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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Müller. Eh ich mich so täuschen lasse, will
ich lieber zeitlebens kein Stück wieder sehn.
Hinze. Warum soll ich nicht sprechen kön-
nen, Gottlieb?
Gottlieb. Ich hätt es nicht vermuthet, ich
habe zeitlebens noch keine Katze sprechen hören.
Hinze. Ihr meint, weil wir nicht immer
in alles mitreden, wären wir gar Hunde.
Gottlieb. Ich denke, Ihr seid bloß dazu
da, Mäuse zu fangen.
Hinze. Wenn wir nicht im Umgange mit
den Menschen eine gewisse Verachtung gegen die
Sprache bekämen, so könnten wir alle sprechen.
Gottlieb. Nun, das gesteh ich! -- Aber
warum laßt Ihr euch denn so gar nichts merken?
Hinze. Um uns keine Verantwortung zuzu-
ziehen, denn wenn uns sogenannten Thieren noch
erst die Sprache angeprügelt würde, so wäre gar
keine Freude mehr auf der Welt. Was muß der
Hund nicht alles thun und lernen! Wie wird das
Pferd gemartert! Es sind dumme Thiere, daß sie
sich ihren Verstand merken lassen, sie müssen ihrer
Eitelkeit durchaus nachgeben; aber wir Katzen sind
noch immer das freieste Geschlecht, weil wir uns
bei aller unsrer Geschicklichkeit so ungeschickt anzu-
stellen wissen, daß es der Mensch ganz aufgiebt,
uns zu erziehen.
Gottlieb. Aber warum entdeckst Du mir
das alles?
Hinze. Weil Ihr ein guter, ein edler Mann
seid, einer von den wenigen, die keinen Gefallen
Zweite Abtheilung.
Muͤller. Eh ich mich ſo taͤuſchen laſſe, will
ich lieber zeitlebens kein Stuͤck wieder ſehn.
Hinze. Warum ſoll ich nicht ſprechen koͤn-
nen, Gottlieb?
Gottlieb. Ich haͤtt es nicht vermuthet, ich
habe zeitlebens noch keine Katze ſprechen hoͤren.
Hinze. Ihr meint, weil wir nicht immer
in alles mitreden, waͤren wir gar Hunde.
Gottlieb. Ich denke, Ihr ſeid bloß dazu
da, Maͤuſe zu fangen.
Hinze. Wenn wir nicht im Umgange mit
den Menſchen eine gewiſſe Verachtung gegen die
Sprache bekaͤmen, ſo koͤnnten wir alle ſprechen.
Gottlieb. Nun, das geſteh ich! — Aber
warum laßt Ihr euch denn ſo gar nichts merken?
Hinze. Um uns keine Verantwortung zuzu-
ziehen, denn wenn uns ſogenannten Thieren noch
erſt die Sprache angepruͤgelt wuͤrde, ſo waͤre gar
keine Freude mehr auf der Welt. Was muß der
Hund nicht alles thun und lernen! Wie wird das
Pferd gemartert! Es ſind dumme Thiere, daß ſie
ſich ihren Verſtand merken laſſen, ſie muͤſſen ihrer
Eitelkeit durchaus nachgeben; aber wir Katzen ſind
noch immer das freieſte Geſchlecht, weil wir uns
bei aller unſrer Geſchicklichkeit ſo ungeſchickt anzu-
ſtellen wiſſen, daß es der Menſch ganz aufgiebt,
uns zu erziehen.
Gottlieb. Aber warum entdeckſt Du mir
das alles?
Hinze. Weil Ihr ein guter, ein edler Mann
ſeid, einer von den wenigen, die keinen Gefallen
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[158/0167] Zweite Abtheilung. Muͤller. Eh ich mich ſo taͤuſchen laſſe, will ich lieber zeitlebens kein Stuͤck wieder ſehn. Hinze. Warum ſoll ich nicht ſprechen koͤn- nen, Gottlieb? Gottlieb. Ich haͤtt es nicht vermuthet, ich habe zeitlebens noch keine Katze ſprechen hoͤren. Hinze. Ihr meint, weil wir nicht immer in alles mitreden, waͤren wir gar Hunde. Gottlieb. Ich denke, Ihr ſeid bloß dazu da, Maͤuſe zu fangen. Hinze. Wenn wir nicht im Umgange mit den Menſchen eine gewiſſe Verachtung gegen die Sprache bekaͤmen, ſo koͤnnten wir alle ſprechen. Gottlieb. Nun, das geſteh ich! — Aber warum laßt Ihr euch denn ſo gar nichts merken? Hinze. Um uns keine Verantwortung zuzu- ziehen, denn wenn uns ſogenannten Thieren noch erſt die Sprache angepruͤgelt wuͤrde, ſo waͤre gar keine Freude mehr auf der Welt. Was muß der Hund nicht alles thun und lernen! Wie wird das Pferd gemartert! Es ſind dumme Thiere, daß ſie ſich ihren Verſtand merken laſſen, ſie muͤſſen ihrer Eitelkeit durchaus nachgeben; aber wir Katzen ſind noch immer das freieſte Geſchlecht, weil wir uns bei aller unſrer Geſchicklichkeit ſo ungeſchickt anzu- ſtellen wiſſen, daß es der Menſch ganz aufgiebt, uns zu erziehen. Gottlieb. Aber warum entdeckſt Du mir das alles? Hinze. Weil Ihr ein guter, ein edler Mann ſeid, einer von den wenigen, die keinen Gefallen

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/167>, abgerufen am 21.11.2024.