Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
tig aufnimmt, wie ängstigt es mich, daß ich
mich vor seiner Mutter noch verbergen muß.

Alles muß, alles wird sich finden, tröstete
Friedrich, sind wir uns doch unsers Herzens,
unserer Liebe und der Wahrheit bewußt. Man-
fred wird das übrige ordnen. Das sey unser
Gedanke, das wir uns gehören, daß einer im an-
dern lebt, das übrige liegt uns so weit ab, wie
ferne Welttheile, und könnte nur, wenn wir es
zu nahe rückten, unsre Liebe stören und unsre
Herzen erkälten.

Sie standen vor dem Eingang des Hauses.
Sey mir gegrüßt! sagte er, indem er die
Schüchterne umarmte. Er führte sie schwei-
gend über den langen Gang, der die verschiede-
nen Theile des Hauses verknüpfte, er schloß die
entlegenen Zimmer auf, die Manfred schon heim-
lich eingerichtet hatte, er zündete Licht an, und
indem sich Adelheid, die er lächelnd und entzückt
beleuchtete, in den Sopha niederließ, hörte er
die Wagen vorfahren. Er eilte hinab, nahm
Manfred beiseit in eine Laube des Gartens, und
erzählte ihm kurz seine und Adelheids sonder-
bare und ängstliche Lage. So kommt alles im
Leben, sagte Manfred, besonders unser Glück,
immer anders, als wir es uns vorgebildet ha-
ben; laß mich gewähren und quäle Dich nicht
mehr, als nöthig ist; mache Dich zur Gesell-
schaft, und sey so wenig verstört, als Du irgend
kannst, so daß die andern Weiber Dir nichts an-
Zweite Abtheilung.
tig aufnimmt, wie aͤngſtigt es mich, daß ich
mich vor ſeiner Mutter noch verbergen muß.

Alles muß, alles wird ſich finden, troͤſtete
Friedrich, ſind wir uns doch unſers Herzens,
unſerer Liebe und der Wahrheit bewußt. Man-
fred wird das uͤbrige ordnen. Das ſey unſer
Gedanke, das wir uns gehoͤren, daß einer im an-
dern lebt, das uͤbrige liegt uns ſo weit ab, wie
ferne Welttheile, und koͤnnte nur, wenn wir es
zu nahe ruͤckten, unſre Liebe ſtoͤren und unſre
Herzen erkaͤlten.

Sie ſtanden vor dem Eingang des Hauſes.
Sey mir gegruͤßt! ſagte er, indem er die
Schuͤchterne umarmte. Er fuͤhrte ſie ſchwei-
gend uͤber den langen Gang, der die verſchiede-
nen Theile des Hauſes verknuͤpfte, er ſchloß die
entlegenen Zimmer auf, die Manfred ſchon heim-
lich eingerichtet hatte, er zuͤndete Licht an, und
indem ſich Adelheid, die er laͤchelnd und entzuͤckt
beleuchtete, in den Sopha niederließ, hoͤrte er
die Wagen vorfahren. Er eilte hinab, nahm
Manfred beiſeit in eine Laube des Gartens, und
erzaͤhlte ihm kurz ſeine und Adelheids ſonder-
bare und aͤngſtliche Lage. So kommt alles im
Leben, ſagte Manfred, beſonders unſer Gluͤck,
immer anders, als wir es uns vorgebildet ha-
ben; laß mich gewaͤhren und quaͤle Dich nicht
mehr, als noͤthig iſt; mache Dich zur Geſell-
ſchaft, und ſey ſo wenig verſtoͤrt, als Du irgend
kannſt, ſo daß die andern Weiber Dir nichts an-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#VAL">
                <p><pb facs="#f0247" n="237"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
tig aufnimmt, wie a&#x0364;ng&#x017F;tigt es mich, daß ich<lb/>
mich vor &#x017F;einer Mutter noch verbergen muß.</p><lb/>
                <p>Alles muß, alles wird &#x017F;ich finden, tro&#x0364;&#x017F;tete<lb/>
Friedrich, &#x017F;ind wir uns doch un&#x017F;ers Herzens,<lb/>
un&#x017F;erer Liebe und der Wahrheit bewußt. Man-<lb/>
fred wird das u&#x0364;brige ordnen. Das &#x017F;ey un&#x017F;er<lb/>
Gedanke, das wir uns geho&#x0364;ren, daß einer im an-<lb/>
dern lebt, das u&#x0364;brige liegt uns &#x017F;o weit ab, wie<lb/>
ferne Welttheile, und ko&#x0364;nnte nur, wenn wir es<lb/>
zu nahe ru&#x0364;ckten, un&#x017F;re Liebe &#x017F;to&#x0364;ren und un&#x017F;re<lb/>
Herzen erka&#x0364;lten.</p><lb/>
                <p>Sie &#x017F;tanden vor dem Eingang des Hau&#x017F;es.<lb/>
Sey mir gegru&#x0364;ßt! &#x017F;agte er, indem er die<lb/>
Schu&#x0364;chterne umarmte. Er fu&#x0364;hrte &#x017F;ie &#x017F;chwei-<lb/>
gend u&#x0364;ber den langen Gang, der die ver&#x017F;chiede-<lb/>
nen Theile des Hau&#x017F;es verknu&#x0364;pfte, er &#x017F;chloß die<lb/>
entlegenen Zimmer auf, die Manfred &#x017F;chon heim-<lb/>
lich eingerichtet hatte, er zu&#x0364;ndete Licht an, und<lb/>
indem &#x017F;ich Adelheid, die er la&#x0364;chelnd und entzu&#x0364;ckt<lb/>
beleuchtete, in den Sopha niederließ, ho&#x0364;rte er<lb/>
die Wagen vorfahren. Er eilte hinab, nahm<lb/>
Manfred bei&#x017F;eit in eine Laube des Gartens, und<lb/>
erza&#x0364;hlte ihm kurz &#x017F;eine und Adelheids &#x017F;onder-<lb/>
bare und a&#x0364;ng&#x017F;tliche Lage. So kommt alles im<lb/>
Leben, &#x017F;agte Manfred, be&#x017F;onders un&#x017F;er Glu&#x0364;ck,<lb/>
immer anders, als wir es uns vorgebildet ha-<lb/>
ben; laß mich gewa&#x0364;hren und qua&#x0364;le Dich nicht<lb/>
mehr, als no&#x0364;thig i&#x017F;t; mache Dich zur Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft, und &#x017F;ey &#x017F;o wenig ver&#x017F;to&#x0364;rt, als Du irgend<lb/>
kann&#x017F;t, &#x017F;o daß die andern Weiber Dir nichts an-<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[237/0247] Zweite Abtheilung. tig aufnimmt, wie aͤngſtigt es mich, daß ich mich vor ſeiner Mutter noch verbergen muß. Alles muß, alles wird ſich finden, troͤſtete Friedrich, ſind wir uns doch unſers Herzens, unſerer Liebe und der Wahrheit bewußt. Man- fred wird das uͤbrige ordnen. Das ſey unſer Gedanke, das wir uns gehoͤren, daß einer im an- dern lebt, das uͤbrige liegt uns ſo weit ab, wie ferne Welttheile, und koͤnnte nur, wenn wir es zu nahe ruͤckten, unſre Liebe ſtoͤren und unſre Herzen erkaͤlten. Sie ſtanden vor dem Eingang des Hauſes. Sey mir gegruͤßt! ſagte er, indem er die Schuͤchterne umarmte. Er fuͤhrte ſie ſchwei- gend uͤber den langen Gang, der die verſchiede- nen Theile des Hauſes verknuͤpfte, er ſchloß die entlegenen Zimmer auf, die Manfred ſchon heim- lich eingerichtet hatte, er zuͤndete Licht an, und indem ſich Adelheid, die er laͤchelnd und entzuͤckt beleuchtete, in den Sopha niederließ, hoͤrte er die Wagen vorfahren. Er eilte hinab, nahm Manfred beiſeit in eine Laube des Gartens, und erzaͤhlte ihm kurz ſeine und Adelheids ſonder- bare und aͤngſtliche Lage. So kommt alles im Leben, ſagte Manfred, beſonders unſer Gluͤck, immer anders, als wir es uns vorgebildet ha- ben; laß mich gewaͤhren und quaͤle Dich nicht mehr, als noͤthig iſt; mache Dich zur Geſell- ſchaft, und ſey ſo wenig verſtoͤrt, als Du irgend kannſt, ſo daß die andern Weiber Dir nichts an-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/247
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/247>, abgerufen am 18.12.2024.