Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Blaubart.
Zweite Scene.
(Hugos Schloß.)


Agnes. tritt mit einer Lampe auf; sie stellt sie
auf einen Tisch und setzt sich daneben, dann
nimmt sie den Schlüssel aus der Tasche.

Immer will der Fleck noch nicht fort, ich
habe schon den ganzen Tag gerieben, auf alle
Art gewaschen, aber er bleibt. -- Wenn ich so
starr darauf hinblicke, so ist es, als wollte er sich
verlieren, aber wenn ich die Augen nach andern
Gegenständen richte, und dann zu ihm zurück kehre,
so ist er immer wieder da, und wie mich dünkt,
dunkler als zuvor. Ich könnte sagen, ich hätte
ihn verloren, aber das würde seinen Argwohn nur
im höchsten Grade reizen: -- vielleicht fordert er
mir den Schlüssel nicht gleich ab, -- vielleicht be-
merkt ers auch nicht; -- wenn ich ihn abgebe,
will ich ihm so die reine Seite hinreichen; wird er
wohl darauf fallen, ihn so genau zu betrachten? --
Es kann ja auch seyn, daß der Flecken ausgeht,
noch ehe er zurück kömmt. -- Ach! wenn mir der
gütige Himmel doch so gnädig seyn wollte!

Anne tritt herein.
Anne. Was ist dir, liebe Schwester?
Agnes. Und wenn es nun nicht geschieht? --
Es fehlt nicht viel, so bilde ich mir ein, der
Der Blaubart.
Zweite Scene.
(Hugos Schloß.)


Agnes. tritt mit einer Lampe auf; ſie ſtellt ſie
auf einen Tiſch und ſetzt ſich daneben, dann
nimmt ſie den Schluͤſſel aus der Taſche.

Immer will der Fleck noch nicht fort, ich
habe ſchon den ganzen Tag gerieben, auf alle
Art gewaſchen, aber er bleibt. — Wenn ich ſo
ſtarr darauf hinblicke, ſo iſt es, als wollte er ſich
verlieren, aber wenn ich die Augen nach andern
Gegenſtaͤnden richte, und dann zu ihm zuruͤck kehre,
ſo iſt er immer wieder da, und wie mich duͤnkt,
dunkler als zuvor. Ich koͤnnte ſagen, ich haͤtte
ihn verloren, aber das wuͤrde ſeinen Argwohn nur
im hoͤchſten Grade reizen: — vielleicht fordert er
mir den Schluͤſſel nicht gleich ab, — vielleicht be-
merkt ers auch nicht; — wenn ich ihn abgebe,
will ich ihm ſo die reine Seite hinreichen; wird er
wohl darauf fallen, ihn ſo genau zu betrachten? —
Es kann ja auch ſeyn, daß der Flecken ausgeht,
noch ehe er zuruͤck koͤmmt. — Ach! wenn mir der
guͤtige Himmel doch ſo gnaͤdig ſeyn wollte!

Anne tritt herein.
Anne. Was iſt dir, liebe Schweſter?
Agnes. Und wenn es nun nicht geſchieht? —
Es fehlt nicht viel, ſo bilde ich mir ein, der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0118" n="109"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zweite Scene</hi>.</hi> </head><lb/>
              <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Hugos Schloß</hi>.)</hi> </stage><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <sp who="#AGN">
                <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker>
                <stage>tritt mit einer Lampe auf; &#x017F;ie &#x017F;tellt &#x017F;ie<lb/>
auf einen Ti&#x017F;ch und &#x017F;etzt &#x017F;ich daneben, dann<lb/>
nimmt &#x017F;ie den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el aus der Ta&#x017F;che.</stage><lb/>
                <p>Immer will der Fleck noch nicht fort, ich<lb/>
habe &#x017F;chon den ganzen Tag gerieben, auf alle<lb/>
Art gewa&#x017F;chen, aber er bleibt. &#x2014; Wenn ich &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tarr darauf hinblicke, &#x017F;o i&#x017F;t es, als wollte er &#x017F;ich<lb/>
verlieren, aber wenn ich die Augen nach andern<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden richte, und dann zu ihm zuru&#x0364;ck kehre,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t er immer wieder da, und wie mich du&#x0364;nkt,<lb/>
dunkler als zuvor. Ich ko&#x0364;nnte &#x017F;agen, ich ha&#x0364;tte<lb/>
ihn verloren, aber das wu&#x0364;rde &#x017F;einen Argwohn nur<lb/>
im ho&#x0364;ch&#x017F;ten Grade reizen: &#x2014; vielleicht fordert er<lb/>
mir den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el nicht gleich ab, &#x2014; vielleicht be-<lb/>
merkt ers auch nicht; &#x2014; wenn ich ihn abgebe,<lb/>
will ich ihm &#x017F;o die reine Seite hinreichen; wird er<lb/>
wohl darauf fallen, ihn &#x017F;o genau zu betrachten? &#x2014;<lb/>
Es kann ja auch &#x017F;eyn, daß der Flecken ausgeht,<lb/>
noch ehe er zuru&#x0364;ck ko&#x0364;mmt. &#x2014; Ach! wenn mir der<lb/>
gu&#x0364;tige Himmel doch &#x017F;o gna&#x0364;dig &#x017F;eyn wollte!</p><lb/>
                <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Anne</hi> tritt herein.</hi> </stage>
              </sp><lb/>
              <sp who="#ANN">
                <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker>
                <p>Was i&#x017F;t dir, liebe Schwe&#x017F;ter?</p>
              </sp><lb/>
              <sp who="#AGN">
                <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker>
                <p>Und wenn es nun nicht ge&#x017F;chieht? &#x2014;<lb/>
Es fehlt nicht viel, &#x017F;o bilde ich mir ein, der<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0118] Der Blaubart. Zweite Scene. (Hugos Schloß.) Agnes. tritt mit einer Lampe auf; ſie ſtellt ſie auf einen Tiſch und ſetzt ſich daneben, dann nimmt ſie den Schluͤſſel aus der Taſche. Immer will der Fleck noch nicht fort, ich habe ſchon den ganzen Tag gerieben, auf alle Art gewaſchen, aber er bleibt. — Wenn ich ſo ſtarr darauf hinblicke, ſo iſt es, als wollte er ſich verlieren, aber wenn ich die Augen nach andern Gegenſtaͤnden richte, und dann zu ihm zuruͤck kehre, ſo iſt er immer wieder da, und wie mich duͤnkt, dunkler als zuvor. Ich koͤnnte ſagen, ich haͤtte ihn verloren, aber das wuͤrde ſeinen Argwohn nur im hoͤchſten Grade reizen: — vielleicht fordert er mir den Schluͤſſel nicht gleich ab, — vielleicht be- merkt ers auch nicht; — wenn ich ihn abgebe, will ich ihm ſo die reine Seite hinreichen; wird er wohl darauf fallen, ihn ſo genau zu betrachten? — Es kann ja auch ſeyn, daß der Flecken ausgeht, noch ehe er zuruͤck koͤmmt. — Ach! wenn mir der guͤtige Himmel doch ſo gnaͤdig ſeyn wollte! Anne tritt herein. Anne. Was iſt dir, liebe Schweſter? Agnes. Und wenn es nun nicht geſchieht? — Es fehlt nicht viel, ſo bilde ich mir ein, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/118
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/118>, abgerufen am 24.11.2024.