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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
schuldig, wie er gestern die Schauspielertruppe
gefunden hat.

Recht gern, sagte Lothar, will ich Ihrer
Neugier Genüge leisten. Als ich angekommen
war, nahm ich sogleich das Lokal des Theaters
in Augenschein. Es war im Rathskeller, der
hoch und geräumig ist, über vielen Tonnen auf-
geschlagen, auf welche hinter den Coulissen ziem-
lich schmale und gebrechliche Stiegen führten;
die Dekoration war veraltetes und oft geflicktes
Leinen, und stellte auf der einen Seite Pallast
oder Säulen vor, von welchen aber auch der
kundigste Architekt die Ordnung schwerlich hätte
angeben können. Dieser Anstrich bedeutete Zim-
mer, Hütte, Pallast, wie es das Stück erfor-
derte. Die andere Seite der Coulissen und
Wand war grün bemahlt, mit untermengten
braunen Flecken, und diese Färbung bedeutete
nach Gelegenheit Wald, Garten, oder freies
Feld. Der Direkteur machte sich sogleich an
mich und sagte, ich möchte mich an den der-
maligen Zustand der Garderobe und der Deko-
rationen nicht stoßen, er habe dem deutschen Va-
terlande sein Vermögen zum Theil aufgeopfert,
sey aber mit seinem bessern Geschmack nicht
durchgedrungen, doch hoffe er im Stande zu
seyn, die gangbarsten Opern, Familiengemälde
und großen Ritterschauspiele mit ziemlicher Pracht
darzustellen, um einen Kenner, wie ich ohne
Zweifel seyn müsse, zu befriedigen, und vielleicht

Zweite Abtheilung.
ſchuldig, wie er geſtern die Schauſpielertruppe
gefunden hat.

Recht gern, ſagte Lothar, will ich Ihrer
Neugier Genuͤge leiſten. Als ich angekommen
war, nahm ich ſogleich das Lokal des Theaters
in Augenſchein. Es war im Rathskeller, der
hoch und geraͤumig iſt, uͤber vielen Tonnen auf-
geſchlagen, auf welche hinter den Couliſſen ziem-
lich ſchmale und gebrechliche Stiegen fuͤhrten;
die Dekoration war veraltetes und oft geflicktes
Leinen, und ſtellte auf der einen Seite Pallaſt
oder Saͤulen vor, von welchen aber auch der
kundigſte Architekt die Ordnung ſchwerlich haͤtte
angeben koͤnnen. Dieſer Anſtrich bedeutete Zim-
mer, Huͤtte, Pallaſt, wie es das Stuͤck erfor-
derte. Die andere Seite der Couliſſen und
Wand war gruͤn bemahlt, mit untermengten
braunen Flecken, und dieſe Faͤrbung bedeutete
nach Gelegenheit Wald, Garten, oder freies
Feld. Der Direkteur machte ſich ſogleich an
mich und ſagte, ich moͤchte mich an den der-
maligen Zuſtand der Garderobe und der Deko-
rationen nicht ſtoßen, er habe dem deutſchen Va-
terlande ſein Vermoͤgen zum Theil aufgeopfert,
ſey aber mit ſeinem beſſern Geſchmack nicht
durchgedrungen, doch hoffe er im Stande zu
ſeyn, die gangbarſten Opern, Familiengemaͤlde
und großen Ritterſchauſpiele mit ziemlicher Pracht
darzuſtellen, um einen Kenner, wie ich ohne
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[408/0417] Zweite Abtheilung. ſchuldig, wie er geſtern die Schauſpielertruppe gefunden hat. Recht gern, ſagte Lothar, will ich Ihrer Neugier Genuͤge leiſten. Als ich angekommen war, nahm ich ſogleich das Lokal des Theaters in Augenſchein. Es war im Rathskeller, der hoch und geraͤumig iſt, uͤber vielen Tonnen auf- geſchlagen, auf welche hinter den Couliſſen ziem- lich ſchmale und gebrechliche Stiegen fuͤhrten; die Dekoration war veraltetes und oft geflicktes Leinen, und ſtellte auf der einen Seite Pallaſt oder Saͤulen vor, von welchen aber auch der kundigſte Architekt die Ordnung ſchwerlich haͤtte angeben koͤnnen. Dieſer Anſtrich bedeutete Zim- mer, Huͤtte, Pallaſt, wie es das Stuͤck erfor- derte. Die andere Seite der Couliſſen und Wand war gruͤn bemahlt, mit untermengten braunen Flecken, und dieſe Faͤrbung bedeutete nach Gelegenheit Wald, Garten, oder freies Feld. Der Direkteur machte ſich ſogleich an mich und ſagte, ich moͤchte mich an den der- maligen Zuſtand der Garderobe und der Deko- rationen nicht ſtoßen, er habe dem deutſchen Va- terlande ſein Vermoͤgen zum Theil aufgeopfert, ſey aber mit ſeinem beſſern Geſchmack nicht durchgedrungen, doch hoffe er im Stande zu ſeyn, die gangbarſten Opern, Familiengemaͤlde und großen Ritterſchauſpiele mit ziemlicher Pracht darzuſtellen, um einen Kenner, wie ich ohne Zweifel ſeyn muͤſſe, zu befriedigen, und vielleicht

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/417>, abgerufen am 22.11.2024.