Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. Zweite Scene. (Zimmer.) Winfred, ein Knecht. Winfred. Er ist aber doch zu Hause, der Junker Leopold von Friedheim? du mußt wissen, ich bin sein Freund. Knecht. Wer, sag' ich, daß Ihr seid? Winfred. Ich nenne mich Winfred, sage nur diesen Namen, so kennt mich dein Junker schon daran. (Knecht ab.) Wie das Schicksal seine Gaben ungleich und verwunderlich austheilt! So kann ich es doch nun und nimmermehr dahin brin- gen, daß mir der Hut so angenehm schief von der Seite sitzt, wie meinem Freunde Leopold, und Schuh und Strümpfe und alles, es ist und wird nimmermehr der nachlässige liebenswürdige Anstand, so viel ich mich auch übe, so sehr ich mich auch von früh Morgen darauf abarbeite. Freilich, meine Beine haben auch nicht den gehörigen Schnitt, sie sind gar zu dünn. Und dann seine Art hinein zu kommen, und mir nichts dir nichts den ersten be- sten Diskurs anzufangen, daß ihm die Worte nur so aus dem Munde stäuben. Mir erstirbt die Rede auf der Zungenspitze, und die besten Einfälle klam- mern sich so fest, daß ich sie nicht losschütteln kann. Er gefällt allen Menschen, und auch den Weibern, Der Blaubart. Zweite Scene. (Zimmer.) Winfred, ein Knecht. Winfred. Er iſt aber doch zu Hauſe, der Junker Leopold von Friedheim? du mußt wiſſen, ich bin ſein Freund. Knecht. Wer, ſag' ich, daß Ihr ſeid? Winfred. Ich nenne mich Winfred, ſage nur dieſen Namen, ſo kennt mich dein Junker ſchon daran. (Knecht ab.) Wie das Schickſal ſeine Gaben ungleich und verwunderlich austheilt! So kann ich es doch nun und nimmermehr dahin brin- gen, daß mir der Hut ſo angenehm ſchief von der Seite ſitzt, wie meinem Freunde Leopold, und Schuh und Struͤmpfe und alles, es iſt und wird nimmermehr der nachlaͤſſige liebenswuͤrdige Anſtand, ſo viel ich mich auch uͤbe, ſo ſehr ich mich auch von fruͤh Morgen darauf abarbeite. Freilich, meine Beine haben auch nicht den gehoͤrigen Schnitt, ſie ſind gar zu duͤnn. Und dann ſeine Art hinein zu kommen, und mir nichts dir nichts den erſten be- ſten Diskurs anzufangen, daß ihm die Worte nur ſo aus dem Munde ſtaͤuben. Mir erſtirbt die Rede auf der Zungenſpitze, und die beſten Einfaͤlle klam- mern ſich ſo feſt, daß ich ſie nicht losſchuͤtteln kann. Er gefaͤllt allen Menſchen, und auch den Weibern, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0028" n="19"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Zweite Scene</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">(<hi rendition="#g">Zimmer</hi>.)</hi> </stage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Winfred</hi>, ein <hi rendition="#g">Knecht</hi>.</hi> </stage><lb/> <sp who="#WINFRED"> <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker> <p>Er iſt aber doch zu Hauſe, der<lb/> Junker Leopold von Friedheim? du mußt wiſſen,<lb/> ich bin ſein Freund.</p> </sp><lb/> <sp who="#KNE"> <speaker><hi rendition="#g">Knecht</hi>.</speaker> <p>Wer, ſag' ich, daß Ihr ſeid?</p> </sp><lb/> <sp who="#WINFRED"> <speaker><hi rendition="#g">Winfred</hi>.</speaker> <p>Ich nenne mich Winfred, ſage<lb/> nur dieſen Namen, ſo kennt mich dein Junker<lb/> ſchon daran. <stage>(Knecht ab.)</stage> Wie das Schickſal ſeine<lb/> Gaben ungleich und verwunderlich austheilt! So<lb/> kann ich es doch nun und nimmermehr dahin brin-<lb/> gen, daß mir der Hut ſo angenehm ſchief von der<lb/> Seite ſitzt, wie meinem Freunde Leopold, und<lb/> Schuh und Struͤmpfe und alles, es iſt und wird<lb/> nimmermehr der nachlaͤſſige liebenswuͤrdige Anſtand,<lb/> ſo viel ich mich auch uͤbe, ſo ſehr ich mich auch<lb/> von fruͤh Morgen darauf abarbeite. Freilich, meine<lb/> Beine haben auch nicht den gehoͤrigen Schnitt, ſie<lb/> ſind gar zu duͤnn. Und dann ſeine Art hinein zu<lb/> kommen, und mir nichts dir nichts den erſten be-<lb/> ſten Diskurs anzufangen, daß ihm die Worte nur<lb/> ſo aus dem Munde ſtaͤuben. Mir erſtirbt die Rede<lb/> auf der Zungenſpitze, und die beſten Einfaͤlle klam-<lb/> mern ſich ſo feſt, daß ich ſie nicht losſchuͤtteln kann.<lb/> Er gefaͤllt allen Menſchen, und auch den Weibern,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0028]
Der Blaubart.
Zweite Scene.
(Zimmer.)
Winfred, ein Knecht.
Winfred. Er iſt aber doch zu Hauſe, der
Junker Leopold von Friedheim? du mußt wiſſen,
ich bin ſein Freund.
Knecht. Wer, ſag' ich, daß Ihr ſeid?
Winfred. Ich nenne mich Winfred, ſage
nur dieſen Namen, ſo kennt mich dein Junker
ſchon daran. (Knecht ab.) Wie das Schickſal ſeine
Gaben ungleich und verwunderlich austheilt! So
kann ich es doch nun und nimmermehr dahin brin-
gen, daß mir der Hut ſo angenehm ſchief von der
Seite ſitzt, wie meinem Freunde Leopold, und
Schuh und Struͤmpfe und alles, es iſt und wird
nimmermehr der nachlaͤſſige liebenswuͤrdige Anſtand,
ſo viel ich mich auch uͤbe, ſo ſehr ich mich auch
von fruͤh Morgen darauf abarbeite. Freilich, meine
Beine haben auch nicht den gehoͤrigen Schnitt, ſie
ſind gar zu duͤnn. Und dann ſeine Art hinein zu
kommen, und mir nichts dir nichts den erſten be-
ſten Diskurs anzufangen, daß ihm die Worte nur
ſo aus dem Munde ſtaͤuben. Mir erſtirbt die Rede
auf der Zungenſpitze, und die beſten Einfaͤlle klam-
mern ſich ſo feſt, daß ich ſie nicht losſchuͤtteln kann.
Er gefaͤllt allen Menſchen, und auch den Weibern,
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