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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
L. Sand.
So frommem Thun will ich nicht störend seyn.
(gehn ab.)


Zehnte Scene.
(Gefängniß.)


Fortunat, gefesselt, der Kerkermeister.
Fortunat. Und alle sind hingerichtet.
Kerkermeist. Alle drei, die um den schnöden
Mord gewußt haben. Morgen kommt an Euch
die Reihe, macht Euch nur gefaßt.
Fortunat. Himmel! da ich unschuldig bin?
Kerkerm. Das müssen die Richter besser ver-
stehn; mitgefangen, mitgehangen. Und was ist es
denn nun so Großes? Bester, in dem Stübchen
hier, seit ich Kerkermeister bin, haben gewiß schon
etliche hundert arme Sünder gesessen, und keiner
ist mit dem Leben davon gekommen. Jeder meint
freilich, es sey ganz was Apartes, weil's ihn selbst
betrifft, und nur einmal in seinem ganzen Leben;
je nun, das ist menschlich; aber für unser eins,
der das Ding von einem allgemeinen Standpunkt
ansieht, ist es recht was Ordinäres und Langweili-
ges. Es hängen sich alle Arten von Gesichtern und
alle Temperamente so frisch weg, daß es beinah
lächerlich wird, da noch lamentiren zu wollen. Je-
der sollte sagen: o den Weg sind wohl ganz andre
Fortunat.
L. Sand.
So frommem Thun will ich nicht ſtoͤrend ſeyn.
(gehn ab.)


Zehnte Scene.
(Gefaͤngniß.)


Fortunat, gefeſſelt, der Kerkermeiſter.
Fortunat. Und alle ſind hingerichtet.
Kerkermeiſt. Alle drei, die um den ſchnoͤden
Mord gewußt haben. Morgen kommt an Euch
die Reihe, macht Euch nur gefaßt.
Fortunat. Himmel! da ich unſchuldig bin?
Kerkerm. Das muͤſſen die Richter beſſer ver-
ſtehn; mitgefangen, mitgehangen. Und was iſt es
denn nun ſo Großes? Beſter, in dem Stuͤbchen
hier, ſeit ich Kerkermeiſter bin, haben gewiß ſchon
etliche hundert arme Suͤnder geſeſſen, und keiner
iſt mit dem Leben davon gekommen. Jeder meint
freilich, es ſey ganz was Apartes, weil's ihn ſelbſt
betrifft, und nur einmal in ſeinem ganzen Leben;
je nun, das iſt menſchlich; aber fuͤr unſer eins,
der das Ding von einem allgemeinen Standpunkt
anſieht, iſt es recht was Ordinaͤres und Langweili-
ges. Es haͤngen ſich alle Arten von Geſichtern und
alle Temperamente ſo friſch weg, daß es beinah
laͤcherlich wird, da noch lamentiren zu wollen. Je-
der ſollte ſagen: o den Weg ſind wohl ganz andre
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[101/0111] Fortunat. L. Sand. So frommem Thun will ich nicht ſtoͤrend ſeyn. (gehn ab.) Zehnte Scene. (Gefaͤngniß.) Fortunat, gefeſſelt, der Kerkermeiſter. Fortunat. Und alle ſind hingerichtet. Kerkermeiſt. Alle drei, die um den ſchnoͤden Mord gewußt haben. Morgen kommt an Euch die Reihe, macht Euch nur gefaßt. Fortunat. Himmel! da ich unſchuldig bin? Kerkerm. Das muͤſſen die Richter beſſer ver- ſtehn; mitgefangen, mitgehangen. Und was iſt es denn nun ſo Großes? Beſter, in dem Stuͤbchen hier, ſeit ich Kerkermeiſter bin, haben gewiß ſchon etliche hundert arme Suͤnder geſeſſen, und keiner iſt mit dem Leben davon gekommen. Jeder meint freilich, es ſey ganz was Apartes, weil's ihn ſelbſt betrifft, und nur einmal in ſeinem ganzen Leben; je nun, das iſt menſchlich; aber fuͤr unſer eins, der das Ding von einem allgemeinen Standpunkt anſieht, iſt es recht was Ordinaͤres und Langweili- ges. Es haͤngen ſich alle Arten von Geſichtern und alle Temperamente ſo friſch weg, daß es beinah laͤcherlich wird, da noch lamentiren zu wollen. Je- der ſollte ſagen: o den Weg ſind wohl ganz andre

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/111>, abgerufen am 21.11.2024.