Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

sammen, als wenn er die Hand des Todes
faßte.

Soll ich dir die Wahrheit gestehn? fuhr
Franz fort, du glaubst nicht wie seltsam
mir gestern Abend zu Sinne war. Ich hat¬
te meinen Gedanken so oft die Pracht
Roms, den Glanz Italiens vorgemahlt, ich
konnte mich bei der Arbeit ganz darin ver¬
lieren, daß ich mir vorstellte, wie ich auf
unbekannten Fußsteigen, durch schattige
Wälder wanderte, und dann fremde Städ¬
te und niegesehene Menschen meinem Blik¬
ke begegneten; ach, die bunte, ewigwechseln¬
de Welt mit ihren noch unbekannten Bege¬
benheiten, die Künstler, die ich sehn würde,
das hohe gelobte Land der Römer, wo einst
die Helden würklich und wahrhaftig gewan¬
delt sind, deren Bilder mir schon Thränen
entlockt hatten, sieh, alles dies zusammen
hatte oft meine Gedanken so gefangen ge¬

ſammen, als wenn er die Hand des Todes
faßte.

Soll ich dir die Wahrheit geſtehn? fuhr
Franz fort, du glaubſt nicht wie ſeltſam
mir geſtern Abend zu Sinne war. Ich hat¬
te meinen Gedanken ſo oft die Pracht
Roms, den Glanz Italiens vorgemahlt, ich
konnte mich bei der Arbeit ganz darin ver¬
lieren, daß ich mir vorſtellte, wie ich auf
unbekannten Fußſteigen, durch ſchattige
Wälder wanderte, und dann fremde Städ¬
te und niegeſehene Menſchen meinem Blik¬
ke begegneten; ach, die bunte, ewigwechſeln¬
de Welt mit ihren noch unbekannten Bege¬
benheiten, die Künſtler, die ich ſehn würde,
das hohe gelobte Land der Römer, wo einſt
die Helden würklich und wahrhaftig gewan¬
delt ſind, deren Bilder mir ſchon Thränen
entlockt hatten, ſieh, alles dies zuſammen
hatte oft meine Gedanken ſo gefangen ge¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0021" n="10"/>
&#x017F;ammen, als wenn er die Hand des Todes<lb/>
faßte.</p><lb/>
            <p>Soll ich dir die Wahrheit ge&#x017F;tehn? fuhr<lb/>
Franz fort, du glaub&#x017F;t nicht wie &#x017F;elt&#x017F;am<lb/>
mir ge&#x017F;tern Abend zu Sinne war. Ich hat¬<lb/>
te meinen Gedanken &#x017F;o oft die Pracht<lb/>
Roms, den Glanz Italiens vorgemahlt, ich<lb/>
konnte mich bei der Arbeit ganz darin ver¬<lb/>
lieren, daß ich mir vor&#x017F;tellte, wie ich auf<lb/>
unbekannten Fuß&#x017F;teigen, durch &#x017F;chattige<lb/>
Wälder wanderte, und dann fremde Städ¬<lb/>
te und niege&#x017F;ehene Men&#x017F;chen meinem Blik¬<lb/>
ke begegneten; ach, die bunte, ewigwech&#x017F;eln¬<lb/>
de Welt mit ihren noch unbekannten Bege¬<lb/>
benheiten, die Kün&#x017F;tler, die ich &#x017F;ehn würde,<lb/>
das hohe gelobte Land der Römer, wo ein&#x017F;t<lb/>
die Helden würklich und wahrhaftig gewan¬<lb/>
delt &#x017F;ind, deren Bilder mir &#x017F;chon Thränen<lb/>
entlockt hatten, &#x017F;ieh, alles dies zu&#x017F;ammen<lb/>
hatte oft meine Gedanken &#x017F;o gefangen ge¬<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0021] ſammen, als wenn er die Hand des Todes faßte. Soll ich dir die Wahrheit geſtehn? fuhr Franz fort, du glaubſt nicht wie ſeltſam mir geſtern Abend zu Sinne war. Ich hat¬ te meinen Gedanken ſo oft die Pracht Roms, den Glanz Italiens vorgemahlt, ich konnte mich bei der Arbeit ganz darin ver¬ lieren, daß ich mir vorſtellte, wie ich auf unbekannten Fußſteigen, durch ſchattige Wälder wanderte, und dann fremde Städ¬ te und niegeſehene Menſchen meinem Blik¬ ke begegneten; ach, die bunte, ewigwechſeln¬ de Welt mit ihren noch unbekannten Bege¬ benheiten, die Künſtler, die ich ſehn würde, das hohe gelobte Land der Römer, wo einſt die Helden würklich und wahrhaftig gewan¬ delt ſind, deren Bilder mir ſchon Thränen entlockt hatten, ſieh, alles dies zuſammen hatte oft meine Gedanken ſo gefangen ge¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/21
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/21>, abgerufen am 21.11.2024.