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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Die verkehrte Welt.
Melpomene. Ich bin Melpomene.
Skaramuz. Sie sehn so bekümmert aus.
Melpomene. Ach, Herr Apollo! ich bin
aus einem sehr guten Hause. Mein Vater war
Hofrath, und der Edle ließ mir eine unvergleich-
liche Erziehung zukommen. Ach! wie war ich in
meiner guten Eltern Hause glücklich, und wie be-
strebte ich mich, eine gute zärtliche Tochter zu seyn!
Ich hatte auch einen Geliebten, aber dieser verließ
mich aus Stolz, weil er sich hatte adeln lassen,
meine Eltern starben nachher vor Kummer. Ein
guter Mensch, unser Hausdoktor, nahm sich zwar
meiner an, aber er war zu arm, als daß er mich
hätte heirathen können, und so bin ich denn aus
Desperation unter die Musen gegangen. Hab ich
nun nicht ein Recht, traurig zu seyn?
Skaramuz. Ja wohl, mein Kind, aber
ich will als ein Vater für Sie sorgen.
Scävola (zu einem andern). Nun seht doch
um Gottes Willen, wie mir da schon die Thränen
aus den Augen laufen.
Der Andere. Ei Gevatter, so schont Euch
doch zum fünften Akt.
Skaramuz. Und wer sind Sie, schönes Kind?
Thalia. Danke der gütigen Nachfrage, mein
Herr, mit meinem Taufnamen heiße ich Thalia,
ich habe lange bei den werthgeschätzten Eltern die-
ser guten Person gedient, und da will ich auch
jetzt nicht von ihr lassen, sondern bin ihr sogar
bis unter die Musen gefolgt.
Skaramuz. Warte den letzten Akt ab, so
Die verkehrte Welt.
Melpomene. Ich bin Melpomene.
Skaramuz. Sie ſehn ſo bekuͤmmert aus.
Melpomene. Ach, Herr Apollo! ich bin
aus einem ſehr guten Hauſe. Mein Vater war
Hofrath, und der Edle ließ mir eine unvergleich-
liche Erziehung zukommen. Ach! wie war ich in
meiner guten Eltern Hauſe gluͤcklich, und wie be-
ſtrebte ich mich, eine gute zaͤrtliche Tochter zu ſeyn!
Ich hatte auch einen Geliebten, aber dieſer verließ
mich aus Stolz, weil er ſich hatte adeln laſſen,
meine Eltern ſtarben nachher vor Kummer. Ein
guter Menſch, unſer Hausdoktor, nahm ſich zwar
meiner an, aber er war zu arm, als daß er mich
haͤtte heirathen koͤnnen, und ſo bin ich denn aus
Desperation unter die Muſen gegangen. Hab ich
nun nicht ein Recht, traurig zu ſeyn?
Skaramuz. Ja wohl, mein Kind, aber
ich will als ein Vater fuͤr Sie ſorgen.
Scaͤvola (zu einem andern). Nun ſeht doch
um Gottes Willen, wie mir da ſchon die Thraͤnen
aus den Augen laufen.
Der Andere. Ei Gevatter, ſo ſchont Euch
doch zum fuͤnften Akt.
Skaramuz. Und wer ſind Sie, ſchoͤnes Kind?
Thalia. Danke der guͤtigen Nachfrage, mein
Herr, mit meinem Taufnamen heiße ich Thalia,
ich habe lange bei den werthgeſchaͤtzten Eltern die-
ſer guten Perſon gedient, und da will ich auch
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bis unter die Muſen gefolgt.
Skaramuz. Warte den letzten Akt ab, ſo
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[271/0280] Die verkehrte Welt. Melpomene. Ich bin Melpomene. Skaramuz. Sie ſehn ſo bekuͤmmert aus. Melpomene. Ach, Herr Apollo! ich bin aus einem ſehr guten Hauſe. Mein Vater war Hofrath, und der Edle ließ mir eine unvergleich- liche Erziehung zukommen. Ach! wie war ich in meiner guten Eltern Hauſe gluͤcklich, und wie be- ſtrebte ich mich, eine gute zaͤrtliche Tochter zu ſeyn! Ich hatte auch einen Geliebten, aber dieſer verließ mich aus Stolz, weil er ſich hatte adeln laſſen, meine Eltern ſtarben nachher vor Kummer. Ein guter Menſch, unſer Hausdoktor, nahm ſich zwar meiner an, aber er war zu arm, als daß er mich haͤtte heirathen koͤnnen, und ſo bin ich denn aus Desperation unter die Muſen gegangen. Hab ich nun nicht ein Recht, traurig zu ſeyn? Skaramuz. Ja wohl, mein Kind, aber ich will als ein Vater fuͤr Sie ſorgen. Scaͤvola (zu einem andern). Nun ſeht doch um Gottes Willen, wie mir da ſchon die Thraͤnen aus den Augen laufen. Der Andere. Ei Gevatter, ſo ſchont Euch doch zum fuͤnften Akt. Skaramuz. Und wer ſind Sie, ſchoͤnes Kind? Thalia. Danke der guͤtigen Nachfrage, mein Herr, mit meinem Taufnamen heiße ich Thalia, ich habe lange bei den werthgeſchaͤtzten Eltern die- ſer guten Perſon gedient, und da will ich auch jetzt nicht von ihr laſſen, ſondern bin ihr ſogar bis unter die Muſen gefolgt. Skaramuz. Warte den letzten Akt ab, ſo

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/280>, abgerufen am 24.11.2024.