Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. um ihr Verräther zu seyn? -- Anton, erweicheeinmal Dein brüderliches Herz; sie sieht jetzt viel- leicht mit Sehnsucht aus dem Fenster des Schlos- ses nach der Gegend hieher, sie wünscht vielleicht, daß ihre tiefen Seufzer uns beide allgewaltig hin- ziehn könnten, sie klagt über uns, -- nachher fin- den wir sie wohl todt, blaß auf der Bahre aus- gestreckt. Anton. Aber wie kommst Du nur darauf? Simon. Meine ganze Phantasie ist von die- sen betrübten Vorstellungen angefüllt; ich kann nichts Frohes denken und träumen, ich sinne nur Tod. Ich habe keine Ruhe, bis ich diesen Hugo mit dem Schwerdt unter mich gebracht habe. -- Komm, mich dünkt, ich höre unsre Schwester, so weit es auch ist. Wie bald sind unsre Pferde ge- sattelt, wie bald können wir dort seyn! Anton. Das Tollste bei der Tollheit ist, daß sie vernünftige Menschen ansteckt. Simon. Du wirst seyn, daß ich mich nicht irre. Anton. Ich begreife selbst nicht, warum ich dir nachgebe. Simon. Zieh dich an, ich sattle indeß die Pferde, diese Fackel leuchtet uns, bis die Sonne aufgeht. (von verschiedenen Seiten ab.) Zweite Abtheilung. um ihr Verraͤther zu ſeyn? — Anton, erweicheeinmal Dein bruͤderliches Herz; ſie ſieht jetzt viel- leicht mit Sehnſucht aus dem Fenſter des Schloſ- ſes nach der Gegend hieher, ſie wuͤnſcht vielleicht, daß ihre tiefen Seufzer uns beide allgewaltig hin- ziehn koͤnnten, ſie klagt uͤber uns, — nachher fin- den wir ſie wohl todt, blaß auf der Bahre aus- geſtreckt. Anton. Aber wie kommſt Du nur darauf? Simon. Meine ganze Phantaſie iſt von die- ſen betruͤbten Vorſtellungen angefuͤllt; ich kann nichts Frohes denken und traͤumen, ich ſinne nur Tod. Ich habe keine Ruhe, bis ich dieſen Hugo mit dem Schwerdt unter mich gebracht habe. — Komm, mich duͤnkt, ich hoͤre unſre Schweſter, ſo weit es auch iſt. Wie bald ſind unſre Pferde ge- ſattelt, wie bald koͤnnen wir dort ſeyn! Anton. Das Tollſte bei der Tollheit iſt, daß ſie vernuͤnftige Menſchen anſteckt. Simon. Du wirſt ſeyn, daß ich mich nicht irre. Anton. Ich begreife ſelbſt nicht, warum ich dir nachgebe. Simon. Zieh dich an, ich ſattle indeß die Pferde, dieſe Fackel leuchtet uns, bis die Sonne aufgeht. (von verſchiedenen Seiten ab.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#SIM"> <p><pb facs="#f0117" n="108"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> um ihr Verraͤther zu ſeyn? — Anton, erweiche<lb/> einmal Dein bruͤderliches Herz; ſie ſieht jetzt viel-<lb/> leicht mit Sehnſucht aus dem Fenſter des Schloſ-<lb/> ſes nach der Gegend hieher, ſie wuͤnſcht vielleicht,<lb/> daß ihre tiefen Seufzer uns beide allgewaltig hin-<lb/> ziehn koͤnnten, ſie klagt uͤber uns, — nachher fin-<lb/> den wir ſie wohl todt, blaß auf der Bahre aus-<lb/> geſtreckt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Anton</hi>.</speaker> <p>Aber wie kommſt Du nur darauf?</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Meine ganze Phantaſie iſt von die-<lb/> ſen betruͤbten Vorſtellungen angefuͤllt; ich kann<lb/> nichts Frohes denken und traͤumen, ich ſinne nur<lb/> Tod. Ich habe keine Ruhe, bis ich dieſen Hugo<lb/> mit dem Schwerdt unter mich gebracht habe. —<lb/> Komm, mich duͤnkt, ich hoͤre unſre Schweſter, ſo<lb/> weit es auch iſt. Wie bald ſind unſre Pferde ge-<lb/> ſattelt, wie bald koͤnnen wir dort ſeyn!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Anton</hi>.</speaker> <p>Das Tollſte bei der Tollheit iſt, daß<lb/> ſie vernuͤnftige Menſchen anſteckt.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Du wirſt ſeyn, daß ich mich nicht<lb/> irre.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Anton</hi>.</speaker> <p>Ich begreife ſelbſt nicht, warum ich<lb/> dir nachgebe.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Zieh dich an, ich ſattle indeß die<lb/> Pferde, dieſe Fackel leuchtet uns, bis die Sonne<lb/> aufgeht.</p> <stage>(von verſchiedenen Seiten ab.)</stage> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0117]
Zweite Abtheilung.
um ihr Verraͤther zu ſeyn? — Anton, erweiche
einmal Dein bruͤderliches Herz; ſie ſieht jetzt viel-
leicht mit Sehnſucht aus dem Fenſter des Schloſ-
ſes nach der Gegend hieher, ſie wuͤnſcht vielleicht,
daß ihre tiefen Seufzer uns beide allgewaltig hin-
ziehn koͤnnten, ſie klagt uͤber uns, — nachher fin-
den wir ſie wohl todt, blaß auf der Bahre aus-
geſtreckt.
Anton. Aber wie kommſt Du nur darauf?
Simon. Meine ganze Phantaſie iſt von die-
ſen betruͤbten Vorſtellungen angefuͤllt; ich kann
nichts Frohes denken und traͤumen, ich ſinne nur
Tod. Ich habe keine Ruhe, bis ich dieſen Hugo
mit dem Schwerdt unter mich gebracht habe. —
Komm, mich duͤnkt, ich hoͤre unſre Schweſter, ſo
weit es auch iſt. Wie bald ſind unſre Pferde ge-
ſattelt, wie bald koͤnnen wir dort ſeyn!
Anton. Das Tollſte bei der Tollheit iſt, daß
ſie vernuͤnftige Menſchen anſteckt.
Simon. Du wirſt ſeyn, daß ich mich nicht
irre.
Anton. Ich begreife ſelbſt nicht, warum ich
dir nachgebe.
Simon. Zieh dich an, ich ſattle indeß die
Pferde, dieſe Fackel leuchtet uns, bis die Sonne
aufgeht. (von verſchiedenen Seiten ab.)
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