Ich darf ja nur wollen, doch freilich mit Ver- stand, denn nicht sogleich, urplötzlich, erhebt sich der Sturm, er meldet sich, er wächst, dann erregt er Theilnahme, Angst, Furcht und Lust, da er sonst nur leeres Erstaunen und Erschrecken veranlassen würde. Ist es schwer vom Blatte zu spielen, so ist es noch schwerer, vom Blatte sogleich zu hören. Aber nun sind wir schon tief im Getümmel; Pau- ken, schlagt! Trommeten, klingt!
Fortissime.
Ha! das Getümmel, die Attaken, das Schlacht- gewühl von Tönen? Wohin rennt ihr? Woher kommt ihr? die stürzen sich wie Sieger durch das lauteste Gedränge, jene fallen, verscheiden; die dort kommen verwundet, matt zurück, und suchen Trost und Freundschaft. Da trabts heran, wie Rosses- schnauben; da orgelts tief, wie Donner im Ge- birg; da rauscht es, tobt es, wie ein Wassersturz, der verzweifelnd, sich vernichten wollend, über die nackten Klippen stürzt, und tiefer, immer tiefer hinunter wüthet, und keinen Stillstand, keine Ruhe findet.
Adagio.
Und nun? -- Was war es nun, daß ich die- sem Gelüste folgte? Da liegt nun hinter mir, ver- sunken, das erst bewegte, lebendige Gefilde, und nichts davon bleibt zurück, und eben so eilt auch
Die verkehrte Welt.
Crescendo.
Ich darf ja nur wollen, doch freilich mit Ver- ſtand, denn nicht ſogleich, urploͤtzlich, erhebt ſich der Sturm, er meldet ſich, er waͤchſt, dann erregt er Theilnahme, Angſt, Furcht und Luſt, da er ſonſt nur leeres Erſtaunen und Erſchrecken veranlaſſen wuͤrde. Iſt es ſchwer vom Blatte zu ſpielen, ſo iſt es noch ſchwerer, vom Blatte ſogleich zu hoͤren. Aber nun ſind wir ſchon tief im Getuͤmmel; Pau- ken, ſchlagt! Trommeten, klingt!
Fortiſſime.
Ha! das Getuͤmmel, die Attaken, das Schlacht- gewuͤhl von Toͤnen? Wohin rennt ihr? Woher kommt ihr? die ſtuͤrzen ſich wie Sieger durch das lauteſte Gedraͤnge, jene fallen, verſcheiden; die dort kommen verwundet, matt zuruͤck, und ſuchen Troſt und Freundſchaft. Da trabts heran, wie Roſſes- ſchnauben; da orgelts tief, wie Donner im Ge- birg; da rauſcht es, tobt es, wie ein Waſſerſturz, der verzweifelnd, ſich vernichten wollend, uͤber die nackten Klippen ſtuͤrzt, und tiefer, immer tiefer hinunter wuͤthet, und keinen Stillſtand, keine Ruhe findet.
Adagio.
Und nun? — Was war es nun, daß ich die- ſem Geluͤſte folgte? Da liegt nun hinter mir, ver- ſunken, das erſt bewegte, lebendige Gefilde, und nichts davon bleibt zuruͤck, und eben ſo eilt auch
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Die verkehrte Welt.
Crescendo.
Ich darf ja nur wollen, doch freilich mit Ver-
ſtand, denn nicht ſogleich, urploͤtzlich, erhebt ſich
der Sturm, er meldet ſich, er waͤchſt, dann erregt
er Theilnahme, Angſt, Furcht und Luſt, da er ſonſt
nur leeres Erſtaunen und Erſchrecken veranlaſſen
wuͤrde. Iſt es ſchwer vom Blatte zu ſpielen, ſo
iſt es noch ſchwerer, vom Blatte ſogleich zu hoͤren.
Aber nun ſind wir ſchon tief im Getuͤmmel; Pau-
ken, ſchlagt! Trommeten, klingt!
Fortiſſime.
Ha! das Getuͤmmel, die Attaken, das Schlacht-
gewuͤhl von Toͤnen? Wohin rennt ihr? Woher
kommt ihr? die ſtuͤrzen ſich wie Sieger durch das
lauteſte Gedraͤnge, jene fallen, verſcheiden; die dort
kommen verwundet, matt zuruͤck, und ſuchen Troſt
und Freundſchaft. Da trabts heran, wie Roſſes-
ſchnauben; da orgelts tief, wie Donner im Ge-
birg; da rauſcht es, tobt es, wie ein Waſſerſturz,
der verzweifelnd, ſich vernichten wollend, uͤber die
nackten Klippen ſtuͤrzt, und tiefer, immer tiefer
hinunter wuͤthet, und keinen Stillſtand, keine
Ruhe findet.
Adagio.
Und nun? — Was war es nun, daß ich die-
ſem Geluͤſte folgte? Da liegt nun hinter mir, ver-
ſunken, das erſt bewegte, lebendige Gefilde, und
nichts davon bleibt zuruͤck, und eben ſo eilt auch
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/262>, abgerufen am 24.11.2024.
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