Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. Fremde Länder mag ich nicht sehn, hier bin ichbekannt, alles Unbekannte macht mir Angst: ich könnte auch die Art, das Wort, die Kunst vergessen, mich zurück zu wünschen, und so säß' ich da drau- ßen, wo der Pfeffer wächst, und keiner wüßte, wo ich geblieben wäre. Kann dem alten Hut nicht einmal die Kraft verloren gehn? Sieh nur selbst, wie er schon abgegriffen ist. Soll der Mensch auf Filz seine ganze Wohlfahrt bauen? Ich glaube immer, unser Vater hat auf seinen tausend Reisen dem Wünschhut seinen besten Nervensaft schon ab- gezapft. Andalosia. Sey kein Thor, lieber Ampedo -- Ampedo. Quäle, mich nur nicht mehr, da hast Du den Säckel. Das war von Kindheit auf deine Art, alles durchzusetzen. Aber mir ahndet, daß es uns beide gereuen wird. Andalosia. Laß Dich, mein zärtlichster Freund, für Deine Willfährigkeit umarmen. Ich habe schon so viel für Dich gemünzt, daß mir die Finger noch weh thun, Du hast an Geld für viele Jahre den größten Ueberfluß. Ampedo. Der Säckel hats gefühlt, daß wir ihn beschäftigt haben, schau, er sieht ganz mager, blaß und schwindsüchtig aus, und selbst Gemsenleder, wovon er gemacht zu seyn scheint, muß es empfinden, wenn man ihm so oft aufs Fell greift; der mag auch vielleicht in eine Ner- venschwäche versinken, daß er nachher nur noch Kupferdreier in seinen Eingeweiden hervorbrin- gen kann. Andalosia. Sey unbesorgt, mein Bruder, und lebe wohl. Zweite Abtheilung. Fremde Laͤnder mag ich nicht ſehn, hier bin ichbekannt, alles Unbekannte macht mir Angſt: ich koͤnnte auch die Art, das Wort, die Kunſt vergeſſen, mich zuruͤck zu wuͤnſchen, und ſo ſaͤß' ich da drau- ßen, wo der Pfeffer waͤchſt, und keiner wuͤßte, wo ich geblieben waͤre. Kann dem alten Hut nicht einmal die Kraft verloren gehn? Sieh nur ſelbſt, wie er ſchon abgegriffen iſt. Soll der Menſch auf Filz ſeine ganze Wohlfahrt bauen? Ich glaube immer, unſer Vater hat auf ſeinen tauſend Reiſen dem Wuͤnſchhut ſeinen beſten Nervenſaft ſchon ab- gezapft. Andaloſia. Sey kein Thor, lieber Ampedo — Ampedo. Quaͤle, mich nur nicht mehr, da haſt Du den Saͤckel. Das war von Kindheit auf deine Art, alles durchzuſetzen. Aber mir ahndet, daß es uns beide gereuen wird. Andaloſia. Laß Dich, mein zaͤrtlichſter Freund, fuͤr Deine Willfaͤhrigkeit umarmen. Ich habe ſchon ſo viel fuͤr Dich gemuͤnzt, daß mir die Finger noch weh thun, Du haſt an Geld fuͤr viele Jahre den groͤßten Ueberfluß. Ampedo. Der Saͤckel hats gefuͤhlt, daß wir ihn beſchaͤftigt haben, ſchau, er ſieht ganz mager, blaß und ſchwindſuͤchtig aus, und ſelbſt Gemſenleder, wovon er gemacht zu ſeyn ſcheint, muß es empfinden, wenn man ihm ſo oft aufs Fell greift; der mag auch vielleicht in eine Ner- venſchwaͤche verſinken, daß er nachher nur noch Kupferdreier in ſeinen Eingeweiden hervorbrin- gen kann. Andaloſia. Sey unbeſorgt, mein Bruder, und lebe wohl. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Ampedo"> <p><pb facs="#f0294" n="284"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> Fremde Laͤnder mag ich nicht ſehn, hier bin ich<lb/> bekannt, alles Unbekannte macht mir Angſt: ich<lb/> koͤnnte auch die Art, das Wort, die Kunſt vergeſſen,<lb/> mich zuruͤck zu wuͤnſchen, und ſo ſaͤß' ich da drau-<lb/> ßen, wo der Pfeffer waͤchſt, und keiner wuͤßte, wo<lb/> ich geblieben waͤre. Kann dem alten Hut nicht<lb/> einmal die Kraft verloren gehn? Sieh nur ſelbſt,<lb/> wie er ſchon abgegriffen iſt. Soll der Menſch auf<lb/> Filz ſeine ganze Wohlfahrt bauen? 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Zweite Abtheilung.
Fremde Laͤnder mag ich nicht ſehn, hier bin ich
bekannt, alles Unbekannte macht mir Angſt: ich
koͤnnte auch die Art, das Wort, die Kunſt vergeſſen,
mich zuruͤck zu wuͤnſchen, und ſo ſaͤß' ich da drau-
ßen, wo der Pfeffer waͤchſt, und keiner wuͤßte, wo
ich geblieben waͤre. Kann dem alten Hut nicht
einmal die Kraft verloren gehn? Sieh nur ſelbſt,
wie er ſchon abgegriffen iſt. Soll der Menſch auf
Filz ſeine ganze Wohlfahrt bauen? Ich glaube
immer, unſer Vater hat auf ſeinen tauſend Reiſen
dem Wuͤnſchhut ſeinen beſten Nervenſaft ſchon ab-
gezapft.
Andaloſia. Sey kein Thor, lieber Ampedo —
Ampedo. Quaͤle, mich nur nicht mehr, da
haſt Du den Saͤckel. Das war von Kindheit auf
deine Art, alles durchzuſetzen. Aber mir ahndet,
daß es uns beide gereuen wird.
Andaloſia. Laß Dich, mein zaͤrtlichſter
Freund, fuͤr Deine Willfaͤhrigkeit umarmen. Ich
habe ſchon ſo viel fuͤr Dich gemuͤnzt, daß mir die
Finger noch weh thun, Du haſt an Geld fuͤr viele
Jahre den groͤßten Ueberfluß.
Ampedo. Der Saͤckel hats gefuͤhlt, daß
wir ihn beſchaͤftigt haben, ſchau, er ſieht ganz
mager, blaß und ſchwindſuͤchtig aus, und ſelbſt
Gemſenleder, wovon er gemacht zu ſeyn ſcheint,
muß es empfinden, wenn man ihm ſo oft aufs
Fell greift; der mag auch vielleicht in eine Ner-
venſchwaͤche verſinken, daß er nachher nur noch
Kupferdreier in ſeinen Eingeweiden hervorbrin-
gen kann.
Andaloſia. Sey unbeſorgt, mein Bruder,
und lebe wohl.
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