Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
tragen, und das Band, welches sich verknüpfend
durch alle zieht, ist nur schwach: die Unbestimmt-
heit und Übereilung der Hauptperson, und die
Verlegenheiten, in welche diese sich stürzt.

Mit der Erlaubniß der Herren, sagte Clara,
möchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor-
züglich gefallen hat. Wir treten stets in eine
neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel-
den ist liebenswürdig, seine Eitelkeit erniedrigt
ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als
vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein
Reichthum ist der, der wahrhaft erfreulich ist,
ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und
Correspondenz wird er fertig, und genießt seines
Überflusses. Ich gestehe, daß ich schon im vor-
aus gegen die zweite Hälfte eingenommen und
überzeugt bin, daß sie mir weniger, als diese
erste gefallen wird, weil ihr wahrscheinlich die
Gelindigkeit mangelt, mit welcher diese behan-
delt ist.

Sie sind strenge, sagte Friedrich, und ich
werde von diesen Worten um so mehr getroffen,
weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht,
das ich Ihnen morgen mittheilen soll, übersehe,
so erkenne ich mich selbst, nach meinen jetzigen
Gefühlen, in meiner damaligen Stimmung nicht
wieder, und ich fühle schon jetzt die Peinlichkeit
die mich beim Vortrage ängstigen wird. Das
ist der sonderbare Wechsel des Lebens, daß uns
das, was wir für unser Inneres, für das Wesen
Zweite Abtheilung.
tragen, und das Band, welches ſich verknuͤpfend
durch alle zieht, iſt nur ſchwach: die Unbeſtimmt-
heit und Übereilung der Hauptperſon, und die
Verlegenheiten, in welche dieſe ſich ſtuͤrzt.

Mit der Erlaubniß der Herren, ſagte Clara,
moͤchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor-
zuͤglich gefallen hat. Wir treten ſtets in eine
neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel-
den iſt liebenswuͤrdig, ſeine Eitelkeit erniedrigt
ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als
vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein
Reichthum iſt der, der wahrhaft erfreulich iſt,
ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und
Correſpondenz wird er fertig, und genießt ſeines
Überfluſſes. Ich geſtehe, daß ich ſchon im vor-
aus gegen die zweite Haͤlfte eingenommen und
uͤberzeugt bin, daß ſie mir weniger, als dieſe
erſte gefallen wird, weil ihr wahrſcheinlich die
Gelindigkeit mangelt, mit welcher dieſe behan-
delt iſt.

Sie ſind ſtrenge, ſagte Friedrich, und ich
werde von dieſen Worten um ſo mehr getroffen,
weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht,
das ich Ihnen morgen mittheilen ſoll, uͤberſehe,
ſo erkenne ich mich ſelbſt, nach meinen jetzigen
Gefuͤhlen, in meiner damaligen Stimmung nicht
wieder, und ich fuͤhle ſchon jetzt die Peinlichkeit
die mich beim Vortrage aͤngſtigen wird. Das
iſt der ſonderbare Wechſel des Lebens, daß uns
das, was wir fuͤr unſer Inneres, fuͤr das Weſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#VAL">
                <p><pb facs="#f0233" n="223"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
tragen, und das Band, welches &#x017F;ich verknu&#x0364;pfend<lb/>
durch alle zieht, i&#x017F;t nur &#x017F;chwach: die Unbe&#x017F;timmt-<lb/>
heit und Übereilung der Hauptper&#x017F;on, und die<lb/>
Verlegenheiten, in welche die&#x017F;e &#x017F;ich &#x017F;tu&#x0364;rzt.</p><lb/>
                <p>Mit der Erlaubniß der Herren, &#x017F;agte Clara,<lb/>
mo&#x0364;chte ich anmerken, daß mir dies gerade vor-<lb/>
zu&#x0364;glich gefallen hat. Wir treten &#x017F;tets in eine<lb/>
neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel-<lb/>
den i&#x017F;t liebenswu&#x0364;rdig, &#x017F;eine Eitelkeit erniedrigt<lb/>
ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als<lb/>
vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein<lb/>
Reichthum i&#x017F;t der, der wahrhaft erfreulich i&#x017F;t,<lb/>
ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und<lb/>
Corre&#x017F;pondenz wird er fertig, und genießt &#x017F;eines<lb/>
Überflu&#x017F;&#x017F;es. Ich ge&#x017F;tehe, daß ich &#x017F;chon im vor-<lb/>
aus gegen die zweite Ha&#x0364;lfte eingenommen und<lb/>
u&#x0364;berzeugt bin, daß &#x017F;ie mir weniger, als die&#x017F;e<lb/>
er&#x017F;te gefallen wird, weil ihr wahr&#x017F;cheinlich die<lb/>
Gelindigkeit mangelt, mit welcher die&#x017F;e behan-<lb/>
delt i&#x017F;t.</p><lb/>
                <p>Sie &#x017F;ind &#x017F;trenge, &#x017F;agte Friedrich, und ich<lb/>
werde von die&#x017F;en Worten um &#x017F;o mehr getroffen,<lb/>
weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht,<lb/>
das ich Ihnen morgen mittheilen &#x017F;oll, u&#x0364;ber&#x017F;ehe,<lb/>
&#x017F;o erkenne ich mich &#x017F;elb&#x017F;t, nach meinen jetzigen<lb/>
Gefu&#x0364;hlen, in meiner damaligen Stimmung nicht<lb/>
wieder, und ich fu&#x0364;hle &#x017F;chon jetzt die Peinlichkeit<lb/>
die mich beim Vortrage a&#x0364;ng&#x017F;tigen wird. Das<lb/>
i&#x017F;t der &#x017F;onderbare Wech&#x017F;el des Lebens, daß uns<lb/>
das, was wir fu&#x0364;r un&#x017F;er Inneres, fu&#x0364;r das We&#x017F;en<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0233] Zweite Abtheilung. tragen, und das Band, welches ſich verknuͤpfend durch alle zieht, iſt nur ſchwach: die Unbeſtimmt- heit und Übereilung der Hauptperſon, und die Verlegenheiten, in welche dieſe ſich ſtuͤrzt. Mit der Erlaubniß der Herren, ſagte Clara, moͤchte ich anmerken, daß mir dies gerade vor- zuͤglich gefallen hat. Wir treten ſtets in eine neue Welt und Umgebung, die Einfalt des Hel- den iſt liebenswuͤrdig, ſeine Eitelkeit erniedrigt ihn nicht, und am Ende finden wir ihn als vornehmen und gebildeten Mann wieder. Sein Reichthum iſt der, der wahrhaft erfreulich iſt, ohne Rechnungen, Verwalter, Bankiers und Correſpondenz wird er fertig, und genießt ſeines Überfluſſes. Ich geſtehe, daß ich ſchon im vor- aus gegen die zweite Haͤlfte eingenommen und uͤberzeugt bin, daß ſie mir weniger, als dieſe erſte gefallen wird, weil ihr wahrſcheinlich die Gelindigkeit mangelt, mit welcher dieſe behan- delt iſt. Sie ſind ſtrenge, ſagte Friedrich, und ich werde von dieſen Worten um ſo mehr getroffen, weil Sie Recht haben. Wenn ich mein Gedicht, das ich Ihnen morgen mittheilen ſoll, uͤberſehe, ſo erkenne ich mich ſelbſt, nach meinen jetzigen Gefuͤhlen, in meiner damaligen Stimmung nicht wieder, und ich fuͤhle ſchon jetzt die Peinlichkeit die mich beim Vortrage aͤngſtigen wird. Das iſt der ſonderbare Wechſel des Lebens, daß uns das, was wir fuͤr unſer Inneres, fuͤr das Weſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/233
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/233>, abgerufen am 12.05.2024.