wird Eure Kräfte noch mehr niederschlagen, sie werden alle verschiedene Richtungen suchen, und alle diese Richtungen werden für Euch nicht genügend seyn. Nicht, als ob ich die großen Künstler Italiens nicht schätzte und liebte, aber man mag sagen was man will, so hat doch jedes Land seine eigene Kunst, und es ist gut, daß es sie hat. Ein Mei¬ ster tritt dann in die Fußstapfen des andern, und verbessert was bei ihm etwa noch man¬ gelhaft war; was dem ersten schwer war, wird dem zweiten und dritten leicht, und so wird die vaterländische Kunst endlich zur höchsten Vortreflichkeit hingeführt. Wir sind einmahl keine Italiäner, und ein Italiäner wird nimmermehr deutsch empfinden. Wenn ich Euch also rathen soll, so stellt lieber Eu¬ re Reise nach Italien ganz ein und bleibt im Vaterlande, denn was wollt Ihr dort? Meint Ihr, ihr werdet die Italischen Bilder
wird Eure Kräfte noch mehr niederſchlagen, ſie werden alle verſchiedene Richtungen ſuchen, und alle dieſe Richtungen werden für Euch nicht genügend ſeyn. Nicht, als ob ich die großen Künſtler Italiens nicht ſchätzte und liebte, aber man mag ſagen was man will, ſo hat doch jedes Land ſeine eigene Kunſt, und es iſt gut, daß es ſie hat. Ein Mei¬ ſter tritt dann in die Fußſtapfen des andern, und verbeſſert was bei ihm etwa noch man¬ gelhaft war; was dem erſten ſchwer war, wird dem zweiten und dritten leicht, und ſo wird die vaterländiſche Kunſt endlich zur höchſten Vortreflichkeit hingeführt. Wir ſind einmahl keine Italiäner, und ein Italiäner wird nimmermehr deutſch empfinden. Wenn ich Euch alſo rathen ſoll, ſo ſtellt lieber Eu¬ re Reiſe nach Italien ganz ein und bleibt im Vaterlande, denn was wollt Ihr dort? Meint Ihr, ihr werdet die Italiſchen Bilder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0202"n="191"/>
wird Eure Kräfte noch mehr niederſchlagen,<lb/>ſie werden alle verſchiedene Richtungen ſuchen,<lb/>
und alle dieſe Richtungen werden für Euch<lb/>
nicht genügend ſeyn. Nicht, als ob ich die<lb/>
großen Künſtler Italiens nicht ſchätzte und<lb/>
liebte, aber man mag ſagen was man will,<lb/>ſo hat doch jedes Land ſeine eigene Kunſt,<lb/>
und es iſt gut, daß es ſie hat. Ein Mei¬<lb/>ſter tritt dann in die Fußſtapfen des andern,<lb/>
und verbeſſert was bei ihm etwa noch man¬<lb/>
gelhaft war; was dem erſten ſchwer war,<lb/>
wird dem zweiten und dritten leicht, und ſo<lb/>
wird die vaterländiſche Kunſt endlich zur<lb/>
höchſten Vortreflichkeit hingeführt. Wir ſind<lb/>
einmahl keine Italiäner, und ein Italiäner<lb/>
wird nimmermehr deutſch empfinden. Wenn<lb/>
ich Euch alſo rathen ſoll, ſo ſtellt lieber Eu¬<lb/>
re Reiſe nach Italien ganz ein und bleibt<lb/>
im Vaterlande, denn was wollt Ihr dort?<lb/>
Meint Ihr, ihr werdet die Italiſchen Bilder<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[191/0202]
wird Eure Kräfte noch mehr niederſchlagen,
ſie werden alle verſchiedene Richtungen ſuchen,
und alle dieſe Richtungen werden für Euch
nicht genügend ſeyn. Nicht, als ob ich die
großen Künſtler Italiens nicht ſchätzte und
liebte, aber man mag ſagen was man will,
ſo hat doch jedes Land ſeine eigene Kunſt,
und es iſt gut, daß es ſie hat. Ein Mei¬
ſter tritt dann in die Fußſtapfen des andern,
und verbeſſert was bei ihm etwa noch man¬
gelhaft war; was dem erſten ſchwer war,
wird dem zweiten und dritten leicht, und ſo
wird die vaterländiſche Kunſt endlich zur
höchſten Vortreflichkeit hingeführt. Wir ſind
einmahl keine Italiäner, und ein Italiäner
wird nimmermehr deutſch empfinden. Wenn
ich Euch alſo rathen ſoll, ſo ſtellt lieber Eu¬
re Reiſe nach Italien ganz ein und bleibt
im Vaterlande, denn was wollt Ihr dort?
Meint Ihr, ihr werdet die Italiſchen Bilder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/202>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.