Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Felix. Da stehn wir, als wären wir blind mit dem Kopfe gegen eine Mauer gerannt. Antonio. Und gar keinen Trost giebt es? Wenn er auch nur so klein wäre, daß sich eine Mücke darin baden und erquicken könnte, es wäre doch etwas. Felix. Komm, der alte Balthasar muß Dich auch mitnehmen nach Cypern, wie mich, und die Zehrung auslegen. Antonio. Ja, das muß er, und wenn ich ihm zu Füßen fallen sollte. Aber unsre Alten, die werden Gesichter schneiden, wenn sie uns so an- kommen sehn! Felix. Wenn nur der erste Empfang schon vorüber wäre! Gewiß werden sie wieder die Schuld auf den Fortunat schieben. Lebe wohl, lieber Bru- der, Gott gebe, daß wir uns einmal fröhlicher wieder sehn. Antonio. Gehab Dich wohl, unser Jammer verträgt nicht viele Worte. (sie gehn ab.) Fortunat. Sie können leichter gehn, sie finden Freunde, Verwandte, Eltern, ihre Heimath wieder; Nur Furcht ist ihre Noth, es hängt ihr Herz An nichts und reißt darum so leicht sich los. Doch ich? Die undankbare Creatur! Ich kann Sie nicht, die Schönheit nicht vergessen. Es ist nicht möglich, daß so ganz verhärtet, So ohne Mitleid, sanfte Regung, Liebe, Ihr Herz versteinert wäre. -- Betty! Betty! Fortunat. Felix. Da ſtehn wir, als waͤren wir blind mit dem Kopfe gegen eine Mauer gerannt. Antonio. Und gar keinen Troſt giebt es? Wenn er auch nur ſo klein waͤre, daß ſich eine Muͤcke darin baden und erquicken koͤnnte, es waͤre doch etwas. Felix. Komm, der alte Balthaſar muß Dich auch mitnehmen nach Cypern, wie mich, und die Zehrung auslegen. Antonio. Ja, das muß er, und wenn ich ihm zu Fuͤßen fallen ſollte. Aber unſre Alten, die werden Geſichter ſchneiden, wenn ſie uns ſo an- kommen ſehn! Felix. Wenn nur der erſte Empfang ſchon voruͤber waͤre! Gewiß werden ſie wieder die Schuld auf den Fortunat ſchieben. Lebe wohl, lieber Bru- der, Gott gebe, daß wir uns einmal froͤhlicher wieder ſehn. Antonio. Gehab Dich wohl, unſer Jammer vertraͤgt nicht viele Worte. (ſie gehn ab.) Fortunat. Sie koͤnnen leichter gehn, ſie finden Freunde, Verwandte, Eltern, ihre Heimath wieder; Nur Furcht iſt ihre Noth, es haͤngt ihr Herz An nichts und reißt darum ſo leicht ſich los. Doch ich? Die undankbare Creatur! Ich kann Sie nicht, die Schoͤnheit nicht vergeſſen. Es iſt nicht moͤglich, daß ſo ganz verhaͤrtet, So ohne Mitleid, ſanfte Regung, Liebe, Ihr Herz verſteinert waͤre. — Betty! Betty! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0089" n="79"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/> <sp who="#FELIX"> <speaker><hi rendition="#g">Felix</hi>.</speaker> <p>Da ſtehn wir, als waͤren wir blind<lb/> mit dem Kopfe gegen eine Mauer gerannt.</p> </sp><lb/> <sp who="#Antonio"> <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker> <p>Und gar keinen Troſt giebt es?<lb/> Wenn er auch nur ſo klein waͤre, daß ſich eine<lb/> Muͤcke darin baden und erquicken koͤnnte, es waͤre<lb/> doch etwas.</p> </sp><lb/> <sp who="#FELIX"> <speaker><hi rendition="#g">Felix</hi>.</speaker> <p>Komm, der alte Balthaſar muß Dich<lb/> auch mitnehmen nach Cypern, wie mich, und die<lb/> Zehrung auslegen.</p> </sp><lb/> <sp who="#Antonio"> <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker> <p>Ja, das muß er, und wenn ich<lb/> ihm zu Fuͤßen fallen ſollte. Aber unſre Alten, die<lb/> werden Geſichter ſchneiden, wenn ſie uns ſo an-<lb/> kommen ſehn!</p> </sp><lb/> <sp who="#FELIX"> <speaker><hi rendition="#g">Felix</hi>.</speaker> <p>Wenn nur der erſte Empfang ſchon<lb/> voruͤber waͤre! Gewiß werden ſie wieder die Schuld<lb/> auf den Fortunat ſchieben. Lebe wohl, lieber Bru-<lb/> der, Gott gebe, daß wir uns einmal froͤhlicher<lb/> wieder ſehn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Antonio"> <speaker><hi rendition="#g">Antonio</hi>.</speaker> <p>Gehab Dich wohl, unſer Jammer<lb/> vertraͤgt nicht viele Worte.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#et">(ſie gehn ab.)</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#FORT"> <speaker><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie koͤnnen leichter gehn, ſie finden Freunde,<lb/> Verwandte, Eltern, ihre Heimath wieder;<lb/> Nur Furcht iſt ihre Noth, es haͤngt ihr Herz<lb/> An nichts und reißt darum ſo leicht ſich los.<lb/> Doch ich? Die undankbare Creatur! Ich kann<lb/> Sie nicht, die Schoͤnheit nicht vergeſſen.<lb/> Es iſt nicht moͤglich, daß ſo ganz verhaͤrtet,<lb/> So ohne Mitleid, ſanfte Regung, Liebe,<lb/> Ihr Herz verſteinert waͤre. — Betty! Betty!<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0089]
Fortunat.
Felix. Da ſtehn wir, als waͤren wir blind
mit dem Kopfe gegen eine Mauer gerannt.
Antonio. Und gar keinen Troſt giebt es?
Wenn er auch nur ſo klein waͤre, daß ſich eine
Muͤcke darin baden und erquicken koͤnnte, es waͤre
doch etwas.
Felix. Komm, der alte Balthaſar muß Dich
auch mitnehmen nach Cypern, wie mich, und die
Zehrung auslegen.
Antonio. Ja, das muß er, und wenn ich
ihm zu Fuͤßen fallen ſollte. Aber unſre Alten, die
werden Geſichter ſchneiden, wenn ſie uns ſo an-
kommen ſehn!
Felix. Wenn nur der erſte Empfang ſchon
voruͤber waͤre! Gewiß werden ſie wieder die Schuld
auf den Fortunat ſchieben. Lebe wohl, lieber Bru-
der, Gott gebe, daß wir uns einmal froͤhlicher
wieder ſehn.
Antonio. Gehab Dich wohl, unſer Jammer
vertraͤgt nicht viele Worte.
(ſie gehn ab.)
Fortunat.
Sie koͤnnen leichter gehn, ſie finden Freunde,
Verwandte, Eltern, ihre Heimath wieder;
Nur Furcht iſt ihre Noth, es haͤngt ihr Herz
An nichts und reißt darum ſo leicht ſich los.
Doch ich? Die undankbare Creatur! Ich kann
Sie nicht, die Schoͤnheit nicht vergeſſen.
Es iſt nicht moͤglich, daß ſo ganz verhaͤrtet,
So ohne Mitleid, ſanfte Regung, Liebe,
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