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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
Geschenk des Alten, und ohne Zauberkaraktere.
Die Dunkelheit an jener geliebten Stelle hatte
auch ihre Magie verloren, die Vorahndung des
Wunderbaren war geringer, die Gegenwart des
Alten drückte mich; auch die Lust war hin, daß
ich sonst den Alten mit Angst neben mir gehn
sah, und in jedem Augenblicke fürchten konnte,
er werde mir nun plötzlich die Karte abfordern.
Ich konnte es nicht unterlassen, noch einige
Stücke auf seine Diskretion zu sehn, aber am
Ende ängstigte mich das fatale Papier so sehr,
daß ich es ihm einen Abend mit einem kleinen
Trotz in die Hand drückte, indem andre Zu-
schauer auch eintraten, und ich nun von Herzen
froh war, seiner nur endlich los zu seyn. Nach-
her wirkte nur ein bezahltes und seltner genos-
senes Schauspiel mit der alten Gewalt auf mich.

Woher es doch nur kommt, sagte Friedrich,
daß bei uns, und wie es scheint bei allen Na-
tionen, das Theater, hauptsächlich aber die Kunst
des Schauspielers, so sehr im Sinken ist?

Sie ist es eben, antwortete Manfred, ohne
weitern Grund. Alle Kunst hat erst den Trieb
zu steigen und späterhin zu sinken.

Vielleicht aber, merkte Ernst an, ließen sich
die Ursachen wohl nachweisen, und auch die
Mittel angeben, wie ihr wieder aufgeholfen wer-
den könnte.

Ein andermal! rief Clara lebhaft aus, un-
ser Freund Lothar ist uns noch die Erzählung

Zweite Abtheilung.
Geſchenk des Alten, und ohne Zauberkaraktere.
Die Dunkelheit an jener geliebten Stelle hatte
auch ihre Magie verloren, die Vorahndung des
Wunderbaren war geringer, die Gegenwart des
Alten druͤckte mich; auch die Luſt war hin, daß
ich ſonſt den Alten mit Angſt neben mir gehn
ſah, und in jedem Augenblicke fuͤrchten konnte,
er werde mir nun ploͤtzlich die Karte abfordern.
Ich konnte es nicht unterlaſſen, noch einige
Stuͤcke auf ſeine Diskretion zu ſehn, aber am
Ende aͤngſtigte mich das fatale Papier ſo ſehr,
daß ich es ihm einen Abend mit einem kleinen
Trotz in die Hand druͤckte, indem andre Zu-
ſchauer auch eintraten, und ich nun von Herzen
froh war, ſeiner nur endlich los zu ſeyn. Nach-
her wirkte nur ein bezahltes und ſeltner genoſ-
ſenes Schauſpiel mit der alten Gewalt auf mich.

Woher es doch nur kommt, ſagte Friedrich,
daß bei uns, und wie es ſcheint bei allen Na-
tionen, das Theater, hauptſaͤchlich aber die Kunſt
des Schauſpielers, ſo ſehr im Sinken iſt?

Sie iſt es eben, antwortete Manfred, ohne
weitern Grund. Alle Kunſt hat erſt den Trieb
zu ſteigen und ſpaͤterhin zu ſinken.

Vielleicht aber, merkte Ernſt an, ließen ſich
die Urſachen wohl nachweiſen, und auch die
Mittel angeben, wie ihr wieder aufgeholfen wer-
den koͤnnte.

Ein andermal! rief Clara lebhaft aus, un-
ſer Freund Lothar iſt uns noch die Erzaͤhlung

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[407/0416] Zweite Abtheilung. Geſchenk des Alten, und ohne Zauberkaraktere. Die Dunkelheit an jener geliebten Stelle hatte auch ihre Magie verloren, die Vorahndung des Wunderbaren war geringer, die Gegenwart des Alten druͤckte mich; auch die Luſt war hin, daß ich ſonſt den Alten mit Angſt neben mir gehn ſah, und in jedem Augenblicke fuͤrchten konnte, er werde mir nun ploͤtzlich die Karte abfordern. Ich konnte es nicht unterlaſſen, noch einige Stuͤcke auf ſeine Diskretion zu ſehn, aber am Ende aͤngſtigte mich das fatale Papier ſo ſehr, daß ich es ihm einen Abend mit einem kleinen Trotz in die Hand druͤckte, indem andre Zu- ſchauer auch eintraten, und ich nun von Herzen froh war, ſeiner nur endlich los zu ſeyn. Nach- her wirkte nur ein bezahltes und ſeltner genoſ- ſenes Schauſpiel mit der alten Gewalt auf mich. Woher es doch nur kommt, ſagte Friedrich, daß bei uns, und wie es ſcheint bei allen Na- tionen, das Theater, hauptſaͤchlich aber die Kunſt des Schauſpielers, ſo ſehr im Sinken iſt? Sie iſt es eben, antwortete Manfred, ohne weitern Grund. Alle Kunſt hat erſt den Trieb zu ſteigen und ſpaͤterhin zu ſinken. Vielleicht aber, merkte Ernſt an, ließen ſich die Urſachen wohl nachweiſen, und auch die Mittel angeben, wie ihr wieder aufgeholfen wer- den koͤnnte. Ein andermal! rief Clara lebhaft aus, un- ſer Freund Lothar iſt uns noch die Erzaͤhlung

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/416>, abgerufen am 22.11.2024.