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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

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Zweite Abtheilung.
cher sich das größte und wunderbarste Talent
kühn und vielseitig bewegte. Aus Garricks un-
bedeutenden Lustspielen und seinen Umarbeitun-
gen seines großen Vorfahren kann man sich, wenn
man die lobpreisenden und tadelnden Kritiken
seiner Zeitgenossen hinzu nimmt, vielleicht ein
dämmerndes Bild von seinem Spiele zusammen
setzen. Nirgend aber kommentirt der Dichter den
Schauspieler und umgekehrt dieser jenen so deut-
lich, als in Ifflands Spiel und Werken. Man
darf ihn nur einigemal gesehn haben, um zu
wissen, wie er jede Stelle in seinen Stücken ge-
meint hat, so wie man mit etwas Phantasie
nicht leicht irren wird, in seinen Schauspielen
genau zu wissen, wie er diese oder jene Rolle
bei der Aufführung nehmen wird. Was seine
Schriften karakterisirt und ihnen vor Jahren den
Beifall schaffte und lange erhielt, ist eine glück-
liche Gabe der Beobachtung, ein Auffassen ein-
zelner Züge aus der Natur, deren Wahrheit uns
überrascht, das Talent zu rühren, welches ein
weiches Herz und die leichte Beweglichkeit des
Verfassers verräth, ein Bemerken vieler Ab-
geschmacktheiten der Welt und des Lebens, die
oft mit leichtem Witze dargestellt, oft grell auf-
gegriffen, und eben so ohne innere Bedeutung
hingezeichnet sind. Einigemal hat sich der Au-
tor in die Tragödie gewagt, wo er aber nur
steif, formell und matt erscheint. Sind nun
auch manche seiner Gemälde heiter und leben-

Zweite Abtheilung.
cher ſich das groͤßte und wunderbarſte Talent
kuͤhn und vielſeitig bewegte. Aus Garricks un-
bedeutenden Luſtſpielen und ſeinen Umarbeitun-
gen ſeines großen Vorfahren kann man ſich, wenn
man die lobpreiſenden und tadelnden Kritiken
ſeiner Zeitgenoſſen hinzu nimmt, vielleicht ein
daͤmmerndes Bild von ſeinem Spiele zuſammen
ſetzen. Nirgend aber kommentirt der Dichter den
Schauſpieler und umgekehrt dieſer jenen ſo deut-
lich, als in Ifflands Spiel und Werken. Man
darf ihn nur einigemal geſehn haben, um zu
wiſſen, wie er jede Stelle in ſeinen Stuͤcken ge-
meint hat, ſo wie man mit etwas Phantaſie
nicht leicht irren wird, in ſeinen Schauſpielen
genau zu wiſſen, wie er dieſe oder jene Rolle
bei der Auffuͤhrung nehmen wird. Was ſeine
Schriften karakteriſirt und ihnen vor Jahren den
Beifall ſchaffte und lange erhielt, iſt eine gluͤck-
liche Gabe der Beobachtung, ein Auffaſſen ein-
zelner Zuͤge aus der Natur, deren Wahrheit uns
uͤberraſcht, das Talent zu ruͤhren, welches ein
weiches Herz und die leichte Beweglichkeit des
Verfaſſers verraͤth, ein Bemerken vieler Ab-
geſchmacktheiten der Welt und des Lebens, die
oft mit leichtem Witze dargeſtellt, oft grell auf-
gegriffen, und eben ſo ohne innere Bedeutung
hingezeichnet ſind. Einigemal hat ſich der Au-
tor in die Tragoͤdie gewagt, wo er aber nur
ſteif, formell und matt erſcheint. Sind nun
auch manche ſeiner Gemaͤlde heiter und leben-

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[430/0439] Zweite Abtheilung. cher ſich das groͤßte und wunderbarſte Talent kuͤhn und vielſeitig bewegte. Aus Garricks un- bedeutenden Luſtſpielen und ſeinen Umarbeitun- gen ſeines großen Vorfahren kann man ſich, wenn man die lobpreiſenden und tadelnden Kritiken ſeiner Zeitgenoſſen hinzu nimmt, vielleicht ein daͤmmerndes Bild von ſeinem Spiele zuſammen ſetzen. Nirgend aber kommentirt der Dichter den Schauſpieler und umgekehrt dieſer jenen ſo deut- lich, als in Ifflands Spiel und Werken. Man darf ihn nur einigemal geſehn haben, um zu wiſſen, wie er jede Stelle in ſeinen Stuͤcken ge- meint hat, ſo wie man mit etwas Phantaſie nicht leicht irren wird, in ſeinen Schauſpielen genau zu wiſſen, wie er dieſe oder jene Rolle bei der Auffuͤhrung nehmen wird. Was ſeine Schriften karakteriſirt und ihnen vor Jahren den Beifall ſchaffte und lange erhielt, iſt eine gluͤck- liche Gabe der Beobachtung, ein Auffaſſen ein- zelner Zuͤge aus der Natur, deren Wahrheit uns uͤberraſcht, das Talent zu ruͤhren, welches ein weiches Herz und die leichte Beweglichkeit des Verfaſſers verraͤth, ein Bemerken vieler Ab- geſchmacktheiten der Welt und des Lebens, die oft mit leichtem Witze dargeſtellt, oft grell auf- gegriffen, und eben ſo ohne innere Bedeutung hingezeichnet ſind. Einigemal hat ſich der Au- tor in die Tragoͤdie gewagt, wo er aber nur ſteif, formell und matt erſcheint. Sind nun auch manche ſeiner Gemaͤlde heiter und leben-

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/439>, abgerufen am 22.11.2024.