Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der gestiefelte Kater. Zweite Scene. (Saal im königlichen Pallast.) Der König mit Krone und Zepter. Die Prinzessin seine Tochter. König. Schon tausend schöne Prinzen, werth- geschätzte Tochter, haben sich um Dich beworben und dir ihre Königreiche zu Füßen gelegt, aber Du hast ihrer immer nicht geachtet; sage uns die Ursach davon, mein Kleinod. Prinzessin. Mein allergnädigster Herr Va- ter, ich habe immer geglaubt, daß mein Herz erst einige Empfindungen zeigen müsse, ehe ich meinen Nacken in das Joch des Ehestandes beugte. Denn eine Ehe ohne Liebe, sagt man, ist die wahre Hölle auf Erden. König. Recht so, meine liebe Tochter. Ach, wohl, wohl hast Du da ein wahres Wort ge- sagt: eine Hölle auf Erden! Ach, wenn ich doch nicht darüber mit sprechen könnte! Wär ich doch lieber unwissend geblieben! Aber so, theures Klei- nod, kann ich ein Liedchen davon singen, wie man zu sagen pflegt. Deine Mutter, meine höchst see- lige Gemahlin, -- ach, Prinzessin, sieh, die Thrä- nen stehn mir noch auf meinen alten Tagen in den Augen, -- sie war eine gute Fürstin, sie trug die Krone mit einer unglaublichen Majestät, -- aber mir hat sie gar wenige Ruhe gelassen. -- Der geſtiefelte Kater. Zweite Scene. (Saal im koͤniglichen Pallaſt.) Der Koͤnig mit Krone und Zepter. Die Prinzeſſin ſeine Tochter. Koͤnig. Schon tauſend ſchoͤne Prinzen, werth- geſchaͤtzte Tochter, haben ſich um Dich beworben und dir ihre Koͤnigreiche zu Fuͤßen gelegt, aber Du haſt ihrer immer nicht geachtet; ſage uns die Urſach davon, mein Kleinod. Prinzeſſin. Mein allergnaͤdigſter Herr Va- ter, ich habe immer geglaubt, daß mein Herz erſt einige Empfindungen zeigen muͤſſe, ehe ich meinen Nacken in das Joch des Eheſtandes beugte. Denn eine Ehe ohne Liebe, ſagt man, iſt die wahre Hoͤlle auf Erden. Koͤnig. Recht ſo, meine liebe Tochter. Ach, wohl, wohl haſt Du da ein wahres Wort ge- ſagt: eine Hoͤlle auf Erden! Ach, wenn ich doch nicht daruͤber mit ſprechen koͤnnte! Waͤr ich doch lieber unwiſſend geblieben! Aber ſo, theures Klei- nod, kann ich ein Liedchen davon ſingen, wie man zu ſagen pflegt. Deine Mutter, meine hoͤchſt ſee- lige Gemahlin, — ach, Prinzeſſin, ſieh, die Thraͤ- nen ſtehn mir noch auf meinen alten Tagen in den Augen, — ſie war eine gute Fuͤrſtin, ſie trug die Krone mit einer unglaublichen Majeſtaͤt, — aber mir hat ſie gar wenige Ruhe gelaſſen. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0174" n="165"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der geſtiefelte Kater</hi>.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zweite Scene</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Saal im koͤniglichen Pallaſt</hi>.)</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage><hi rendition="#g">Der Koͤnig</hi> mit Krone und Zepter. Die<lb/><hi rendition="#g">Prinzeſſin</hi> ſeine Tochter.</stage><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Schon tauſend ſchoͤne Prinzen, werth-<lb/> geſchaͤtzte Tochter, haben ſich um Dich beworben<lb/> und dir ihre Koͤnigreiche zu Fuͤßen gelegt, aber<lb/> Du haſt ihrer immer nicht geachtet; ſage uns die<lb/> Urſach davon, mein Kleinod.</p> </sp><lb/> <sp who="#PRINZI"> <speaker><hi rendition="#g">Prinzeſſin</hi>.</speaker> <p>Mein allergnaͤdigſter Herr Va-<lb/> ter, ich habe immer geglaubt, daß mein Herz erſt<lb/> einige Empfindungen zeigen muͤſſe, ehe ich meinen<lb/> Nacken in das Joch des Eheſtandes beugte. Denn<lb/> eine Ehe ohne Liebe, ſagt man, iſt die wahre<lb/> Hoͤlle auf Erden.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Recht ſo, meine liebe Tochter. Ach,<lb/> wohl, wohl haſt Du da ein wahres Wort ge-<lb/> ſagt: eine Hoͤlle auf Erden! Ach, wenn ich doch<lb/> nicht daruͤber mit ſprechen koͤnnte! Waͤr ich doch<lb/> lieber unwiſſend geblieben! Aber ſo, theures Klei-<lb/> nod, kann ich ein Liedchen davon ſingen, wie man<lb/> zu ſagen pflegt. Deine Mutter, meine hoͤchſt ſee-<lb/> lige Gemahlin, — ach, Prinzeſſin, ſieh, die Thraͤ-<lb/> nen ſtehn mir noch auf meinen alten Tagen in<lb/> den Augen, — ſie war eine gute Fuͤrſtin, ſie trug<lb/> die Krone mit einer unglaublichen Majeſtaͤt, —<lb/> aber mir hat ſie gar wenige Ruhe gelaſſen. —<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0174]
Der geſtiefelte Kater.
Zweite Scene.
(Saal im koͤniglichen Pallaſt.)
Der Koͤnig mit Krone und Zepter. Die
Prinzeſſin ſeine Tochter.
Koͤnig. Schon tauſend ſchoͤne Prinzen, werth-
geſchaͤtzte Tochter, haben ſich um Dich beworben
und dir ihre Koͤnigreiche zu Fuͤßen gelegt, aber
Du haſt ihrer immer nicht geachtet; ſage uns die
Urſach davon, mein Kleinod.
Prinzeſſin. Mein allergnaͤdigſter Herr Va-
ter, ich habe immer geglaubt, daß mein Herz erſt
einige Empfindungen zeigen muͤſſe, ehe ich meinen
Nacken in das Joch des Eheſtandes beugte. Denn
eine Ehe ohne Liebe, ſagt man, iſt die wahre
Hoͤlle auf Erden.
Koͤnig. Recht ſo, meine liebe Tochter. Ach,
wohl, wohl haſt Du da ein wahres Wort ge-
ſagt: eine Hoͤlle auf Erden! Ach, wenn ich doch
nicht daruͤber mit ſprechen koͤnnte! Waͤr ich doch
lieber unwiſſend geblieben! Aber ſo, theures Klei-
nod, kann ich ein Liedchen davon ſingen, wie man
zu ſagen pflegt. Deine Mutter, meine hoͤchſt ſee-
lige Gemahlin, — ach, Prinzeſſin, ſieh, die Thraͤ-
nen ſtehn mir noch auf meinen alten Tagen in
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die Krone mit einer unglaublichen Majeſtaͤt, —
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