Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. ist nun einmal seit uralten Zeiten der Lauf derWelt. Trinkt ein Glas Wein, seyd wohlgemuth, er läßt euch ein tüchtiges Vermögen zurück, der alte Goldfink, euer Leben muß noch erst angehn. Ampedo. Laß mich traurig seyn, guter Mensch, es thut mir besser. Daniel. Wenns euch kommoder ist, in Got- tes Namen, heult und greint, bis euch die Augen aus dem Kopfe fallen, mir kanns recht seyn, mich kostets nichts. Andalosia kömmt mit Dienern. Ampedo. (singt.) Feinsliebchen rief: ich küß' dich nicht, Du hast noch keinen Bart! Der Jüngling sprach: mein Schatz, mein Licht, Das ist so meine Art, Die Jugend ist so lieb, Das Alter ist ein Dieb, Wächst erst Vernunft und Bart so dicht, Mag ich dich nicht, mag ich dich nicht. Da, Caspar, trag' den Falken fort, das Vieh hat sich heut elend aufgeführt, er ist gar nicht mehr, was er war, und wird mit jedem Tage schlechter, bald gut genug, ihn der Katze zum Fressen vorzu- werfen. (Diener ab.) Daniel. Da seht nur den Junker, der ist von ganz anderem Faden gedreht, wie ihr, der reinste, feinste Flachs, so rund und drall, und ihr seyd nur aus Werg, aus dem Abgang gesponnen. -- Ists aber Recht, junger Herr Andalosia, so zu schreien und zu singen, nichts als Falken und Pferde im Kopfe zu haben, wenn der alte Herr Zweite Abtheilung. iſt nun einmal ſeit uralten Zeiten der Lauf derWelt. Trinkt ein Glas Wein, ſeyd wohlgemuth, er laͤßt euch ein tuͤchtiges Vermoͤgen zuruͤck, der alte Goldfink, euer Leben muß noch erſt angehn. Ampedo. Laß mich traurig ſeyn, guter Menſch, es thut mir beſſer. Daniel. Wenns euch kommoder iſt, in Got- tes Namen, heult und greint, bis euch die Augen aus dem Kopfe fallen, mir kanns recht ſeyn, mich koſtets nichts. Andaloſia koͤmmt mit Dienern. Ampedo. (ſingt.) Feinsliebchen rief: ich kuͤß' dich nicht, Du haſt noch keinen Bart! Der Juͤngling ſprach: mein Schatz, mein Licht, Das iſt ſo meine Art, Die Jugend iſt ſo lieb, Das Alter iſt ein Dieb, Waͤchſt erſt Vernunft und Bart ſo dicht, Mag ich dich nicht, mag ich dich nicht. Da, Caspar, trag' den Falken fort, das Vieh hat ſich heut elend aufgefuͤhrt, er iſt gar nicht mehr, was er war, und wird mit jedem Tage ſchlechter, bald gut genug, ihn der Katze zum Freſſen vorzu- werfen. (Diener ab.) Daniel. Da ſeht nur den Junker, der iſt von ganz anderem Faden gedreht, wie ihr, der reinſte, feinſte Flachs, ſo rund und drall, und ihr ſeyd nur aus Werg, aus dem Abgang geſponnen. — Iſts aber Recht, junger Herr Andaloſia, ſo zu ſchreien und zu ſingen, nichts als Falken und Pferde im Kopfe zu haben, wenn der alte Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Daniel"> <p><pb facs="#f0280" n="270"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> iſt nun einmal ſeit uralten Zeiten der Lauf der<lb/> Welt. Trinkt ein Glas Wein, ſeyd wohlgemuth,<lb/> er laͤßt euch ein tuͤchtiges Vermoͤgen zuruͤck, der<lb/> alte Goldfink, euer Leben muß noch erſt angehn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Ampedo"> <speaker><hi rendition="#g">Ampedo</hi>.</speaker> <p>Laß mich traurig ſeyn, guter<lb/> Menſch, es thut mir beſſer.</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Wenns euch kommoder iſt, in Got-<lb/> tes Namen, heult und greint, bis euch die Augen<lb/> aus dem Kopfe fallen, mir kanns recht ſeyn, mich<lb/> koſtets nichts.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Andaloſia</hi> koͤmmt mit Dienern.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#Ampedo"> <speaker><hi rendition="#g">Ampedo</hi>.</speaker> <stage>(ſingt.)</stage><lb/> <lg type="poem"> <l>Feinsliebchen rief: ich kuͤß' dich nicht,</l><lb/> <l>Du haſt noch keinen Bart!</l><lb/> <l>Der Juͤngling ſprach: mein Schatz, mein Licht,</l><lb/> <l>Das iſt ſo meine Art,</l><lb/> <l>Die Jugend iſt ſo lieb,</l><lb/> <l>Das Alter iſt ein Dieb,</l><lb/> <l>Waͤchſt erſt Vernunft und Bart ſo dicht,</l><lb/> <l>Mag ich dich nicht, mag ich dich nicht.</l> </lg><lb/> <p>Da, Caspar, trag' den Falken fort, das Vieh hat<lb/> ſich heut elend aufgefuͤhrt, er iſt gar nicht mehr,<lb/> was er war, und wird mit jedem Tage ſchlechter,<lb/> bald gut genug, ihn der Katze zum Freſſen vorzu-<lb/> werfen.</p> <stage>(Diener ab.)</stage> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Da ſeht nur den Junker, der iſt<lb/> von ganz anderem Faden gedreht, wie ihr, der<lb/> reinſte, feinſte Flachs, ſo rund und drall, und ihr<lb/> ſeyd nur aus Werg, aus dem Abgang geſponnen. —<lb/> Iſts aber Recht, junger Herr Andaloſia, ſo zu<lb/> ſchreien und zu ſingen, nichts als Falken und<lb/> Pferde im Kopfe zu haben, wenn der alte Herr<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [270/0280]
Zweite Abtheilung.
iſt nun einmal ſeit uralten Zeiten der Lauf der
Welt. Trinkt ein Glas Wein, ſeyd wohlgemuth,
er laͤßt euch ein tuͤchtiges Vermoͤgen zuruͤck, der
alte Goldfink, euer Leben muß noch erſt angehn.
Ampedo. Laß mich traurig ſeyn, guter
Menſch, es thut mir beſſer.
Daniel. Wenns euch kommoder iſt, in Got-
tes Namen, heult und greint, bis euch die Augen
aus dem Kopfe fallen, mir kanns recht ſeyn, mich
koſtets nichts.
Andaloſia koͤmmt mit Dienern.
Ampedo. (ſingt.)
Feinsliebchen rief: ich kuͤß' dich nicht,
Du haſt noch keinen Bart!
Der Juͤngling ſprach: mein Schatz, mein Licht,
Das iſt ſo meine Art,
Die Jugend iſt ſo lieb,
Das Alter iſt ein Dieb,
Waͤchſt erſt Vernunft und Bart ſo dicht,
Mag ich dich nicht, mag ich dich nicht.
Da, Caspar, trag' den Falken fort, das Vieh hat
ſich heut elend aufgefuͤhrt, er iſt gar nicht mehr,
was er war, und wird mit jedem Tage ſchlechter,
bald gut genug, ihn der Katze zum Freſſen vorzu-
werfen. (Diener ab.)
Daniel. Da ſeht nur den Junker, der iſt
von ganz anderem Faden gedreht, wie ihr, der
reinſte, feinſte Flachs, ſo rund und drall, und ihr
ſeyd nur aus Werg, aus dem Abgang geſponnen. —
Iſts aber Recht, junger Herr Andaloſia, ſo zu
ſchreien und zu ſingen, nichts als Falken und
Pferde im Kopfe zu haben, wenn der alte Herr
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