Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.
Zweite Abtheilung. die Gelegenheit einmal, daß sie es ohne sonder-liche Gefahr können, so greifen sie mit beiden Händen hinein, und so wird sich auch Emilie für diese poetische Situation interessiren, das ro- mantische Gedicht fortschieben helfen, und sich selbst Beifall zurufen, daß sie eine Verwirrung sanft und anständig gelöst hat, die nach ihrer Meinung ohne ihre Hülfe leicht zu Unglück, Miß- helligkeit und Verzweiflung hätte ausschlagen kön- nen. Vergeßt auch nicht, meine Freunde, daß die Menschen zwar, wenn ihnen etwas Außer- ordentliches als zukünftig bevorsteht, sich die Haare ausraufen und Himmel und Erde in Be- wegung setzen wollen, um es sich abzuwehren, daß sie sich aber gelinde das Seltsamste gefallen lassen, so wie es nur einmal da ist und nicht mehr abzuwenden steht. Daher werde ich Emi- lie von allem nichts wissen lassen, bis Adelheid in unserm Hause ist, oder diese vielleicht sogar einen Tag vor ihr verborgen halten, was in dem weitläufigen Gebäude, und wenn wir übrigen alle darum wissen, sehr leicht geschehn kann. Eben so wird sich der belobte Onkel zurecht fin- den, wenn er erst sieht, daß das Abentheuer nicht mehr abzuändern steht. Ich reise dann wohl nach einiger Zeit hin, um ihn zu sondiren und zu versöhnen, oder wir schicken unsern ehrbaren Ernst zu ihm, um den Frieden mit ihm abzu- schließen. Sie wurden durch die Ankunft von einigen Zweite Abtheilung. die Gelegenheit einmal, daß ſie es ohne ſonder-liche Gefahr koͤnnen, ſo greifen ſie mit beiden Haͤnden hinein, und ſo wird ſich auch Emilie fuͤr dieſe poetiſche Situation intereſſiren, das ro- mantiſche Gedicht fortſchieben helfen, und ſich ſelbſt Beifall zurufen, daß ſie eine Verwirrung ſanft und anſtaͤndig geloͤſt hat, die nach ihrer Meinung ohne ihre Huͤlfe leicht zu Ungluͤck, Miß- helligkeit und Verzweiflung haͤtte ausſchlagen koͤn- nen. Vergeßt auch nicht, meine Freunde, daß die Menſchen zwar, wenn ihnen etwas Außer- ordentliches als zukuͤnftig bevorſteht, ſich die Haare ausraufen und Himmel und Erde in Be- wegung ſetzen wollen, um es ſich abzuwehren, daß ſie ſich aber gelinde das Seltſamſte gefallen laſſen, ſo wie es nur einmal da iſt und nicht mehr abzuwenden ſteht. Daher werde ich Emi- lie von allem nichts wiſſen laſſen, bis Adelheid in unſerm Hauſe iſt, oder dieſe vielleicht ſogar einen Tag vor ihr verborgen halten, was in dem weitlaͤufigen Gebaͤude, und wenn wir uͤbrigen alle darum wiſſen, ſehr leicht geſchehn kann. Eben ſo wird ſich der belobte Onkel zurecht fin- den, wenn er erſt ſieht, daß das Abentheuer nicht mehr abzuaͤndern ſteht. Ich reiſe dann wohl nach einiger Zeit hin, um ihn zu ſondiren und zu verſoͤhnen, oder wir ſchicken unſern ehrbaren Ernſt zu ihm, um den Frieden mit ihm abzu- ſchließen. Sie wurden durch die Ankunft von einigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0015" n="6"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> die Gelegenheit einmal, daß ſie es ohne ſonder-<lb/> liche Gefahr koͤnnen, ſo greifen ſie mit beiden<lb/> Haͤnden hinein, und ſo wird ſich auch Emilie<lb/> fuͤr dieſe poetiſche Situation intereſſiren, das ro-<lb/> mantiſche Gedicht fortſchieben helfen, und ſich<lb/> ſelbſt Beifall zurufen, daß ſie eine Verwirrung<lb/> ſanft und anſtaͤndig geloͤſt hat, die nach ihrer<lb/> Meinung ohne ihre Huͤlfe leicht zu Ungluͤck, Miß-<lb/> helligkeit und Verzweiflung haͤtte ausſchlagen koͤn-<lb/> nen. Vergeßt auch nicht, meine Freunde, daß<lb/> die Menſchen zwar, wenn ihnen etwas Außer-<lb/> ordentliches als zukuͤnftig bevorſteht, ſich die<lb/> Haare ausraufen und Himmel und Erde in Be-<lb/> wegung ſetzen wollen, um es ſich abzuwehren,<lb/> daß ſie ſich aber gelinde das Seltſamſte gefallen<lb/> laſſen, ſo wie es nur einmal da iſt und nicht<lb/> mehr abzuwenden ſteht. Daher werde ich Emi-<lb/> lie von allem nichts wiſſen laſſen, bis Adelheid<lb/> in unſerm Hauſe iſt, oder dieſe vielleicht ſogar<lb/> einen Tag vor ihr verborgen halten, was in dem<lb/> weitlaͤufigen Gebaͤude, und wenn wir uͤbrigen<lb/> alle darum wiſſen, ſehr leicht geſchehn kann.<lb/> Eben ſo wird ſich der belobte Onkel zurecht fin-<lb/> den, wenn er erſt ſieht, daß das Abentheuer<lb/> nicht mehr abzuaͤndern ſteht. Ich reiſe dann wohl<lb/> nach einiger Zeit hin, um ihn zu ſondiren und<lb/> zu verſoͤhnen, oder wir ſchicken unſern ehrbaren<lb/> Ernſt zu ihm, um den Frieden mit ihm abzu-<lb/> ſchließen.</p><lb/> <p>Sie wurden durch die Ankunft von einigen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [6/0015]
Zweite Abtheilung.
die Gelegenheit einmal, daß ſie es ohne ſonder-
liche Gefahr koͤnnen, ſo greifen ſie mit beiden
Haͤnden hinein, und ſo wird ſich auch Emilie
fuͤr dieſe poetiſche Situation intereſſiren, das ro-
mantiſche Gedicht fortſchieben helfen, und ſich
ſelbſt Beifall zurufen, daß ſie eine Verwirrung
ſanft und anſtaͤndig geloͤſt hat, die nach ihrer
Meinung ohne ihre Huͤlfe leicht zu Ungluͤck, Miß-
helligkeit und Verzweiflung haͤtte ausſchlagen koͤn-
nen. Vergeßt auch nicht, meine Freunde, daß
die Menſchen zwar, wenn ihnen etwas Außer-
ordentliches als zukuͤnftig bevorſteht, ſich die
Haare ausraufen und Himmel und Erde in Be-
wegung ſetzen wollen, um es ſich abzuwehren,
daß ſie ſich aber gelinde das Seltſamſte gefallen
laſſen, ſo wie es nur einmal da iſt und nicht
mehr abzuwenden ſteht. Daher werde ich Emi-
lie von allem nichts wiſſen laſſen, bis Adelheid
in unſerm Hauſe iſt, oder dieſe vielleicht ſogar
einen Tag vor ihr verborgen halten, was in dem
weitlaͤufigen Gebaͤude, und wenn wir uͤbrigen
alle darum wiſſen, ſehr leicht geſchehn kann.
Eben ſo wird ſich der belobte Onkel zurecht fin-
den, wenn er erſt ſieht, daß das Abentheuer
nicht mehr abzuaͤndern ſteht. Ich reiſe dann wohl
nach einiger Zeit hin, um ihn zu ſondiren und
zu verſoͤhnen, oder wir ſchicken unſern ehrbaren
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| Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/15>, abgerufen am 24.11.2024. |
