohlbehagen als ordinäre Hunde zurück fallen.

Laßt uns also, erinnerte Wilibald, auch
ohne Hunde zu sein, auf der Erde bleiben, denn
gewiß ist alles gut, was nicht anders sein kann.

Wir sprachen ja von Künsten, fuhr Theodor
fort, und ich erinnere mich dabei nur mit Ver-
druß, daß ein Mensch, der seine Hunde ihre
mannigfaltigen Geschicklichkeiten öffentlich zeigen
ließ, jeden seiner Scholaren mit der größten Ernst-
haftigkeit und Unschuld einen Künstler nannte.

O welch liebliches Licht, rief Rosalie aus,
breitet sich jetzt nach dem sanften Regen über
unsern Garten! So ist wohl dem zu Muthe,
der aus einem schweren Traum am heitern Mor-
gen erwacht.

Ich werde nie, sagte Ernst, den lieblichen
Eindruck vergessen, den mir dieser Garten mit
seiner Umgebung machte, als ich ihn zuerst von
der Höhe jenes Berges entdeckte. Du hattest
mir dort, in der Waldschenke, mein Freund Man-
fred, nur im allgemeinen von dieser Gegend
erzählt, und ich stellte mir ziemlich unbestimmt
eine Sammlung grüner Gebüsche vor, die man
so häufig jetzt Garten nennt; wie erstaunte ich,

Einleitung.
hohen, und weiſen ihn wieder auf die niedrige
Erde an.

Es gemahnt mir, bemerkte Theodor unhoͤf-
lich, wie die Hunde, die, wenn auch noch ſo
geſchickt, nicht lange auf zwei Beinen dienen
koͤnnen, ſondern immer bald wieder zu ihrem
Wohlbehagen als ordinaͤre Hunde zuruͤck fallen.

Laßt uns alſo, erinnerte Wilibald, auch
ohne Hunde zu ſein, auf der Erde bleiben, denn
gewiß iſt alles gut, was nicht anders ſein kann.

Wir ſprachen ja von Kuͤnſten, fuhr Theodor
fort, und ich erinnere mich dabei nur mit Ver-
druß, daß ein Menſch, der ſeine Hunde ihre
mannigfaltigen Geſchicklichkeiten oͤffentlich zeigen
ließ, jeden ſeiner Scholaren mit der groͤßten Ernſt-
haftigkeit und Unſchuld einen Kuͤnſtler nannte.

O welch liebliches Licht, rief Roſalie aus,
breitet ſich jetzt nach dem ſanften Regen uͤber
unſern Garten! So iſt wohl dem zu Muthe,
der aus einem ſchweren Traum am heitern Mor-
gen erwacht.

Ich werde nie, ſagte Ernſt, den lieblichen
Eindruck vergeſſen, den mir dieſer Garten mit
ſeiner Umgebung machte, als ich ihn zuerſt von
der Hoͤhe jenes Berges entdeckte. Du hatteſt
mir dort, in der Waldſchenke, mein Freund Man-
fred, nur im allgemeinen von dieſer Gegend
erzaͤhlt, und ich ſtellte mir ziemlich unbeſtimmt
eine Sammlung gruͤner Gebuͤſche vor, die man
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[87/0098] Einleitung. hohen, und weiſen ihn wieder auf die niedrige Erde an. Es gemahnt mir, bemerkte Theodor unhoͤf- lich, wie die Hunde, die, wenn auch noch ſo geſchickt, nicht lange auf zwei Beinen dienen koͤnnen, ſondern immer bald wieder zu ihrem Wohlbehagen als ordinaͤre Hunde zuruͤck fallen. Laßt uns alſo, erinnerte Wilibald, auch ohne Hunde zu ſein, auf der Erde bleiben, denn gewiß iſt alles gut, was nicht anders ſein kann. Wir ſprachen ja von Kuͤnſten, fuhr Theodor fort, und ich erinnere mich dabei nur mit Ver- druß, daß ein Menſch, der ſeine Hunde ihre mannigfaltigen Geſchicklichkeiten oͤffentlich zeigen ließ, jeden ſeiner Scholaren mit der groͤßten Ernſt- haftigkeit und Unſchuld einen Kuͤnſtler nannte. O welch liebliches Licht, rief Roſalie aus, breitet ſich jetzt nach dem ſanften Regen uͤber unſern Garten! So iſt wohl dem zu Muthe, der aus einem ſchweren Traum am heitern Mor- gen erwacht. Ich werde nie, ſagte Ernſt, den lieblichen Eindruck vergeſſen, den mir dieſer Garten mit ſeiner Umgebung machte, als ich ihn zuerſt von der Hoͤhe jenes Berges entdeckte. Du hatteſt mir dort, in der Waldſchenke, mein Freund Man- fred, nur im allgemeinen von dieſer Gegend erzaͤhlt, und ich ſtellte mir ziemlich unbeſtimmt eine Sammlung gruͤner Gebuͤſche vor, die man ſo haͤufig jetzt Garten nennt; wie erſtaunte ich,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus01_1812/98>, abgerufen am 21.11.2024.