Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Matthias. Stell mir eine Flasche Wein auf mein Zimmer. Daniel. Nicht auf den Tisch? Wie komm' ich nur auf das Zimmer? Wirth. Ei, Bursche, wenn Du Spaß ma- chen willst, werd ich Dir Zulage geben müssen. (schlägt ihn.) Matthias. Recht so! Man kann nicht ge- nug darauf sehn, daß jeder das Seinige bekömmt. (Daniel ab.) Habt Ihr euch geärgert? Wirth. Die Schlingel sind mir eben so viel Nägel zum Sarge. Matthias. Ihr müßt bei kaltem Blut prü- geln lernen, bei Leibe nicht in Leidenschaft, man schlägt im Eifer miserabel, sie fühlen's nicht, und man bildet sich Wunder ein, was man leistet. Ich mach's mit meinen Leuten so: jeder Mensch hat seine Fehler, die merk' ich mir sauber und sage nichts, nun kömmt aber eine Stunde nach Tisch, oder man ist nicht wohl, das Wetter ist zu schlecht zum Ausreiten, aber man braucht doch Motion: seht, da zieh' ich denn die Summe, und prügle sie rudelweise. Das bekommt mir, und die Schläge, sind gut und richtig abgewogen, man sieht, man zielt dann viel schärfer. Wirth. Gewiß, Herr Matthias, Ihr habt einen klaren Verstand. Matthias. Wie würd ich ohne Prügel fer- tig? Jezt lieg' ich nun mit meinen funfzig Pfer- den hier, zwanzig Leute dabei, manchmal hab' ich des Gesindes und des Viehes noch mehr: da lernt Zweite Abtheilung. Matthias. Stell mir eine Flaſche Wein auf mein Zimmer. Daniel. Nicht auf den Tiſch? Wie komm' ich nur auf das Zimmer? Wirth. Ei, Burſche, wenn Du Spaß ma- chen willſt, werd ich Dir Zulage geben muͤſſen. (ſchlaͤgt ihn.) Matthias. Recht ſo! Man kann nicht ge- nug darauf ſehn, daß jeder das Seinige bekoͤmmt. (Daniel ab.) Habt Ihr euch geaͤrgert? Wirth. Die Schlingel ſind mir eben ſo viel Naͤgel zum Sarge. Matthias. Ihr muͤßt bei kaltem Blut pruͤ- geln lernen, bei Leibe nicht in Leidenſchaft, man ſchlaͤgt im Eifer miſerabel, ſie fuͤhlen's nicht, und man bildet ſich Wunder ein, was man leiſtet. Ich mach's mit meinen Leuten ſo: jeder Menſch hat ſeine Fehler, die merk' ich mir ſauber und ſage nichts, nun koͤmmt aber eine Stunde nach Tiſch, oder man iſt nicht wohl, das Wetter iſt zu ſchlecht zum Ausreiten, aber man braucht doch Motion: ſeht, da zieh' ich denn die Summe, und pruͤgle ſie rudelweiſe. Das bekommt mir, und die Schlaͤge, ſind gut und richtig abgewogen, man ſieht, man zielt dann viel ſchaͤrfer. Wirth. Gewiß, Herr Matthias, Ihr habt einen klaren Verſtand. Matthias. Wie wuͤrd ich ohne Pruͤgel fer- tig? Jezt lieg' ich nun mit meinen funfzig Pfer- den hier, zwanzig Leute dabei, manchmal hab' ich des Geſindes und des Viehes noch mehr: da lernt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0124" n="114"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> <sp who="#Matthias"> <speaker><hi rendition="#g">Matthias</hi>.</speaker> <p>Stell mir eine Flaſche Wein auf<lb/> mein Zimmer.</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Nicht auf den Tiſch? Wie komm'<lb/> ich nur auf das Zimmer?</p> </sp><lb/> <sp who="#Wirth"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Ei, Burſche, wenn Du Spaß ma-<lb/> chen willſt, werd ich Dir Zulage geben muͤſſen.</p><lb/> <stage>(ſchlaͤgt ihn.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#Matthias"> <speaker><hi rendition="#g">Matthias</hi>.</speaker> <p>Recht ſo! Man kann nicht ge-<lb/> nug darauf ſehn, daß jeder das Seinige bekoͤmmt.<lb/><stage>(Daniel ab.)</stage> Habt Ihr euch geaͤrgert?</p> </sp><lb/> <sp who="#Wirth"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Die Schlingel ſind mir eben ſo viel<lb/> Naͤgel zum Sarge.</p> </sp><lb/> <sp who="#Matthias"> <speaker><hi rendition="#g">Matthias</hi>.</speaker> <p>Ihr muͤßt bei kaltem Blut pruͤ-<lb/> geln lernen, bei Leibe nicht in Leidenſchaft, man<lb/> ſchlaͤgt im Eifer miſerabel, ſie fuͤhlen's nicht, und<lb/> man bildet ſich Wunder ein, was man leiſtet. Ich<lb/> mach's mit meinen Leuten ſo: jeder Menſch hat<lb/> ſeine Fehler, die merk' ich mir ſauber und ſage<lb/> nichts, nun koͤmmt aber eine Stunde nach Tiſch,<lb/> oder man iſt nicht wohl, das Wetter iſt zu ſchlecht<lb/> zum Ausreiten, aber man braucht doch Motion:<lb/> ſeht, da zieh' ich denn die Summe, und pruͤgle ſie<lb/> rudelweiſe. Das bekommt mir, und die Schlaͤge,<lb/> ſind gut und richtig abgewogen, man ſieht, man<lb/> zielt dann viel ſchaͤrfer.</p> </sp><lb/> <sp who="#Wirth"> <speaker><hi rendition="#g">Wirth</hi>.</speaker> <p>Gewiß, Herr Matthias, Ihr habt<lb/> einen klaren Verſtand.</p> </sp><lb/> <sp who="#Matthias"> <speaker><hi rendition="#g">Matthias</hi>.</speaker> <p>Wie wuͤrd ich ohne Pruͤgel fer-<lb/> tig? Jezt lieg' ich nun mit meinen funfzig Pfer-<lb/> den hier, zwanzig Leute dabei, manchmal hab' ich<lb/> des Geſindes und des Viehes noch mehr: da lernt<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [114/0124]
Zweite Abtheilung.
Matthias. Stell mir eine Flaſche Wein auf
mein Zimmer.
Daniel. Nicht auf den Tiſch? Wie komm'
ich nur auf das Zimmer?
Wirth. Ei, Burſche, wenn Du Spaß ma-
chen willſt, werd ich Dir Zulage geben muͤſſen.
(ſchlaͤgt ihn.)
Matthias. Recht ſo! Man kann nicht ge-
nug darauf ſehn, daß jeder das Seinige bekoͤmmt.
(Daniel ab.) Habt Ihr euch geaͤrgert?
Wirth. Die Schlingel ſind mir eben ſo viel
Naͤgel zum Sarge.
Matthias. Ihr muͤßt bei kaltem Blut pruͤ-
geln lernen, bei Leibe nicht in Leidenſchaft, man
ſchlaͤgt im Eifer miſerabel, ſie fuͤhlen's nicht, und
man bildet ſich Wunder ein, was man leiſtet. Ich
mach's mit meinen Leuten ſo: jeder Menſch hat
ſeine Fehler, die merk' ich mir ſauber und ſage
nichts, nun koͤmmt aber eine Stunde nach Tiſch,
oder man iſt nicht wohl, das Wetter iſt zu ſchlecht
zum Ausreiten, aber man braucht doch Motion:
ſeht, da zieh' ich denn die Summe, und pruͤgle ſie
rudelweiſe. Das bekommt mir, und die Schlaͤge,
ſind gut und richtig abgewogen, man ſieht, man
zielt dann viel ſchaͤrfer.
Wirth. Gewiß, Herr Matthias, Ihr habt
einen klaren Verſtand.
Matthias. Wie wuͤrd ich ohne Pruͤgel fer-
tig? Jezt lieg' ich nun mit meinen funfzig Pfer-
den hier, zwanzig Leute dabei, manchmal hab' ich
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