Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. sogar die Erwartung zu übertreffen. Ich warfihm den Mangel an Dekorationen ein, er erwie- derte aber, daß er eben ungeheuer viel von ei- nem der geschicktesten Männer oben auf dem Rathhausboden malen lasse. Seine Existenz hier an diesem Orte sey überhaupt nur provisorisch, denn in der großen Handelsstadt, welche zehn Meilen von dort entfernt liege, treibe jetzt eben ein bekannter Schauspiel-Direktor sein Wesen, der dort ein Theater einrichte, Leute kommen lasse und sich viele Auslagen mache; aber der Narr! rief er aus, er weiß nicht, daß ich ernd- ten werde, wo er nur säet, er läßt es sich nicht träumen, daß hier in diesem kleinen Orte ein pfiffiger Spitzbube sitzt, der ihn über den Töl- pel stößt! Ich habe schon meine Minen ange- legt, sie springen, und bankrutt muß der arme Landstreicher werden, indeß ich über ihn lache und triumphire! Er lachte von Herzen, da ich aber nicht mit einstimmte, sondern sagte: un- möglich kann das Ihr Ernst seyn, denn ich wüßte den Mann weder zu begreifen noch zu ehren, der dem Vaterlande erst so bedeutende Opfer gebracht hat, und sich nachher durch den Schaden eines Kunstverwandten zu bereichern sucht -- wurde er still, sah mich ein wenig von der Seite an, schlug mir dann vertraulich auf die Schulter und rief mit Emphase: aus der Seele haben Sie mir gesprochen, Edelster, ich sehe, mein Gönner, Sie haben einen richtigen Zweite Abtheilung. ſogar die Erwartung zu uͤbertreffen. Ich warfihm den Mangel an Dekorationen ein, er erwie- derte aber, daß er eben ungeheuer viel von ei- nem der geſchickteſten Maͤnner oben auf dem Rathhausboden malen laſſe. Seine Exiſtenz hier an dieſem Orte ſey uͤberhaupt nur proviſoriſch, denn in der großen Handelsſtadt, welche zehn Meilen von dort entfernt liege, treibe jetzt eben ein bekannter Schauſpiel-Direktor ſein Weſen, der dort ein Theater einrichte, Leute kommen laſſe und ſich viele Auslagen mache; aber der Narr! rief er aus, er weiß nicht, daß ich ernd- ten werde, wo er nur ſaͤet, er laͤßt es ſich nicht traͤumen, daß hier in dieſem kleinen Orte ein pfiffiger Spitzbube ſitzt, der ihn uͤber den Toͤl- pel ſtoͤßt! Ich habe ſchon meine Minen ange- legt, ſie ſpringen, und bankrutt muß der arme Landſtreicher werden, indeß ich uͤber ihn lache und triumphire! Er lachte von Herzen, da ich aber nicht mit einſtimmte, ſondern ſagte: un- moͤglich kann das Ihr Ernſt ſeyn, denn ich wuͤßte den Mann weder zu begreifen noch zu ehren, der dem Vaterlande erſt ſo bedeutende Opfer gebracht hat, und ſich nachher durch den Schaden eines Kunſtverwandten zu bereichern ſucht — wurde er ſtill, ſah mich ein wenig von der Seite an, ſchlug mir dann vertraulich auf die Schulter und rief mit Emphaſe: aus der Seele haben Sie mir geſprochen, Edelſter, ich ſehe, mein Goͤnner, Sie haben einen richtigen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0418" n="409"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> ſogar die Erwartung zu uͤbertreffen. Ich warf<lb/> ihm den Mangel an Dekorationen ein, er erwie-<lb/> derte aber, daß er eben ungeheuer viel von ei-<lb/> nem der geſchickteſten Maͤnner oben auf dem<lb/> Rathhausboden malen laſſe. Seine Exiſtenz hier<lb/> an dieſem Orte ſey uͤberhaupt nur proviſoriſch,<lb/> denn in der großen Handelsſtadt, welche zehn<lb/> Meilen von dort entfernt liege, treibe jetzt eben<lb/> ein bekannter Schauſpiel-Direktor ſein Weſen,<lb/> der dort ein Theater einrichte, Leute kommen<lb/> laſſe und ſich viele Auslagen mache; aber der<lb/> Narr! rief er aus, er weiß nicht, daß ich ernd-<lb/> ten werde, wo er nur ſaͤet, er laͤßt es ſich nicht<lb/> traͤumen, daß hier in dieſem kleinen Orte ein<lb/> pfiffiger Spitzbube ſitzt, der ihn uͤber den Toͤl-<lb/> pel ſtoͤßt! Ich habe ſchon meine Minen ange-<lb/> legt, ſie ſpringen, und bankrutt muß der arme<lb/> Landſtreicher werden, indeß ich uͤber ihn lache<lb/> und triumphire! Er lachte von Herzen, da ich<lb/> aber nicht mit einſtimmte, ſondern ſagte: un-<lb/> moͤglich kann das Ihr Ernſt ſeyn, denn ich<lb/> wuͤßte den Mann weder zu begreifen noch zu<lb/> ehren, der dem Vaterlande erſt ſo bedeutende<lb/> Opfer gebracht hat, und ſich nachher durch den<lb/> Schaden eines Kunſtverwandten zu bereichern<lb/> ſucht — wurde er ſtill, ſah mich ein wenig von<lb/> der Seite an, ſchlug mir dann vertraulich auf<lb/> die Schulter und rief mit Emphaſe: aus der<lb/> Seele haben Sie mir geſprochen, Edelſter, ich<lb/> ſehe, mein Goͤnner, Sie haben einen richtigen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [409/0418]
Zweite Abtheilung.
ſogar die Erwartung zu uͤbertreffen. Ich warf
ihm den Mangel an Dekorationen ein, er erwie-
derte aber, daß er eben ungeheuer viel von ei-
nem der geſchickteſten Maͤnner oben auf dem
Rathhausboden malen laſſe. Seine Exiſtenz hier
an dieſem Orte ſey uͤberhaupt nur proviſoriſch,
denn in der großen Handelsſtadt, welche zehn
Meilen von dort entfernt liege, treibe jetzt eben
ein bekannter Schauſpiel-Direktor ſein Weſen,
der dort ein Theater einrichte, Leute kommen
laſſe und ſich viele Auslagen mache; aber der
Narr! rief er aus, er weiß nicht, daß ich ernd-
ten werde, wo er nur ſaͤet, er laͤßt es ſich nicht
traͤumen, daß hier in dieſem kleinen Orte ein
pfiffiger Spitzbube ſitzt, der ihn uͤber den Toͤl-
pel ſtoͤßt! Ich habe ſchon meine Minen ange-
legt, ſie ſpringen, und bankrutt muß der arme
Landſtreicher werden, indeß ich uͤber ihn lache
und triumphire! Er lachte von Herzen, da ich
aber nicht mit einſtimmte, ſondern ſagte: un-
moͤglich kann das Ihr Ernſt ſeyn, denn ich
wuͤßte den Mann weder zu begreifen noch zu
ehren, der dem Vaterlande erſt ſo bedeutende
Opfer gebracht hat, und ſich nachher durch den
Schaden eines Kunſtverwandten zu bereichern
ſucht — wurde er ſtill, ſah mich ein wenig von
der Seite an, ſchlug mir dann vertraulich auf
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Seele haben Sie mir geſprochen, Edelſter, ich
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