Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite
Zweite Abtheilung.
merken, denn die liebe Clara werde ich gleich
zur Vertrauten Deines Engels machen, die
kann ihn ohne Zweifel am besten beruhigen.

Er sprang fort und rief Clara zu sich, beide
gingen vorsichtig zu Adelheid, um ihr willkom-
men zu sagen und ihre Bedienung einzurichten.
Die übrigen Freunde hatten sich indeß schon um
den Tisch gesetzt, und Friedrich mußte sich zur
Geduld zwingen, um in seine wunderbaren
Träume, und in das Märchen hinein, in welches
sich sein Leben plötzlich verwandelt hatte, vom
Theater, von der Fahrt, von den Schauspielern
und dem Stücke sich erzählen zu lassen.

Sie haben gut gethan, sagte Emilie, daß
Sie hier geblieben sind, denn die getäuschte Er-
wartung war wohl eigentlich der Spaß bei der
Sache, und unser Lothar soll mich nicht zum
zweitenmal so um einen Nachmittag und Abend
betrügen.

Betrügen, nennen Sie es, fing Lothar an,
wenn ich Ihnen Gelegenheit gebe, ein uraltes,
lustiges und seltsames Schauspiel kennen zu ler-
nen, welches Sie jetzt weder in großen noch
kleinen Städten, weder im Süden noch Nor-
den jemals sehn können? Denn, gestehn Sie es
doch nur, daß es nichts Langweiligeres und
Trübseligeres giebt, als zwischen den Alpen Ti-
rols und am Ufer der Nordsee, in den Weinge-
birgen des Rheins und dem Märkischen Sande,
im breiten schwäbischen und gespitzten westphäli-
Zweite Abtheilung.
merken, denn die liebe Clara werde ich gleich
zur Vertrauten Deines Engels machen, die
kann ihn ohne Zweifel am beſten beruhigen.

Er ſprang fort und rief Clara zu ſich, beide
gingen vorſichtig zu Adelheid, um ihr willkom-
men zu ſagen und ihre Bedienung einzurichten.
Die uͤbrigen Freunde hatten ſich indeß ſchon um
den Tiſch geſetzt, und Friedrich mußte ſich zur
Geduld zwingen, um in ſeine wunderbaren
Traͤume, und in das Maͤrchen hinein, in welches
ſich ſein Leben ploͤtzlich verwandelt hatte, vom
Theater, von der Fahrt, von den Schauſpielern
und dem Stuͤcke ſich erzaͤhlen zu laſſen.

Sie haben gut gethan, ſagte Emilie, daß
Sie hier geblieben ſind, denn die getaͤuſchte Er-
wartung war wohl eigentlich der Spaß bei der
Sache, und unſer Lothar ſoll mich nicht zum
zweitenmal ſo um einen Nachmittag und Abend
betruͤgen.

Betruͤgen, nennen Sie es, fing Lothar an,
wenn ich Ihnen Gelegenheit gebe, ein uraltes,
luſtiges und ſeltſames Schauſpiel kennen zu ler-
nen, welches Sie jetzt weder in großen noch
kleinen Staͤdten, weder im Suͤden noch Nor-
den jemals ſehn koͤnnen? Denn, geſtehn Sie es
doch nur, daß es nichts Langweiligeres und
Truͤbſeligeres giebt, als zwiſchen den Alpen Ti-
rols und am Ufer der Nordſee, in den Weinge-
birgen des Rheins und dem Maͤrkiſchen Sande,
im breiten ſchwaͤbiſchen und geſpitzten weſtphaͤli-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <sp who="#VAL">
                <p><pb facs="#f0248" n="238"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
merken, denn die liebe Clara werde ich gleich<lb/>
zur Vertrauten Deines Engels machen, die<lb/>
kann ihn ohne Zweifel am be&#x017F;ten beruhigen.</p><lb/>
                <p>Er &#x017F;prang fort und rief Clara zu &#x017F;ich, beide<lb/>
gingen vor&#x017F;ichtig zu Adelheid, um ihr willkom-<lb/>
men zu &#x017F;agen und ihre Bedienung einzurichten.<lb/>
Die u&#x0364;brigen Freunde hatten &#x017F;ich indeß &#x017F;chon um<lb/>
den Ti&#x017F;ch ge&#x017F;etzt, und Friedrich mußte &#x017F;ich zur<lb/>
Geduld zwingen, um in &#x017F;eine wunderbaren<lb/>
Tra&#x0364;ume, und in das Ma&#x0364;rchen hinein, in welches<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;ein Leben plo&#x0364;tzlich verwandelt hatte, vom<lb/>
Theater, von der Fahrt, von den Schau&#x017F;pielern<lb/>
und dem Stu&#x0364;cke &#x017F;ich erza&#x0364;hlen zu la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
                <p>Sie haben gut gethan, &#x017F;agte Emilie, daß<lb/>
Sie hier geblieben &#x017F;ind, denn die geta&#x0364;u&#x017F;chte Er-<lb/>
wartung war wohl eigentlich der Spaß bei der<lb/>
Sache, und un&#x017F;er Lothar &#x017F;oll mich nicht zum<lb/>
zweitenmal &#x017F;o um einen Nachmittag und Abend<lb/>
betru&#x0364;gen.</p><lb/>
                <p>Betru&#x0364;gen, nennen Sie es, fing Lothar an,<lb/>
wenn ich Ihnen Gelegenheit gebe, ein uraltes,<lb/>
lu&#x017F;tiges und &#x017F;elt&#x017F;ames Schau&#x017F;piel kennen zu ler-<lb/>
nen, welches Sie jetzt weder in großen noch<lb/>
kleinen Sta&#x0364;dten, weder im Su&#x0364;den noch Nor-<lb/>
den jemals &#x017F;ehn ko&#x0364;nnen? Denn, ge&#x017F;tehn Sie es<lb/>
doch nur, daß es nichts Langweiligeres und<lb/>
Tru&#x0364;b&#x017F;eligeres giebt, als zwi&#x017F;chen den Alpen Ti-<lb/>
rols und am Ufer der Nord&#x017F;ee, in den Weinge-<lb/>
birgen des Rheins und dem Ma&#x0364;rki&#x017F;chen Sande,<lb/>
im breiten &#x017F;chwa&#x0364;bi&#x017F;chen und ge&#x017F;pitzten we&#x017F;tpha&#x0364;li-<lb/></p>
              </sp>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0248] Zweite Abtheilung. merken, denn die liebe Clara werde ich gleich zur Vertrauten Deines Engels machen, die kann ihn ohne Zweifel am beſten beruhigen. Er ſprang fort und rief Clara zu ſich, beide gingen vorſichtig zu Adelheid, um ihr willkom- men zu ſagen und ihre Bedienung einzurichten. Die uͤbrigen Freunde hatten ſich indeß ſchon um den Tiſch geſetzt, und Friedrich mußte ſich zur Geduld zwingen, um in ſeine wunderbaren Traͤume, und in das Maͤrchen hinein, in welches ſich ſein Leben ploͤtzlich verwandelt hatte, vom Theater, von der Fahrt, von den Schauſpielern und dem Stuͤcke ſich erzaͤhlen zu laſſen. Sie haben gut gethan, ſagte Emilie, daß Sie hier geblieben ſind, denn die getaͤuſchte Er- wartung war wohl eigentlich der Spaß bei der Sache, und unſer Lothar ſoll mich nicht zum zweitenmal ſo um einen Nachmittag und Abend betruͤgen. Betruͤgen, nennen Sie es, fing Lothar an, wenn ich Ihnen Gelegenheit gebe, ein uraltes, luſtiges und ſeltſames Schauſpiel kennen zu ler- nen, welches Sie jetzt weder in großen noch kleinen Staͤdten, weder im Suͤden noch Nor- den jemals ſehn koͤnnen? Denn, geſtehn Sie es doch nur, daß es nichts Langweiligeres und Truͤbſeligeres giebt, als zwiſchen den Alpen Ti- rols und am Ufer der Nordſee, in den Weinge- birgen des Rheins und dem Maͤrkiſchen Sande, im breiten ſchwaͤbiſchen und geſpitzten weſtphaͤli-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/248
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/248>, abgerufen am 21.11.2024.