Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Zweite Abtheilung. Agnes. Dürfte ich meine Schwester Anne wohl mit mir nehmen? Hugo. Wenn sie Euch folgen will, mit vie- len Freuden. Anton. Ihr seid also so gut als richtig? Hugo. Es sieht fast so aus. -- Nun habt Ihr mir das Herz leicht gemacht. Man muß nur nicht verzagen, so siegt man am Ende doch. (sie gehn ab.) Simon, Anne. Anne. Du bist heut ungemein mißvergnügt, Bruder. Simon. Was soll man anders seyn? Ich finde keine Ruhe in mir selber; alles ist mir zu- wider, und wenn es mir manchmal vorkömmt, als würde sich jetzt ein Räthsel auflösen, so verfliegt alles im Augenblicke wieder. Anne. Aber warum heftest du auch deinen Geist immer so auf einen Gedanken? Simon. Frage doch, warum er sich selbst so heftet? Ich kann dabei nichts thun und lassen. -- Ich möchte lachen, denn dieser sogenannte Geist ist ja Niemand anders, als ich selbst. Anne. Es ist mit Dir nicht zu sprechen, -- man hat doch Gewalt über sich. Simon. Das sagt der Arzt auch immer, und bei Euch andern, die Ihr in einer unbegreif- lichen Trägheit fortlebt, mags auch wohl wahr seyn, denn Euch liegt nichts ernsthaft am Herzen; Zweite Abtheilung. Agnes. Duͤrfte ich meine Schweſter Anne wohl mit mir nehmen? Hugo. Wenn ſie Euch folgen will, mit vie- len Freuden. Anton. Ihr ſeid alſo ſo gut als richtig? Hugo. Es ſieht faſt ſo aus. — Nun habt Ihr mir das Herz leicht gemacht. Man muß nur nicht verzagen, ſo ſiegt man am Ende doch. (ſie gehn ab.) Simon, Anne. Anne. Du biſt heut ungemein mißvergnuͤgt, Bruder. Simon. Was ſoll man anders ſeyn? Ich finde keine Ruhe in mir ſelber; alles iſt mir zu- wider, und wenn es mir manchmal vorkoͤmmt, als wuͤrde ſich jetzt ein Raͤthſel aufloͤſen, ſo verfliegt alles im Augenblicke wieder. Anne. Aber warum hefteſt du auch deinen Geiſt immer ſo auf einen Gedanken? Simon. Frage doch, warum er ſich ſelbſt ſo heftet? Ich kann dabei nichts thun und laſſen. — Ich moͤchte lachen, denn dieſer ſogenannte Geiſt iſt ja Niemand anders, als ich ſelbſt. Anne. Es iſt mit Dir nicht zu ſprechen, — man hat doch Gewalt uͤber ſich. Simon. Das ſagt der Arzt auch immer, und bei Euch andern, die Ihr in einer unbegreif- lichen Traͤgheit fortlebt, mags auch wohl wahr ſeyn, denn Euch liegt nichts ernſthaft am Herzen; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0065" n="56"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#AGN"> <speaker><hi rendition="#g">Agnes</hi>.</speaker> <p>Duͤrfte ich meine Schweſter Anne<lb/> wohl mit mir nehmen?</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <p>Wenn ſie Euch folgen will, mit vie-<lb/> len Freuden.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANT"> <speaker><hi rendition="#g">Anton</hi>.</speaker> <p>Ihr ſeid alſo ſo gut als richtig?</p> </sp><lb/> <sp who="#HUGO"> <speaker><hi rendition="#g">Hugo</hi>.</speaker> <p>Es ſieht faſt ſo aus. — Nun habt<lb/> Ihr mir das Herz leicht gemacht. Man muß nur<lb/> nicht verzagen, ſo ſiegt man am Ende doch.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(ſie gehn ab.)</hi> </stage><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Simon, Anne</hi>.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Du biſt heut ungemein mißvergnuͤgt,<lb/> Bruder.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Was ſoll man anders ſeyn? Ich<lb/> finde keine Ruhe in mir ſelber; alles iſt mir zu-<lb/> wider, und wenn es mir manchmal vorkoͤmmt, als<lb/> wuͤrde ſich jetzt ein Raͤthſel aufloͤſen, ſo verfliegt<lb/> alles im Augenblicke wieder.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Aber warum hefteſt du auch deinen<lb/> Geiſt immer ſo auf einen Gedanken?</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Frage doch, warum er ſich ſelbſt<lb/> ſo heftet? Ich kann dabei nichts thun und laſſen.<lb/> — Ich moͤchte lachen, denn dieſer ſogenannte Geiſt<lb/> iſt ja Niemand anders, als ich ſelbſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#ANN"> <speaker><hi rendition="#g">Anne</hi>.</speaker> <p>Es iſt mit Dir nicht zu ſprechen, —<lb/> man hat doch Gewalt uͤber ſich.</p> </sp><lb/> <sp who="#SIM"> <speaker><hi rendition="#g">Simon</hi>.</speaker> <p>Das ſagt der Arzt auch immer,<lb/> und bei Euch andern, die Ihr in einer unbegreif-<lb/> lichen Traͤgheit fortlebt, mags auch wohl wahr<lb/> ſeyn, denn Euch liegt nichts ernſthaft am Herzen;<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [56/0065]
Zweite Abtheilung.
Agnes. Duͤrfte ich meine Schweſter Anne
wohl mit mir nehmen?
Hugo. Wenn ſie Euch folgen will, mit vie-
len Freuden.
Anton. Ihr ſeid alſo ſo gut als richtig?
Hugo. Es ſieht faſt ſo aus. — Nun habt
Ihr mir das Herz leicht gemacht. Man muß nur
nicht verzagen, ſo ſiegt man am Ende doch.
(ſie gehn ab.)
Simon, Anne.
Anne. Du biſt heut ungemein mißvergnuͤgt,
Bruder.
Simon. Was ſoll man anders ſeyn? Ich
finde keine Ruhe in mir ſelber; alles iſt mir zu-
wider, und wenn es mir manchmal vorkoͤmmt, als
wuͤrde ſich jetzt ein Raͤthſel aufloͤſen, ſo verfliegt
alles im Augenblicke wieder.
Anne. Aber warum hefteſt du auch deinen
Geiſt immer ſo auf einen Gedanken?
Simon. Frage doch, warum er ſich ſelbſt
ſo heftet? Ich kann dabei nichts thun und laſſen.
— Ich moͤchte lachen, denn dieſer ſogenannte Geiſt
iſt ja Niemand anders, als ich ſelbſt.
Anne. Es iſt mit Dir nicht zu ſprechen, —
man hat doch Gewalt uͤber ſich.
Simon. Das ſagt der Arzt auch immer,
und bei Euch andern, die Ihr in einer unbegreif-
lichen Traͤgheit fortlebt, mags auch wohl wahr
ſeyn, denn Euch liegt nichts ernſthaft am Herzen;
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