mit einem andern als einem deutschen Auge sehen können? so wie auch kein Italiäner die Kraft und Vortreflichkeit Eures Albert Dürer jemals erkennen wird; es sind wie¬ derstrebende Naturen die sich niemals in demselben Mittelpunkte vereinigen können. Wenn Ihr hingeht, so wird jedes neue Ge¬ mählde, jede neue Manier eine neue Lust in Euch erwecken, Ihr werdet in ewiger Ab¬ wechselung vielleicht arbeiten, aber Euch niemals üben, Ihr werdet kein Italiäner werden, und könnt doch kein Deutscher blei¬ ben, Ihr werdet zwischen beiden streben, und die Muthlosigkeit und Verzagtheit wird Euch am Ende nur noch viel stärker, als jetzt ergreifen. Ihr findet meinen Ausspruch vielleicht hart, aber Ihr seid mir werth, und darum wünsche ich Euer Bestes. Glau¬ be mir, jeder Künstler wird, was er werden kann, wenn er ruhig sich seinem eignen Gei¬
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mit einem andern als einem deutſchen Auge ſehen können? ſo wie auch kein Italiäner die Kraft und Vortreflichkeit Eures Albert Dürer jemals erkennen wird; es ſind wie¬ derſtrebende Naturen die ſich niemals in demſelben Mittelpunkte vereinigen können. Wenn Ihr hingeht, ſo wird jedes neue Ge¬ mählde, jede neue Manier eine neue Luſt in Euch erwecken, Ihr werdet in ewiger Ab¬ wechſelung vielleicht arbeiten, aber Euch niemals üben, Ihr werdet kein Italiäner werden, und könnt doch kein Deutſcher blei¬ ben, Ihr werdet zwiſchen beiden ſtreben, und die Muthloſigkeit und Verzagtheit wird Euch am Ende nur noch viel ſtärker, als jetzt ergreifen. Ihr findet meinen Ausſpruch vielleicht hart, aber Ihr ſeid mir werth, und darum wünſche ich Euer Beſtes. Glau¬ be mir, jeder Künſtler wird, was er werden kann, wenn er ruhig ſich ſeinem eignen Gei¬
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mit einem andern als einem deutſchen Auge
ſehen können? ſo wie auch kein Italiäner
die Kraft und Vortreflichkeit Eures Albert
Dürer jemals erkennen wird; es ſind wie¬
derſtrebende Naturen die ſich niemals in
demſelben Mittelpunkte vereinigen können.
Wenn Ihr hingeht, ſo wird jedes neue Ge¬
mählde, jede neue Manier eine neue Luſt
in Euch erwecken, Ihr werdet in ewiger Ab¬
wechſelung vielleicht arbeiten, aber Euch
niemals üben, Ihr werdet kein Italiäner
werden, und könnt doch kein Deutſcher blei¬
ben, Ihr werdet zwiſchen beiden ſtreben,
und die Muthloſigkeit und Verzagtheit wird
Euch am Ende nur noch viel ſtärker, als
jetzt ergreifen. Ihr findet meinen Ausſpruch
vielleicht hart, aber Ihr ſeid mir werth,
und darum wünſche ich Euer Beſtes. Glau¬
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/203>, abgerufen am 16.02.2025.
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