Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Däumchen. nicht davon reden. Wenn Sie mir nicht noch, gnä-diger Herr, manchmal ein Verdienstchen zuschanz- ten, daß Sie so ein Bischen ein Einsehn thäten und die Leute in Ordnung hielten, so wie heut mit dem Fremden, so wäre gar nichts. Hat er mir doch, der gute Mann, einen Gulden für meine Mühe gegeben, und ich hatte nur vier Gro- schen zu fordern. Kay. Seht Ihr, wies manchmal unvermu- thet kömmt? Ihr steht Euch immer noch gut. Kirmes. Die Abgaben sind zu hoch, Ihr Gnaden, und alle Woche neue, darüber verlieren nun die Leutchen vollends die Lust, sich schröpfen oder zur Ader zu lassen. Wie gehts mir? Da hör ich, der dicke Gottfried ist in eine gefährliche Krankheit gefallen, ich geh denn so unter der Hand zu ihm, und sehe, wies mit ihm steht, frage, ob er nicht was brauchen will; er schüttelt mit dem Kopf, seine gute, liebe Frau ermahnt ihn, einzu- nehmen: nein, spricht er, es ist die Frage, ob ich kurirt werde, das ist aber keine Frage, daß es mir ein Thaler fünf oder sechs kosten wird, die kann ich nicht dran wenden, und bleib ich auch leben, so hat doch die Last von Abgaben und Durchmär- schen, die Angst und Noth kein Ende, drum will ich lieber frisch weg sterben. Sehn Sie, Ihr Gna- den, so räsonnirt, so philosophirt das Volk heut zu Tage, und mein Seel, man kanns den Leut- chen nicht übel nehmen, denn sie werden allzu po- ver. Letzt hatte einer den Blutsturz gehabt, der wollte zur Ader lassen, ja das bischen Verdienst Daͤumchen. nicht davon reden. Wenn Sie mir nicht noch, gnaͤ-diger Herr, manchmal ein Verdienſtchen zuſchanz- ten, daß Sie ſo ein Bischen ein Einſehn thaͤten und die Leute in Ordnung hielten, ſo wie heut mit dem Fremden, ſo waͤre gar nichts. Hat er mir doch, der gute Mann, einen Gulden fuͤr meine Muͤhe gegeben, und ich hatte nur vier Gro- ſchen zu fordern. Kay. Seht Ihr, wies manchmal unvermu- thet koͤmmt? Ihr ſteht Euch immer noch gut. Kirmes. Die Abgaben ſind zu hoch, Ihr Gnaden, und alle Woche neue, daruͤber verlieren nun die Leutchen vollends die Luſt, ſich ſchroͤpfen oder zur Ader zu laſſen. Wie gehts mir? Da hoͤr ich, der dicke Gottfried iſt in eine gefaͤhrliche Krankheit gefallen, ich geh denn ſo unter der Hand zu ihm, und ſehe, wies mit ihm ſteht, frage, ob er nicht was brauchen will; er ſchuͤttelt mit dem Kopf, ſeine gute, liebe Frau ermahnt ihn, einzu- nehmen: nein, ſpricht er, es iſt die Frage, ob ich kurirt werde, das iſt aber keine Frage, daß es mir ein Thaler fuͤnf oder ſechs koſten wird, die kann ich nicht dran wenden, und bleib ich auch leben, ſo hat doch die Laſt von Abgaben und Durchmaͤr- ſchen, die Angſt und Noth kein Ende, drum will ich lieber friſch weg ſterben. Sehn Sie, Ihr Gna- den, ſo raͤſonnirt, ſo philoſophirt das Volk heut zu Tage, und mein Seel, man kanns den Leut- chen nicht uͤbel nehmen, denn ſie werden allzu po- ver. Letzt hatte einer den Blutſturz gehabt, der wollte zur Ader laſſen, ja das bischen Verdienſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#KIR"> <p><pb facs="#f0486" n="477"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Daͤumchen</hi>.</fw><lb/> nicht davon reden. Wenn Sie mir nicht noch, gnaͤ-<lb/> diger Herr, manchmal ein Verdienſtchen zuſchanz-<lb/> ten, daß Sie ſo ein Bischen ein Einſehn thaͤten<lb/> und die Leute in Ordnung hielten, ſo wie heut<lb/> mit dem Fremden, ſo waͤre gar nichts. Hat er<lb/> mir doch, der gute Mann, einen Gulden fuͤr<lb/> meine Muͤhe gegeben, und ich hatte nur vier Gro-<lb/> ſchen zu fordern.</p> </sp><lb/> <sp who="#KAY"> <speaker><hi rendition="#g">Kay</hi>.</speaker> <p>Seht Ihr, wies manchmal unvermu-<lb/> thet koͤmmt? Ihr ſteht Euch immer noch gut.</p> </sp><lb/> <sp who="#KIR"> <speaker><hi rendition="#g">Kirmes</hi>.</speaker> <p>Die Abgaben ſind zu hoch, Ihr<lb/> Gnaden, und alle Woche neue, daruͤber verlieren<lb/> nun die Leutchen vollends die Luſt, ſich ſchroͤpfen<lb/> oder zur Ader zu laſſen. Wie gehts mir? Da<lb/> hoͤr ich, der dicke Gottfried iſt in eine gefaͤhrliche<lb/> Krankheit gefallen, ich geh denn ſo unter der Hand<lb/> zu ihm, und ſehe, wies mit ihm ſteht, frage, ob<lb/> er nicht was brauchen will; er ſchuͤttelt mit dem<lb/> Kopf, ſeine gute, liebe Frau ermahnt ihn, einzu-<lb/> nehmen: nein, ſpricht er, es iſt die Frage, ob ich<lb/> kurirt werde, das iſt aber keine Frage, daß es mir<lb/> ein Thaler fuͤnf oder ſechs koſten wird, die kann<lb/> ich nicht dran wenden, und bleib ich auch leben,<lb/> ſo hat doch die Laſt von Abgaben und Durchmaͤr-<lb/> ſchen, die Angſt und Noth kein Ende, drum will<lb/> ich lieber friſch weg ſterben. Sehn Sie, Ihr Gna-<lb/> den, ſo raͤſonnirt, ſo philoſophirt das Volk heut<lb/> zu Tage, und mein Seel, man kanns den Leut-<lb/> chen nicht uͤbel nehmen, denn ſie werden allzu po-<lb/> ver. Letzt hatte einer den Blutſturz gehabt, der<lb/> wollte zur Ader laſſen, ja das bischen Verdienſt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [477/0486]
Daͤumchen.
nicht davon reden. Wenn Sie mir nicht noch, gnaͤ-
diger Herr, manchmal ein Verdienſtchen zuſchanz-
ten, daß Sie ſo ein Bischen ein Einſehn thaͤten
und die Leute in Ordnung hielten, ſo wie heut
mit dem Fremden, ſo waͤre gar nichts. Hat er
mir doch, der gute Mann, einen Gulden fuͤr
meine Muͤhe gegeben, und ich hatte nur vier Gro-
ſchen zu fordern.
Kay. Seht Ihr, wies manchmal unvermu-
thet koͤmmt? Ihr ſteht Euch immer noch gut.
Kirmes. Die Abgaben ſind zu hoch, Ihr
Gnaden, und alle Woche neue, daruͤber verlieren
nun die Leutchen vollends die Luſt, ſich ſchroͤpfen
oder zur Ader zu laſſen. Wie gehts mir? Da
hoͤr ich, der dicke Gottfried iſt in eine gefaͤhrliche
Krankheit gefallen, ich geh denn ſo unter der Hand
zu ihm, und ſehe, wies mit ihm ſteht, frage, ob
er nicht was brauchen will; er ſchuͤttelt mit dem
Kopf, ſeine gute, liebe Frau ermahnt ihn, einzu-
nehmen: nein, ſpricht er, es iſt die Frage, ob ich
kurirt werde, das iſt aber keine Frage, daß es mir
ein Thaler fuͤnf oder ſechs koſten wird, die kann
ich nicht dran wenden, und bleib ich auch leben,
ſo hat doch die Laſt von Abgaben und Durchmaͤr-
ſchen, die Angſt und Noth kein Ende, drum will
ich lieber friſch weg ſterben. Sehn Sie, Ihr Gna-
den, ſo raͤſonnirt, ſo philoſophirt das Volk heut
zu Tage, und mein Seel, man kanns den Leut-
chen nicht uͤbel nehmen, denn ſie werden allzu po-
ver. Letzt hatte einer den Blutſturz gehabt, der
wollte zur Ader laſſen, ja das bischen Verdienſt
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