Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.Der Blaubart. bin doch neugierig, -- sagt mir einmal, so langeich Euch kenne und weiß, habe ich Euch immer den Rathgeber nennen hören, wie heißt Ihr denn eigentlich? Oder habt Ihr etwa keinen andern Namen? Rathgeber. Narr, ich keinen andern Na- men? -- Ich hatte sonst einmal einen ganz vor- treflichen Namen, aber ich muß dir gestehn, durch die Länge der Zeit hab ich ihn fast vergessen, ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. -- So gehts dem menschlichen Geiste. Ich habe mich an- gewöhnt, immer nach dem Titel Rathgeber zu hö- ren und mich selbst so zu denken, -- wart! -- Ferdinand von Eckstein hieß ich ehemals. -- Ja. -- Aber die Zeiten sind freilich vorüber. Die Ge- wohnheit, sagt man wohl mit Recht, ist unsre zweite Natnr; wenn ich jetzt nur von Rath reden höre, oder so im Sprichwort: hier ist guter Rath theuer, -- guter Rath kömmt hinten nach, -- so denk ich immer dabei an mich. Claus. Geht es mir denn anders? Man darf nur von irgend einem Narren in Afrika spre- chen, so ist mir gleich, als wenn nothwendig von mir die Rede seyn müste. So hat man gar keine rechte Ruhe im Leben. Sagt mir nur, wozu man getauft wird, wenn der Taufname gar nicht ge- braucht werden soll? Rathgeber. Es ist unrecht. Claus. Seht Euch nur etwas vor, ich glaube, der Blaubart wird ein scharfes Examen mit Euch anstellen. Der Blaubart. bin doch neugierig, — ſagt mir einmal, ſo langeich Euch kenne und weiß, habe ich Euch immer den Rathgeber nennen hoͤren, wie heißt Ihr denn eigentlich? Oder habt Ihr etwa keinen andern Namen? Rathgeber. Narr, ich keinen andern Na- men? — Ich hatte ſonſt einmal einen ganz vor- treflichen Namen, aber ich muß dir geſtehn, durch die Laͤnge der Zeit hab ich ihn faſt vergeſſen, ich kann mich nur noch dunkel daran erinnern. — So gehts dem menſchlichen Geiſte. Ich habe mich an- gewoͤhnt, immer nach dem Titel Rathgeber zu hoͤ- ren und mich ſelbſt ſo zu denken, — wart! — Ferdinand von Eckſtein hieß ich ehemals. — Ja. — Aber die Zeiten ſind freilich voruͤber. Die Ge- wohnheit, ſagt man wohl mit Recht, iſt unſre zweite Natnr; wenn ich jetzt nur von Rath reden hoͤre, oder ſo im Sprichwort: hier iſt guter Rath theuer, — guter Rath koͤmmt hinten nach, — ſo denk ich immer dabei an mich. Claus. Geht es mir denn anders? Man darf nur von irgend einem Narren in Afrika ſpre- chen, ſo iſt mir gleich, als wenn nothwendig von mir die Rede ſeyn muͤſte. So hat man gar keine rechte Ruhe im Leben. Sagt mir nur, wozu man getauft wird, wenn der Taufname gar nicht ge- braucht werden ſoll? Rathgeber. Es iſt unrecht. Claus. Seht Euch nur etwas vor, ich glaube, der Blaubart wird ein ſcharfes Examen mit Euch anſtellen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#CLAU"> <p><pb facs="#f0076" n="67"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Der Blaubart</hi>.</fw><lb/> bin doch neugierig, — ſagt mir einmal, ſo lange<lb/> ich Euch kenne und weiß, habe ich Euch immer<lb/> den Rathgeber nennen hoͤren, wie heißt Ihr denn<lb/> eigentlich? Oder habt Ihr etwa keinen andern<lb/> Namen?</p> </sp><lb/> <sp who="#RATHGEBER"> <speaker><hi rendition="#g">Rathgeber</hi>.</speaker> <p>Narr, ich keinen andern Na-<lb/> men? — Ich hatte ſonſt einmal einen ganz vor-<lb/> treflichen Namen, aber ich muß dir geſtehn, durch<lb/> die Laͤnge der Zeit hab ich ihn faſt vergeſſen, ich<lb/> kann mich nur noch dunkel daran erinnern. — So<lb/> gehts dem menſchlichen Geiſte. Ich habe mich an-<lb/> gewoͤhnt, immer nach dem Titel Rathgeber zu hoͤ-<lb/> ren und mich ſelbſt ſo zu denken, — wart! —<lb/> Ferdinand von Eckſtein hieß ich ehemals. — Ja.<lb/> — Aber die Zeiten ſind freilich voruͤber. Die Ge-<lb/> wohnheit, ſagt man wohl mit Recht, iſt unſre<lb/> zweite Natnr; wenn ich jetzt nur von Rath reden<lb/> hoͤre, oder ſo im Sprichwort: hier iſt guter Rath<lb/> theuer, — guter Rath koͤmmt hinten nach, — ſo<lb/> denk ich immer dabei an mich.</p> </sp><lb/> <sp who="#CLAU"> <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker> <p>Geht es mir denn anders? Man<lb/> darf nur von irgend einem Narren in Afrika ſpre-<lb/> chen, ſo iſt mir gleich, als wenn nothwendig von<lb/> mir die Rede ſeyn muͤſte. So hat man gar keine<lb/> rechte Ruhe im Leben. Sagt mir nur, wozu man<lb/> getauft wird, wenn der Taufname gar nicht ge-<lb/> braucht werden ſoll?</p> </sp><lb/> <sp who="#RATHGEBER"> <speaker><hi rendition="#g">Rathgeber</hi>.</speaker> <p>Es iſt unrecht.</p> </sp><lb/> <sp who="#CLAU"> <speaker><hi rendition="#g">Claus</hi>.</speaker> <p>Seht Euch nur etwas vor, ich<lb/> glaube, der Blaubart wird ein ſcharfes Examen<lb/> mit Euch anſtellen.</p> </sp><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0076]
Der Blaubart.
bin doch neugierig, — ſagt mir einmal, ſo lange
ich Euch kenne und weiß, habe ich Euch immer
den Rathgeber nennen hoͤren, wie heißt Ihr denn
eigentlich? Oder habt Ihr etwa keinen andern
Namen?
Rathgeber. Narr, ich keinen andern Na-
men? — Ich hatte ſonſt einmal einen ganz vor-
treflichen Namen, aber ich muß dir geſtehn, durch
die Laͤnge der Zeit hab ich ihn faſt vergeſſen, ich
kann mich nur noch dunkel daran erinnern. — So
gehts dem menſchlichen Geiſte. Ich habe mich an-
gewoͤhnt, immer nach dem Titel Rathgeber zu hoͤ-
ren und mich ſelbſt ſo zu denken, — wart! —
Ferdinand von Eckſtein hieß ich ehemals. — Ja.
— Aber die Zeiten ſind freilich voruͤber. Die Ge-
wohnheit, ſagt man wohl mit Recht, iſt unſre
zweite Natnr; wenn ich jetzt nur von Rath reden
hoͤre, oder ſo im Sprichwort: hier iſt guter Rath
theuer, — guter Rath koͤmmt hinten nach, — ſo
denk ich immer dabei an mich.
Claus. Geht es mir denn anders? Man
darf nur von irgend einem Narren in Afrika ſpre-
chen, ſo iſt mir gleich, als wenn nothwendig von
mir die Rede ſeyn muͤſte. So hat man gar keine
rechte Ruhe im Leben. Sagt mir nur, wozu man
getauft wird, wenn der Taufname gar nicht ge-
braucht werden ſoll?
Rathgeber. Es iſt unrecht.
Claus. Seht Euch nur etwas vor, ich
glaube, der Blaubart wird ein ſcharfes Examen
mit Euch anſtellen.
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