Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweite Abtheilung.
sten zeigt er sich in jenen leichten Charakteren, die
drollig und witzig genug auftreten, um zu inte-
ressiren und Lachen zu erregen, die zwar mit ei-
nem gewissen Humor ausgestattet, aber weder
tief ergriffen, noch bizarr sind, und deshalb auch
keine tiefe charakteristische Darstellung zulassen.
Diese umgiebt er mit einer unbeschreiblichen Gra-
zie, seine Leichtigkeit und Gewandheit, seine Si-
cherheit, gesellt mit jener muthwilligen fliegenden
Laune erhöhen einige sonst unbedeutende Stücke
zu wahren Produkten der Kunst. Nicht minder
kann man ihn in größeren Schauspielen bewun-
dern, wenn ihn seine Neigung richtig geführt
und auf den wahren Platz gestellt hat. Er ge-
hört zu den Schauspielern, die zugleich für die
Bühne geschrieben haben. Dergleichen Arbeiten
müssen mit mimischem Talent gelesen werden, mit
einer Phantasie, die das Spiel und Theater vor
sich sieht; die wenigsten werden eine strenge Kri-
tik zulassen, die auch oft unbillig ist, weil gerade
der darstellende Künstler diese Sachen nicht leicht
für Kunstprodukte wird ausgeben wollen. Schrö-
ders großes universelles Schauspielertalent ist
durchaus in seinen dramatischen Werken nicht
wieder zu erkennen, die fast alle, oder vielleicht
ohne Ausnahme, Uebersetzungen und Nachbildun-
gen fremder Arbeiten sind. Er schrieb für seine
Bühne und sich, und wer ihn in verschiedenen
dieser Rollen gesehen hat, erfahren, daß das
Stück nichts als eine Unterlage war, auf wel-

Zweite Abtheilung.
ſten zeigt er ſich in jenen leichten Charakteren, die
drollig und witzig genug auftreten, um zu inte-
reſſiren und Lachen zu erregen, die zwar mit ei-
nem gewiſſen Humor ausgeſtattet, aber weder
tief ergriffen, noch bizarr ſind, und deshalb auch
keine tiefe charakteriſtiſche Darſtellung zulaſſen.
Dieſe umgiebt er mit einer unbeſchreiblichen Gra-
zie, ſeine Leichtigkeit und Gewandheit, ſeine Si-
cherheit, geſellt mit jener muthwilligen fliegenden
Laune erhoͤhen einige ſonſt unbedeutende Stuͤcke
zu wahren Produkten der Kunſt. Nicht minder
kann man ihn in groͤßeren Schauſpielen bewun-
dern, wenn ihn ſeine Neigung richtig gefuͤhrt
und auf den wahren Platz geſtellt hat. Er ge-
hoͤrt zu den Schauſpielern, die zugleich fuͤr die
Buͤhne geſchrieben haben. Dergleichen Arbeiten
muͤſſen mit mimiſchem Talent geleſen werden, mit
einer Phantaſie, die das Spiel und Theater vor
ſich ſieht; die wenigſten werden eine ſtrenge Kri-
tik zulaſſen, die auch oft unbillig iſt, weil gerade
der darſtellende Kuͤnſtler dieſe Sachen nicht leicht
fuͤr Kunſtprodukte wird ausgeben wollen. Schroͤ-
ders großes univerſelles Schauſpielertalent iſt
durchaus in ſeinen dramatiſchen Werken nicht
wieder zu erkennen, die faſt alle, oder vielleicht
ohne Ausnahme, Ueberſetzungen und Nachbildun-
gen fremder Arbeiten ſind. Er ſchrieb fuͤr ſeine
Buͤhne und ſich, und wer ihn in verſchiedenen
dieſer Rollen geſehen hat, erfahren, daß das
Stuͤck nichts als eine Unterlage war, auf wel-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0438" n="429"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
&#x017F;ten zeigt er &#x017F;ich in jenen leichten Charakteren, die<lb/>
drollig und witzig genug auftreten, um zu inte-<lb/>
re&#x017F;&#x017F;iren und Lachen zu erregen, die zwar mit ei-<lb/>
nem gewi&#x017F;&#x017F;en Humor ausge&#x017F;tattet, aber weder<lb/>
tief ergriffen, noch bizarr &#x017F;ind, und deshalb auch<lb/>
keine tiefe charakteri&#x017F;ti&#x017F;che Dar&#x017F;tellung zula&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Die&#x017F;e umgiebt er mit einer unbe&#x017F;chreiblichen Gra-<lb/>
zie, &#x017F;eine Leichtigkeit und Gewandheit, &#x017F;eine Si-<lb/>
cherheit, ge&#x017F;ellt mit jener muthwilligen fliegenden<lb/>
Laune erho&#x0364;hen einige &#x017F;on&#x017F;t unbedeutende Stu&#x0364;cke<lb/>
zu wahren Produkten der Kun&#x017F;t. Nicht minder<lb/>
kann man ihn in gro&#x0364;ßeren Schau&#x017F;pielen bewun-<lb/>
dern, wenn ihn &#x017F;eine Neigung richtig gefu&#x0364;hrt<lb/>
und auf den wahren Platz ge&#x017F;tellt hat. Er ge-<lb/>
ho&#x0364;rt zu den Schau&#x017F;pielern, die zugleich fu&#x0364;r die<lb/>
Bu&#x0364;hne ge&#x017F;chrieben haben. Dergleichen Arbeiten<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mit mimi&#x017F;chem Talent gele&#x017F;en werden, mit<lb/>
einer Phanta&#x017F;ie, die das Spiel und Theater vor<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ieht; die wenig&#x017F;ten werden eine &#x017F;trenge Kri-<lb/>
tik zula&#x017F;&#x017F;en, die auch oft unbillig i&#x017F;t, weil gerade<lb/>
der dar&#x017F;tellende Ku&#x0364;n&#x017F;tler die&#x017F;e Sachen nicht leicht<lb/>
fu&#x0364;r Kun&#x017F;tprodukte wird ausgeben wollen. Schro&#x0364;-<lb/>
ders großes univer&#x017F;elles Schau&#x017F;pielertalent i&#x017F;t<lb/>
durchaus in &#x017F;einen dramati&#x017F;chen Werken nicht<lb/>
wieder zu erkennen, die fa&#x017F;t alle, oder vielleicht<lb/>
ohne Ausnahme, Ueber&#x017F;etzungen und Nachbildun-<lb/>
gen fremder Arbeiten &#x017F;ind. Er &#x017F;chrieb fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Bu&#x0364;hne und &#x017F;ich, und wer ihn in ver&#x017F;chiedenen<lb/>
die&#x017F;er Rollen ge&#x017F;ehen hat, erfahren, daß das<lb/>
Stu&#x0364;ck nichts als eine Unterlage war, auf wel-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[429/0438] Zweite Abtheilung. ſten zeigt er ſich in jenen leichten Charakteren, die drollig und witzig genug auftreten, um zu inte- reſſiren und Lachen zu erregen, die zwar mit ei- nem gewiſſen Humor ausgeſtattet, aber weder tief ergriffen, noch bizarr ſind, und deshalb auch keine tiefe charakteriſtiſche Darſtellung zulaſſen. Dieſe umgiebt er mit einer unbeſchreiblichen Gra- zie, ſeine Leichtigkeit und Gewandheit, ſeine Si- cherheit, geſellt mit jener muthwilligen fliegenden Laune erhoͤhen einige ſonſt unbedeutende Stuͤcke zu wahren Produkten der Kunſt. Nicht minder kann man ihn in groͤßeren Schauſpielen bewun- dern, wenn ihn ſeine Neigung richtig gefuͤhrt und auf den wahren Platz geſtellt hat. Er ge- hoͤrt zu den Schauſpielern, die zugleich fuͤr die Buͤhne geſchrieben haben. Dergleichen Arbeiten muͤſſen mit mimiſchem Talent geleſen werden, mit einer Phantaſie, die das Spiel und Theater vor ſich ſieht; die wenigſten werden eine ſtrenge Kri- tik zulaſſen, die auch oft unbillig iſt, weil gerade der darſtellende Kuͤnſtler dieſe Sachen nicht leicht fuͤr Kunſtprodukte wird ausgeben wollen. Schroͤ- ders großes univerſelles Schauſpielertalent iſt durchaus in ſeinen dramatiſchen Werken nicht wieder zu erkennen, die faſt alle, oder vielleicht ohne Ausnahme, Ueberſetzungen und Nachbildun- gen fremder Arbeiten ſind. Er ſchrieb fuͤr ſeine Buͤhne und ſich, und wer ihn in verſchiedenen dieſer Rollen geſehen hat, erfahren, daß das Stuͤck nichts als eine Unterlage war, auf wel-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/438
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/438>, abgerufen am 22.11.2024.