Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Leute als Du gegangen! und bedenken, wie wenigdie Welt an ihm verliert, so fänden sich alle leich- ter drinn: aber, wenn vom Leben die Rede ist, weiß der Teufel, so ist das ein Umsichgreifen, ein Her- umschnappen, ein Festhalten, ein Balgen darum, einer den andern wegstoßen wollen und allein nur in den Teich Bethesda kriechen, daß man wirklich die Kerle schon bloß dieses verfluchten Egoismus wegen hängen sollte. Fortunat. Ihr fallt mir zur Last. Kerkerm. So seht doch einmal, wie imperti- nent! Nun, nun, morgen hat es mit allen diesen naseweisen Einfällen ein Ende, und wenn Ihr dann auf der Leiter steht, werdet Ihr denken: Ach fiele mir doch der gute, liebe Mann noch so ein Säku- lum auf die angenehme Art zur Last! Denkt an mich, das fällt Euch ein, Ihr junge Blume des Feldes, deren Haupt morgen zusammen geschnürt wird, um unter das übrige Grummt der Wiese zum Aufspeisen des großen Rindviehs, Verwesung, gethan zu werden. (geht ab.) Fortunat. So also wird mein Lebenslauf beschlossen? Gewaltsam? Schimpflich? Als ein Missethäter? O Rupert! Du mein wahrer, einziger Freund, Was folgt ich lieber Deiner Weisung nicht, Als jezt so schmählich end'gen müssen hier? Nun sind die Träume alle weggeflogen, Die mich wohl sonst umgaukelten mit Lust, Zweite Abtheilung. Leute als Du gegangen! und bedenken, wie wenigdie Welt an ihm verliert, ſo faͤnden ſich alle leich- ter drinn: aber, wenn vom Leben die Rede iſt, weiß der Teufel, ſo iſt das ein Umſichgreifen, ein Her- umſchnappen, ein Feſthalten, ein Balgen darum, einer den andern wegſtoßen wollen und allein nur in den Teich Bethesda kriechen, daß man wirklich die Kerle ſchon bloß dieſes verfluchten Egoismus wegen haͤngen ſollte. Fortunat. Ihr fallt mir zur Laſt. Kerkerm. So ſeht doch einmal, wie imperti- nent! Nun, nun, morgen hat es mit allen dieſen naſeweiſen Einfaͤllen ein Ende, und wenn Ihr dann auf der Leiter ſteht, werdet Ihr denken: Ach fiele mir doch der gute, liebe Mann noch ſo ein Saͤku- lum auf die angenehme Art zur Laſt! Denkt an mich, das faͤllt Euch ein, Ihr junge Blume des Feldes, deren Haupt morgen zuſammen geſchnuͤrt wird, um unter das uͤbrige Grummt der Wieſe zum Aufſpeiſen des großen Rindviehs, Verweſung, gethan zu werden. (geht ab.) Fortunat. So alſo wird mein Lebenslauf beſchloſſen? Gewaltſam? Schimpflich? Als ein Miſſethaͤter? O Rupert! Du mein wahrer, einziger Freund, Was folgt ich lieber Deiner Weiſung nicht, Als jezt ſo ſchmaͤhlich end'gen muͤſſen hier? Nun ſind die Traͤume alle weggeflogen, Die mich wohl ſonſt umgaukelten mit Luſt, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Kerkerm"> <p><pb facs="#f0112" n="102"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Leute als Du gegangen! und bedenken, wie wenig<lb/> die Welt an ihm verliert, ſo faͤnden ſich alle leich-<lb/> ter drinn: aber, wenn vom Leben die Rede iſt, weiß<lb/> der Teufel, ſo iſt das ein Umſichgreifen, ein Her-<lb/> umſchnappen, ein Feſthalten, ein Balgen darum,<lb/> einer den andern wegſtoßen wollen und allein nur<lb/> in den Teich Bethesda kriechen, daß man wirklich<lb/> die Kerle ſchon bloß dieſes verfluchten Egoismus<lb/> wegen haͤngen ſollte.</p> </sp><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker> <p>Ihr fallt mir zur Laſt.</p> </sp><lb/> <sp who="#Kerkerm"> <speaker><hi rendition="#g">Kerkerm</hi>.</speaker> <p>So ſeht doch einmal, wie imperti-<lb/> nent! Nun, nun, morgen hat es mit allen dieſen<lb/> naſeweiſen Einfaͤllen ein Ende, und wenn Ihr dann<lb/> auf der Leiter ſteht, werdet Ihr denken: Ach fiele<lb/> mir doch der gute, liebe Mann noch ſo ein Saͤku-<lb/> lum auf die angenehme Art zur Laſt! Denkt an<lb/> mich, das faͤllt Euch ein, Ihr junge Blume des<lb/> Feldes, deren Haupt morgen zuſammen geſchnuͤrt<lb/> wird, um unter das uͤbrige Grummt der Wieſe<lb/> zum Aufſpeiſen des großen Rindviehs, Verweſung,<lb/> gethan zu werden.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(geht ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker><lb/> <p>So alſo wird mein Lebenslauf beſchloſſen?<lb/> Gewaltſam? Schimpflich? Als ein Miſſethaͤter?<lb/> O Rupert! Du mein wahrer, einziger Freund,<lb/> Was folgt ich lieber Deiner Weiſung nicht,<lb/> Als jezt ſo ſchmaͤhlich end'gen muͤſſen hier?<lb/> Nun ſind die Traͤume alle weggeflogen,<lb/> Die mich wohl ſonſt umgaukelten mit Luſt,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0112]
Zweite Abtheilung.
Leute als Du gegangen! und bedenken, wie wenig
die Welt an ihm verliert, ſo faͤnden ſich alle leich-
ter drinn: aber, wenn vom Leben die Rede iſt, weiß
der Teufel, ſo iſt das ein Umſichgreifen, ein Her-
umſchnappen, ein Feſthalten, ein Balgen darum,
einer den andern wegſtoßen wollen und allein nur
in den Teich Bethesda kriechen, daß man wirklich
die Kerle ſchon bloß dieſes verfluchten Egoismus
wegen haͤngen ſollte.
Fortunat. Ihr fallt mir zur Laſt.
Kerkerm. So ſeht doch einmal, wie imperti-
nent! Nun, nun, morgen hat es mit allen dieſen
naſeweiſen Einfaͤllen ein Ende, und wenn Ihr dann
auf der Leiter ſteht, werdet Ihr denken: Ach fiele
mir doch der gute, liebe Mann noch ſo ein Saͤku-
lum auf die angenehme Art zur Laſt! Denkt an
mich, das faͤllt Euch ein, Ihr junge Blume des
Feldes, deren Haupt morgen zuſammen geſchnuͤrt
wird, um unter das uͤbrige Grummt der Wieſe
zum Aufſpeiſen des großen Rindviehs, Verweſung,
gethan zu werden.
(geht ab.)
Fortunat.
So alſo wird mein Lebenslauf beſchloſſen?
Gewaltſam? Schimpflich? Als ein Miſſethaͤter?
O Rupert! Du mein wahrer, einziger Freund,
Was folgt ich lieber Deiner Weiſung nicht,
Als jezt ſo ſchmaͤhlich end'gen muͤſſen hier?
Nun ſind die Traͤume alle weggeflogen,
Die mich wohl ſonſt umgaukelten mit Luſt,
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