könnte jetzt bequem zwei oder drei kleinere Thea- ter erhalten, auf welchen die größte Mannigfal- tigkeit herrschen und die verschiedensten Talente sich zur Lust der Einwohner ausbilden könnten. An manchen Tagen ist der zu große Saal doch zu klein, an andern wieder viel zu groß, oder es müßte denn dahin kommen, was so wenig Direktion, wie Schauspieler und Publikum wün- schen können, daß die Zahl der bemittelten Mü- ßiggänger so anwächst, die Lust so erstirbt, es so sehr ein dumpfes Bedürfniß wird, gewisse Stunden im Theater zuzubringen, daß auf diese Weise das Haus ohne Ausnahme täglich gefüllt wäre, die Direktion möchte spielen was, die Gesellschaft wie sie wollte.
Fügen wir diesem allen hinzu, sagte Ernst, daß hauptsächlich von dort, oder von dem be- rühmten Schauspieler, der an der Spitze jener Gesellschaft steht, eine Schule, Manier und Kri- tik mittelbar und unmittelbar auszugehen droht, die für die Schauspielkunst, vorzüglich für die tragische Darstellung, von dem schädlichsten Ein- flusse seyn muß. Es wäre ein ungerechter Ei- gensinn, wenn man nicht gestehn wollte, daß Iffland einer der vorzüglichsten Schauspieler ist; daß er das Talent, welches ihm die Natur ge- geben, durch fleißiges Studium erhoben hat, daß er gewisse Feinheiten und Eigenheiten zeigt, in denen ihn nicht leicht ein andrer Künstler er- reichen wird. Am schönsten und liebenswürdig-
Zweite Abtheilung.
koͤnnte jetzt bequem zwei oder drei kleinere Thea- ter erhalten, auf welchen die groͤßte Mannigfal- tigkeit herrſchen und die verſchiedenſten Talente ſich zur Luſt der Einwohner ausbilden koͤnnten. An manchen Tagen iſt der zu große Saal doch zu klein, an andern wieder viel zu groß, oder es muͤßte denn dahin kommen, was ſo wenig Direktion, wie Schauſpieler und Publikum wuͤn- ſchen koͤnnen, daß die Zahl der bemittelten Muͤ- ßiggaͤnger ſo anwaͤchſt, die Luſt ſo erſtirbt, es ſo ſehr ein dumpfes Beduͤrfniß wird, gewiſſe Stunden im Theater zuzubringen, daß auf dieſe Weiſe das Haus ohne Ausnahme taͤglich gefuͤllt waͤre, die Direktion moͤchte ſpielen was, die Geſellſchaft wie ſie wollte.
Fuͤgen wir dieſem allen hinzu, ſagte Ernſt, daß hauptſaͤchlich von dort, oder von dem be- ruͤhmten Schauſpieler, der an der Spitze jener Geſellſchaft ſteht, eine Schule, Manier und Kri- tik mittelbar und unmittelbar auszugehen droht, die fuͤr die Schauſpielkunſt, vorzuͤglich fuͤr die tragiſche Darſtellung, von dem ſchaͤdlichſten Ein- fluſſe ſeyn muß. Es waͤre ein ungerechter Ei- genſinn, wenn man nicht geſtehn wollte, daß Iffland einer der vorzuͤglichſten Schauſpieler iſt; daß er das Talent, welches ihm die Natur ge- geben, durch fleißiges Studium erhoben hat, daß er gewiſſe Feinheiten und Eigenheiten zeigt, in denen ihn nicht leicht ein andrer Kuͤnſtler er- reichen wird. Am ſchoͤnſten und liebenswuͤrdig-
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Zweite Abtheilung.
koͤnnte jetzt bequem zwei oder drei kleinere Thea-
ter erhalten, auf welchen die groͤßte Mannigfal-
tigkeit herrſchen und die verſchiedenſten Talente
ſich zur Luſt der Einwohner ausbilden koͤnnten.
An manchen Tagen iſt der zu große Saal doch
zu klein, an andern wieder viel zu groß, oder
es muͤßte denn dahin kommen, was ſo wenig
Direktion, wie Schauſpieler und Publikum wuͤn-
ſchen koͤnnen, daß die Zahl der bemittelten Muͤ-
ßiggaͤnger ſo anwaͤchſt, die Luſt ſo erſtirbt, es
ſo ſehr ein dumpfes Beduͤrfniß wird, gewiſſe
Stunden im Theater zuzubringen, daß auf dieſe
Weiſe das Haus ohne Ausnahme taͤglich gefuͤllt
waͤre, die Direktion moͤchte ſpielen was, die
Geſellſchaft wie ſie wollte.
Fuͤgen wir dieſem allen hinzu, ſagte Ernſt,
daß hauptſaͤchlich von dort, oder von dem be-
ruͤhmten Schauſpieler, der an der Spitze jener
Geſellſchaft ſteht, eine Schule, Manier und Kri-
tik mittelbar und unmittelbar auszugehen droht,
die fuͤr die Schauſpielkunſt, vorzuͤglich fuͤr die
tragiſche Darſtellung, von dem ſchaͤdlichſten Ein-
fluſſe ſeyn muß. Es waͤre ein ungerechter Ei-
genſinn, wenn man nicht geſtehn wollte, daß
Iffland einer der vorzuͤglichſten Schauſpieler iſt;
daß er das Talent, welches ihm die Natur ge-
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in denen ihn nicht leicht ein andrer Kuͤnſtler er-
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/437>, abgerufen am 22.11.2024.
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