Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der gestiefelte Kater. König. Man kann nicht genug dahin arbei- ten, meine Freunde, daß ein König, dem das Wohl eines ganzen Landes und unzähliger Unter- thanen auf dem Halse liegt, immer bei guter Laune bleibe; denn wenn er in eine üble Laune geräth, so wird er gar leicht ein Tirann, ein Unmensch; denn gute Laune befördert die Fröhlichkeit, und Fröhlichkeit macht nach den Beobachtungen aller Philosophen den Menschen gut, dahingegen die Melankolie deswegen für ein Laster zu achten ist, weil sie alle Laster befördert. Wem, frag ich nun, liegt es so nahe, in wessen Gewalt steht es wohl so sehr, die Laune eines Monarchen zu befördern, als eben in den Händen eines Kochs? -- Sind Kaninchen nicht sehr unschuldige Thiere? Wer an- ders denken oder sprechen könnte, von dem müßte ich fürchten, daß er selbst den reinsten Schmuck seiner Seele, seine Unschuld ver[l]oren hätte. -- Durch diese sanften Thierchen könnte ich dahin kommen, es gar nicht überdrüßig zu werden, mein Land glücklich zu machen, -- und an diesen Ka- ninchen läßt Er es mangeln! -- Spanferkeln und alle Tage Spanferkeln, -- Bösewicht, das bin ich endlich überdrüßig. Koch. Verdamme mich mein König nicht un- gehört. Der Himmel ist mein Zeuge, daß ich mir alle Mühe nach jenen niedlichen weißen Thierchen gegeben habe, ich habe sie zu allen Preisen ein- kaufen wollen, aber durchaus sind keine zu haben. -- Sollten Sie an der Liebe Ihrer Unterthanen Der geſtiefelte Kater. Koͤnig. Man kann nicht genug dahin arbei- ten, meine Freunde, daß ein Koͤnig, dem das Wohl eines ganzen Landes und unzaͤhliger Unter- thanen auf dem Halſe liegt, immer bei guter Laune bleibe; denn wenn er in eine uͤble Laune geraͤth, ſo wird er gar leicht ein Tirann, ein Unmenſch; denn gute Laune befoͤrdert die Froͤhlichkeit, und Froͤhlichkeit macht nach den Beobachtungen aller Philoſophen den Menſchen gut, dahingegen die Melankolie deswegen fuͤr ein Laſter zu achten iſt, weil ſie alle Laſter befoͤrdert. Wem, frag ich nun, liegt es ſo nahe, in weſſen Gewalt ſteht es wohl ſo ſehr, die Laune eines Monarchen zu befoͤrdern, als eben in den Haͤnden eines Kochs? — Sind Kaninchen nicht ſehr unſchuldige Thiere? Wer an- ders denken oder ſprechen koͤnnte, von dem muͤßte ich fuͤrchten, daß er ſelbſt den reinſten Schmuck ſeiner Seele, ſeine Unſchuld ver[l]oren haͤtte. — Durch dieſe ſanften Thierchen koͤnnte ich dahin kommen, es gar nicht uͤberdruͤßig zu werden, mein Land gluͤcklich zu machen, — und an dieſen Ka- ninchen laͤßt Er es mangeln! — Spanferkeln und alle Tage Spanferkeln, — Boͤſewicht, das bin ich endlich uͤberdruͤßig. Koch. Verdamme mich mein Koͤnig nicht un- gehoͤrt. Der Himmel iſt mein Zeuge, daß ich mir alle Muͤhe nach jenen niedlichen weißen Thierchen gegeben habe, ich habe ſie zu allen Preiſen ein- kaufen wollen, aber durchaus ſind keine zu haben. — Sollten Sie an der Liebe Ihrer Unterthanen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0196" n="187"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der geſtiefelte Kater</hi>.</fw><lb/> <sp who="#KOENIG"> <speaker><hi rendition="#g">Koͤnig</hi>.</speaker> <p>Man kann nicht genug dahin arbei-<lb/> ten, meine Freunde, daß ein Koͤnig, dem das<lb/> Wohl eines ganzen Landes und unzaͤhliger Unter-<lb/> thanen auf dem Halſe liegt, immer bei guter Laune<lb/> bleibe; denn wenn er in eine uͤble Laune geraͤth,<lb/> ſo wird er gar leicht ein Tirann, ein Unmenſch;<lb/> denn gute Laune befoͤrdert die Froͤhlichkeit, und<lb/> Froͤhlichkeit macht nach den Beobachtungen aller<lb/> Philoſophen den Menſchen gut, dahingegen die<lb/> Melankolie deswegen fuͤr ein Laſter zu achten iſt,<lb/> weil ſie alle Laſter befoͤrdert. Wem, frag ich nun,<lb/> liegt es ſo nahe, in weſſen Gewalt ſteht es wohl<lb/> ſo ſehr, die Laune eines Monarchen zu befoͤrdern,<lb/> als eben in den Haͤnden eines Kochs? — Sind<lb/> Kaninchen nicht ſehr unſchuldige Thiere? Wer an-<lb/> ders denken oder ſprechen koͤnnte, von dem muͤßte<lb/> ich fuͤrchten, daß er ſelbſt den reinſten Schmuck<lb/> ſeiner Seele, ſeine Unſchuld ver<supplied>l</supplied>oren haͤtte. —<lb/> Durch dieſe ſanften Thierchen koͤnnte ich dahin<lb/> kommen, es gar nicht uͤberdruͤßig zu werden, mein<lb/> Land gluͤcklich zu machen, — und an dieſen Ka-<lb/> ninchen laͤßt Er es mangeln! — Spanferkeln und<lb/> alle Tage Spanferkeln, — Boͤſewicht, das bin ich<lb/> endlich uͤberdruͤßig.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOCh"> <speaker><hi rendition="#g">Koch</hi>.</speaker> <p>Verdamme mich mein Koͤnig nicht un-<lb/> gehoͤrt. Der Himmel iſt mein Zeuge, daß ich mir<lb/> alle Muͤhe nach jenen niedlichen weißen Thierchen<lb/> gegeben habe, ich habe ſie zu allen Preiſen ein-<lb/> kaufen wollen, aber durchaus ſind keine zu haben.<lb/> — Sollten Sie an der Liebe Ihrer Unterthanen<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0196]
Der geſtiefelte Kater.
Koͤnig. Man kann nicht genug dahin arbei-
ten, meine Freunde, daß ein Koͤnig, dem das
Wohl eines ganzen Landes und unzaͤhliger Unter-
thanen auf dem Halſe liegt, immer bei guter Laune
bleibe; denn wenn er in eine uͤble Laune geraͤth,
ſo wird er gar leicht ein Tirann, ein Unmenſch;
denn gute Laune befoͤrdert die Froͤhlichkeit, und
Froͤhlichkeit macht nach den Beobachtungen aller
Philoſophen den Menſchen gut, dahingegen die
Melankolie deswegen fuͤr ein Laſter zu achten iſt,
weil ſie alle Laſter befoͤrdert. Wem, frag ich nun,
liegt es ſo nahe, in weſſen Gewalt ſteht es wohl
ſo ſehr, die Laune eines Monarchen zu befoͤrdern,
als eben in den Haͤnden eines Kochs? — Sind
Kaninchen nicht ſehr unſchuldige Thiere? Wer an-
ders denken oder ſprechen koͤnnte, von dem muͤßte
ich fuͤrchten, daß er ſelbſt den reinſten Schmuck
ſeiner Seele, ſeine Unſchuld verloren haͤtte. —
Durch dieſe ſanften Thierchen koͤnnte ich dahin
kommen, es gar nicht uͤberdruͤßig zu werden, mein
Land gluͤcklich zu machen, — und an dieſen Ka-
ninchen laͤßt Er es mangeln! — Spanferkeln und
alle Tage Spanferkeln, — Boͤſewicht, das bin ich
endlich uͤberdruͤßig.
Koch. Verdamme mich mein Koͤnig nicht un-
gehoͤrt. Der Himmel iſt mein Zeuge, daß ich mir
alle Muͤhe nach jenen niedlichen weißen Thierchen
gegeben habe, ich habe ſie zu allen Preiſen ein-
kaufen wollen, aber durchaus ſind keine zu haben.
— Sollten Sie an der Liebe Ihrer Unterthanen
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