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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
noch gefehlt, um ihn recht interessant zu ma-
chen! Denn wohin sollte deine zukünftige Ge-
mahlin wohl flüchten, als in unsere Arme und
in diesen Garten? Kann sie etwas Besseres thun,
als uns alle insgesammt kennen lernen, und
unsre Werke anhören und ebenfalls beurtheilen?
Zugleich werden die übrigen Weiber schüchterner
werden, wenn sie eine Schönere neben sich sehn;
unsere Clara wird ihr vorlautes Wesen etwas
beschränken, die schnippische Auguste wird ler-
nen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen,
und, o Himmel! meine sanfte Rosalie wird viel-
leicht sogar eifersüchtig! Denn ich will alle
meine Aufmerksamkeit auf die schöne Geflüchtete
wenden, und mich als ihren Ritter und Ret-
ter darstellen, nur muß dich, meinen weinerlichen
gerührten Freund, der Teufel alsdann nicht mit
Grillen plagen; doch auch das wird nicht schäd-
lich seyn, sondern nur die Verwirrung um so
vollständiger machen. Sagt, Freunde, ist diese
Aussicht nicht entzückend?

Aber die ernsthafte Emilie, wandte Friedrich
ein, wird diesen Plan nicht mit derselben Be-
geisterung aufnehmen.

Laß mich nur sorgen, sagte Manfred, es
muß sich alles von selbst zur Ordnung fügen,
wenn wir es nur wollen. Glaubt nur, ernst-
haft gesprochen, die meisten Weiber haben mehr
Hang zur Intrigue, als sie sich im gewöhnli-
chen Leben dürfen merken lassen, meldet sich nun

Zweite Abtheilung.
noch gefehlt, um ihn recht intereſſant zu ma-
chen! Denn wohin ſollte deine zukuͤnftige Ge-
mahlin wohl fluͤchten, als in unſere Arme und
in dieſen Garten? Kann ſie etwas Beſſeres thun,
als uns alle insgeſammt kennen lernen, und
unſre Werke anhoͤren und ebenfalls beurtheilen?
Zugleich werden die uͤbrigen Weiber ſchuͤchterner
werden, wenn ſie eine Schoͤnere neben ſich ſehn;
unſere Clara wird ihr vorlautes Weſen etwas
beſchraͤnken, die ſchnippiſche Auguſte wird ler-
nen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen,
und, o Himmel! meine ſanfte Roſalie wird viel-
leicht ſogar eiferſuͤchtig! Denn ich will alle
meine Aufmerkſamkeit auf die ſchoͤne Gefluͤchtete
wenden, und mich als ihren Ritter und Ret-
ter darſtellen, nur muß dich, meinen weinerlichen
geruͤhrten Freund, der Teufel alsdann nicht mit
Grillen plagen; doch auch das wird nicht ſchaͤd-
lich ſeyn, ſondern nur die Verwirrung um ſo
vollſtaͤndiger machen. Sagt, Freunde, iſt dieſe
Ausſicht nicht entzuͤckend?

Aber die ernſthafte Emilie, wandte Friedrich
ein, wird dieſen Plan nicht mit derſelben Be-
geiſterung aufnehmen.

Laß mich nur ſorgen, ſagte Manfred, es
muß ſich alles von ſelbſt zur Ordnung fuͤgen,
wenn wir es nur wollen. Glaubt nur, ernſt-
haft geſprochen, die meiſten Weiber haben mehr
Hang zur Intrigue, als ſie ſich im gewoͤhnli-
chen Leben duͤrfen merken laſſen, meldet ſich nun

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[5/0014] Zweite Abtheilung. noch gefehlt, um ihn recht intereſſant zu ma- chen! Denn wohin ſollte deine zukuͤnftige Ge- mahlin wohl fluͤchten, als in unſere Arme und in dieſen Garten? Kann ſie etwas Beſſeres thun, als uns alle insgeſammt kennen lernen, und unſre Werke anhoͤren und ebenfalls beurtheilen? Zugleich werden die uͤbrigen Weiber ſchuͤchterner werden, wenn ſie eine Schoͤnere neben ſich ſehn; unſere Clara wird ihr vorlautes Weſen etwas beſchraͤnken, die ſchnippiſche Auguſte wird ler- nen, daß hinter den Bergen auch Leute wohnen, und, o Himmel! meine ſanfte Roſalie wird viel- leicht ſogar eiferſuͤchtig! Denn ich will alle meine Aufmerkſamkeit auf die ſchoͤne Gefluͤchtete wenden, und mich als ihren Ritter und Ret- ter darſtellen, nur muß dich, meinen weinerlichen geruͤhrten Freund, der Teufel alsdann nicht mit Grillen plagen; doch auch das wird nicht ſchaͤd- lich ſeyn, ſondern nur die Verwirrung um ſo vollſtaͤndiger machen. Sagt, Freunde, iſt dieſe Ausſicht nicht entzuͤckend? Aber die ernſthafte Emilie, wandte Friedrich ein, wird dieſen Plan nicht mit derſelben Be- geiſterung aufnehmen. Laß mich nur ſorgen, ſagte Manfred, es muß ſich alles von ſelbſt zur Ordnung fuͤgen, wenn wir es nur wollen. Glaubt nur, ernſt- haft geſprochen, die meiſten Weiber haben mehr Hang zur Intrigue, als ſie ſich im gewoͤhnli- chen Leben duͤrfen merken laſſen, meldet ſich nun

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/14>, abgerufen am 21.11.2024.