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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
auftreten. Aber den Faust würden Sie heut
ohne Hanswurst und Narrenpossen gesehn ha-
ben. Ja, ja, rief er aus, da er wahrnahm,
daß wir ihm Einwendungen machen wollten, ich
weiß es ja recht gut (indem er sich zum Philo-
sophen wandte), daß Sie den Faust mit Hans-
wurst geben, aber das kann ich nimmermehr bil-
ligen, denn, ums Himmels Willen, meine Her-
ren, was kann es doch wohl Ernsthafteres oder
Traurigeres geben, als wenn ein Mensch geradezu
vom Teufel geholt wird? Wie, das sollte uns
nicht rühren? Bei solchen Sachen, mein lieber
Hanswurst, mache ich Dir die Thür vor der
Nase zu und Du bleibst draußen!

Sehr viele Philosophen, sagte Theodor, stel-
len heut zu Tage den Faust mit Hanswurst vor.
Doch, um wieder auf das vorige Thema einzu-
leiten, so schadet auch ohne Zweifel die zu große
Besoldung, so wie die Ueberschätzung der Schau-
spieler ihrer Kunst. Ich kenne große Bühnen,
die sich immer mehr in Invalidenstifte und Ver-
sorgungsanstalten verwandeln. Es ist billig, daß
der Schauspieler, der ein Publikum lange ergötzt
hat, nicht im Alter Noth leide, oder in die Ge-
fahr komme, wieder wandern zu müssen, aber
eben so wenig soll eine Bühne unbedingt die
Sicherheit einer Pension gewähren, daß ein Mit-
glied, wenn es nur einmal angenommen ist, sey
es übrigens wie es sey, sich mit ruhiger Ge-
mächlichkeit einwohnen darf.


Zweite Abtheilung.
auftreten. Aber den Fauſt wuͤrden Sie heut
ohne Hanswurſt und Narrenpoſſen geſehn ha-
ben. Ja, ja, rief er aus, da er wahrnahm,
daß wir ihm Einwendungen machen wollten, ich
weiß es ja recht gut (indem er ſich zum Philo-
ſophen wandte), daß Sie den Fauſt mit Hans-
wurſt geben, aber das kann ich nimmermehr bil-
ligen, denn, ums Himmels Willen, meine Her-
ren, was kann es doch wohl Ernſthafteres oder
Traurigeres geben, als wenn ein Menſch geradezu
vom Teufel geholt wird? Wie, das ſollte uns
nicht ruͤhren? Bei ſolchen Sachen, mein lieber
Hanswurſt, mache ich Dir die Thuͤr vor der
Naſe zu und Du bleibſt draußen!

Sehr viele Philoſophen, ſagte Theodor, ſtel-
len heut zu Tage den Fauſt mit Hanswurſt vor.
Doch, um wieder auf das vorige Thema einzu-
leiten, ſo ſchadet auch ohne Zweifel die zu große
Beſoldung, ſo wie die Ueberſchaͤtzung der Schau-
ſpieler ihrer Kunſt. Ich kenne große Buͤhnen,
die ſich immer mehr in Invalidenſtifte und Ver-
ſorgungsanſtalten verwandeln. Es iſt billig, daß
der Schauſpieler, der ein Publikum lange ergoͤtzt
hat, nicht im Alter Noth leide, oder in die Ge-
fahr komme, wieder wandern zu muͤſſen, aber
eben ſo wenig ſoll eine Buͤhne unbedingt die
Sicherheit einer Penſion gewaͤhren, daß ein Mit-
glied, wenn es nur einmal angenommen iſt, ſey
es uͤbrigens wie es ſey, ſich mit ruhiger Ge-
maͤchlichkeit einwohnen darf.


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[423/0432] Zweite Abtheilung. auftreten. Aber den Fauſt wuͤrden Sie heut ohne Hanswurſt und Narrenpoſſen geſehn ha- ben. Ja, ja, rief er aus, da er wahrnahm, daß wir ihm Einwendungen machen wollten, ich weiß es ja recht gut (indem er ſich zum Philo- ſophen wandte), daß Sie den Fauſt mit Hans- wurſt geben, aber das kann ich nimmermehr bil- ligen, denn, ums Himmels Willen, meine Her- ren, was kann es doch wohl Ernſthafteres oder Traurigeres geben, als wenn ein Menſch geradezu vom Teufel geholt wird? Wie, das ſollte uns nicht ruͤhren? Bei ſolchen Sachen, mein lieber Hanswurſt, mache ich Dir die Thuͤr vor der Naſe zu und Du bleibſt draußen! Sehr viele Philoſophen, ſagte Theodor, ſtel- len heut zu Tage den Fauſt mit Hanswurſt vor. Doch, um wieder auf das vorige Thema einzu- leiten, ſo ſchadet auch ohne Zweifel die zu große Beſoldung, ſo wie die Ueberſchaͤtzung der Schau- ſpieler ihrer Kunſt. Ich kenne große Buͤhnen, die ſich immer mehr in Invalidenſtifte und Ver- ſorgungsanſtalten verwandeln. Es iſt billig, daß der Schauſpieler, der ein Publikum lange ergoͤtzt hat, nicht im Alter Noth leide, oder in die Ge- fahr komme, wieder wandern zu muͤſſen, aber eben ſo wenig ſoll eine Buͤhne unbedingt die Sicherheit einer Penſion gewaͤhren, daß ein Mit- glied, wenn es nur einmal angenommen iſt, ſey es uͤbrigens wie es ſey, ſich mit ruhiger Ge- maͤchlichkeit einwohnen darf.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/432>, abgerufen am 22.11.2024.