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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Lisette. Haben Sie sich auf sonst nichts
gelegt?
Narr. Das ist genug, mein schönes Kind,
und mehr als genug. O man hat sein ganzes Le-
ben zu studiren, um es darin zu einer gewissen
Vollkommenheit zu bringen.
Lisette. Es ist doch Schade um Ihre hüb-
sche Person.
Narr. Ich war schon vor meiner Geburt
ein Narr, sonst hätte sich meine unsterbliche Seele
gewiß nicht bereden lassen, in diesen sterblichen
Körper zu kriechen, und darin ein so kauderwel-
sches Leben zu führen.
Lisette. Sie drücken sich sehr angenehm aus.
Narr. Ich schüttle die Worte zwischen den
Zähnen herum, und werfe sie dann dreist und
gleichgültig wie Würfel heraus. Glauben Sie
mir, es geräth dem Menschen selten, alle Sechse
zu werfen, er mag nun besonnen oder unbeson-
nen spielen.
Lisette. Sie sprechen klüger, als Ihr Herr.
Narr. Und Sie gefallen mir mehr als Ihre
Gebieterin.
Lisette. Ich glaube, Sie müßten sich noch
bessern können.
Narr. Ich glaube, ich würde Sie lieben lernen.
Lisette. Sie sind schon auf dem bessern Wege.
Narr. Und doch fang ich nur an, ein noch
größerer Narr zu werden; o wenn Sie mich in
meiner allerhöchsten Raserei sehen sollten, Sie wür-
den entzückt seyn.

Zweite Abtheilung.
Liſette. Haben Sie ſich auf ſonſt nichts
gelegt?
Narr. Das iſt genug, mein ſchoͤnes Kind,
und mehr als genug. O man hat ſein ganzes Le-
ben zu ſtudiren, um es darin zu einer gewiſſen
Vollkommenheit zu bringen.
Liſette. Es iſt doch Schade um Ihre huͤb-
ſche Perſon.
Narr. Ich war ſchon vor meiner Geburt
ein Narr, ſonſt haͤtte ſich meine unſterbliche Seele
gewiß nicht bereden laſſen, in dieſen ſterblichen
Koͤrper zu kriechen, und darin ein ſo kauderwel-
ſches Leben zu fuͤhren.
Liſette. Sie druͤcken ſich ſehr angenehm aus.
Narr. Ich ſchuͤttle die Worte zwiſchen den
Zaͤhnen herum, und werfe ſie dann dreiſt und
gleichguͤltig wie Wuͤrfel heraus. Glauben Sie
mir, es geraͤth dem Menſchen ſelten, alle Sechſe
zu werfen, er mag nun beſonnen oder unbeſon-
nen ſpielen.
Liſette. Sie ſprechen kluͤger, als Ihr Herr.
Narr. Und Sie gefallen mir mehr als Ihre
Gebieterin.
Liſette. Ich glaube, Sie muͤßten ſich noch
beſſern koͤnnen.
Narr. Ich glaube, ich wuͤrde Sie lieben lernen.
Liſette. Sie ſind ſchon auf dem beſſern Wege.
Narr. Und doch fang ich nur an, ein noch
groͤßerer Narr zu werden; o wenn Sie mich in
meiner allerhoͤchſten Raſerei ſehen ſollten, Sie wuͤr-
den entzuͤckt ſeyn.

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[322/0331] Zweite Abtheilung. Liſette. Haben Sie ſich auf ſonſt nichts gelegt? Narr. Das iſt genug, mein ſchoͤnes Kind, und mehr als genug. O man hat ſein ganzes Le- ben zu ſtudiren, um es darin zu einer gewiſſen Vollkommenheit zu bringen. Liſette. Es iſt doch Schade um Ihre huͤb- ſche Perſon. Narr. Ich war ſchon vor meiner Geburt ein Narr, ſonſt haͤtte ſich meine unſterbliche Seele gewiß nicht bereden laſſen, in dieſen ſterblichen Koͤrper zu kriechen, und darin ein ſo kauderwel- ſches Leben zu fuͤhren. Liſette. Sie druͤcken ſich ſehr angenehm aus. Narr. Ich ſchuͤttle die Worte zwiſchen den Zaͤhnen herum, und werfe ſie dann dreiſt und gleichguͤltig wie Wuͤrfel heraus. Glauben Sie mir, es geraͤth dem Menſchen ſelten, alle Sechſe zu werfen, er mag nun beſonnen oder unbeſon- nen ſpielen. Liſette. Sie ſprechen kluͤger, als Ihr Herr. Narr. Und Sie gefallen mir mehr als Ihre Gebieterin. Liſette. Ich glaube, Sie muͤßten ſich noch beſſern koͤnnen. Narr. Ich glaube, ich wuͤrde Sie lieben lernen. Liſette. Sie ſind ſchon auf dem beſſern Wege. Narr. Und doch fang ich nur an, ein noch groͤßerer Narr zu werden; o wenn Sie mich in meiner allerhoͤchſten Raſerei ſehen ſollten, Sie wuͤr- den entzuͤckt ſeyn.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/331>, abgerufen am 22.11.2024.