Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Natur, und ist nur zu oft unzufrieden, weil
sie allenthalben Disharmonie zu hören
glaubt. Sich selbst genug, sucht sie doch
aussenwärts einen freundlichen Wiederhall
der antworten soll, und ängstigt sich, wenn
er ausbleibt.

Er ging nach einiger Zeit in das Haus
zurück. Dürer war schon wieder munter,
und beide suchten den Meister Lukas in sei¬
ner Mahlerstube auf. Er saß bei seiner
Zeichnung, und war schon ziemlich weit da¬
mit gekommen. Franz verwunderte sich sehr
über den kunstreichen Mann, der in so kur¬
zer Zeit so viel hätte arbeiten können, die
Zeichnung war beinahe fertig, und mit gro¬
ßem Feuer entworfen. Dürer betrachtete sie
und sagte; Ihr scheint Recht zu haben, Mei¬
ster Lukas, daß sich nach einem guten Trun¬
ke besser arbeiten läßt, ob ich es gleich noch
nie versucht habe; denn mir steigt der Wein

Natur, und iſt nur zu oft unzufrieden, weil
ſie allenthalben Disharmonie zu hören
glaubt. Sich ſelbſt genug, ſucht ſie doch
auſſenwärts einen freundlichen Wiederhall
der antworten ſoll, und ängſtigt ſich, wenn
er ausbleibt.

Er ging nach einiger Zeit in das Haus
zurück. Dürer war ſchon wieder munter,
und beide ſuchten den Meiſter Lukas in ſei¬
ner Mahlerſtube auf. Er ſaß bei ſeiner
Zeichnung, und war ſchon ziemlich weit da¬
mit gekommen. Franz verwunderte ſich ſehr
über den kunſtreichen Mann, der in ſo kur¬
zer Zeit ſo viel hätte arbeiten können, die
Zeichnung war beinahe fertig, und mit gro¬
ßem Feuer entworfen. Dürer betrachtete ſie
und ſagte; Ihr ſcheint Recht zu haben, Mei¬
ſter Lukas, daß ſich nach einem guten Trun¬
ke beſſer arbeiten läßt, ob ich es gleich noch
nie verſucht habe; denn mir ſteigt der Wein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0266" n="253 [255]"/>
Natur, und i&#x017F;t nur zu oft unzufrieden, weil<lb/>
&#x017F;ie allenthalben Disharmonie zu hören<lb/>
glaubt. Sich &#x017F;elb&#x017F;t genug, &#x017F;ucht &#x017F;ie doch<lb/>
au&#x017F;&#x017F;enwärts einen freundlichen Wiederhall<lb/>
der antworten &#x017F;oll, und äng&#x017F;tigt &#x017F;ich, wenn<lb/>
er ausbleibt.</p><lb/>
            <p>Er ging nach einiger Zeit in das Haus<lb/>
zurück. Dürer war &#x017F;chon wieder munter,<lb/>
und beide &#x017F;uchten den Mei&#x017F;ter Lukas in &#x017F;ei¬<lb/>
ner Mahler&#x017F;tube auf. Er &#x017F;aß bei &#x017F;einer<lb/>
Zeichnung, und war &#x017F;chon ziemlich weit da¬<lb/>
mit gekommen. Franz verwunderte &#x017F;ich &#x017F;ehr<lb/>
über den kun&#x017F;treichen Mann, der in &#x017F;o kur¬<lb/>
zer Zeit &#x017F;o viel hätte arbeiten können, die<lb/>
Zeichnung war beinahe fertig, und mit gro¬<lb/>
ßem Feuer entworfen. Dürer betrachtete &#x017F;ie<lb/>
und &#x017F;agte; Ihr &#x017F;cheint Recht zu haben, Mei¬<lb/>
&#x017F;ter Lukas, daß &#x017F;ich nach einem guten Trun¬<lb/>
ke be&#x017F;&#x017F;er arbeiten läßt, ob ich es gleich noch<lb/>
nie ver&#x017F;ucht habe; denn mir &#x017F;teigt der Wein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[253 [255]/0266] Natur, und iſt nur zu oft unzufrieden, weil ſie allenthalben Disharmonie zu hören glaubt. Sich ſelbſt genug, ſucht ſie doch auſſenwärts einen freundlichen Wiederhall der antworten ſoll, und ängſtigt ſich, wenn er ausbleibt. Er ging nach einiger Zeit in das Haus zurück. Dürer war ſchon wieder munter, und beide ſuchten den Meiſter Lukas in ſei¬ ner Mahlerſtube auf. Er ſaß bei ſeiner Zeichnung, und war ſchon ziemlich weit da¬ mit gekommen. Franz verwunderte ſich ſehr über den kunſtreichen Mann, der in ſo kur¬ zer Zeit ſo viel hätte arbeiten können, die Zeichnung war beinahe fertig, und mit gro¬ ßem Feuer entworfen. Dürer betrachtete ſie und ſagte; Ihr ſcheint Recht zu haben, Mei¬ ſter Lukas, daß ſich nach einem guten Trun¬ ke beſſer arbeiten läßt, ob ich es gleich noch nie verſucht habe; denn mir ſteigt der Wein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/266
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 253 [255]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/266>, abgerufen am 22.11.2024.