Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Vansen hatte nur eine einzige Tochter,
die er ungemein liebte. Sie galt in der
Nachbarschaft für schön, und ihr Gesicht
war wirklich liebenswürdig. Der Kaufmann
bat unsern jungen Mahler, das Bildniß
seiner Tochter zu mahlen, und Franz mach¬
te sich hurtig an die Arbeit. Seine Phan¬
tasie war weniger angespannt, er foderte
nicht zu viel von sich, und das Bild rückte
schnell fort, und gelang ihm ungemein. Er
hatte indeß einige Gemählde gesehn, die
aus Italien gebracht waren, und er bemüh¬
te sich, nach diesen seine Färbung zu ver¬
bessern.

Franz bemerkte, daß die Tochter immer
sehr traurig war; er suchte sie zu erheitern,
er ließ oft, wenn er mahlte, auf einem
Instrumente lustige Lieder spielen, aber es
hatte gewöhnlich die verkehrte Wirkung, sie
wurde noch trauriger, oder weinte gar; vor

Vanſen hatte nur eine einzige Tochter,
die er ungemein liebte. Sie galt in der
Nachbarſchaft für ſchön, und ihr Geſicht
war wirklich liebenswürdig. Der Kaufmann
bat unſern jungen Mahler, das Bildniß
ſeiner Tochter zu mahlen, und Franz mach¬
te ſich hurtig an die Arbeit. Seine Phan¬
taſie war weniger angeſpannt, er foderte
nicht zu viel von ſich, und das Bild rückte
ſchnell fort, und gelang ihm ungemein. Er
hatte indeß einige Gemählde geſehn, die
aus Italien gebracht waren, und er bemüh¬
te ſich, nach dieſen ſeine Färbung zu ver¬
beſſern.

Franz bemerkte, daß die Tochter immer
ſehr traurig war; er ſuchte ſie zu erheitern,
er ließ oft, wenn er mahlte, auf einem
Inſtrumente luſtige Lieder ſpielen, aber es
hatte gewöhnlich die verkehrte Wirkung, ſie
wurde noch trauriger, oder weinte gar; vor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0346" n="335"/>
            <p>Van&#x017F;en hatte nur eine einzige Tochter,<lb/>
die er ungemein liebte. Sie galt in der<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft für &#x017F;chön, und ihr Ge&#x017F;icht<lb/>
war wirklich liebenswürdig. Der Kaufmann<lb/>
bat un&#x017F;ern jungen Mahler, das Bildniß<lb/>
&#x017F;einer Tochter zu mahlen, und Franz mach¬<lb/>
te &#x017F;ich hurtig an die Arbeit. Seine Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie war weniger ange&#x017F;pannt, er foderte<lb/>
nicht zu viel von &#x017F;ich, und das Bild rückte<lb/>
&#x017F;chnell fort, und gelang ihm ungemein. Er<lb/>
hatte indeß einige Gemählde ge&#x017F;ehn, die<lb/>
aus Italien gebracht waren, und er bemüh¬<lb/>
te &#x017F;ich, nach die&#x017F;en &#x017F;eine <choice><sic>Färbnng</sic><corr>Färbung</corr></choice> zu ver¬<lb/>
be&#x017F;&#x017F;ern.</p><lb/>
            <p>Franz bemerkte, daß die Tochter immer<lb/>
&#x017F;ehr traurig war; er &#x017F;uchte &#x017F;ie zu erheitern,<lb/>
er ließ oft, wenn er mahlte, auf einem<lb/>
In&#x017F;trumente lu&#x017F;tige Lieder &#x017F;pielen, aber es<lb/>
hatte gewöhnlich die verkehrte Wirkung, &#x017F;ie<lb/>
wurde noch trauriger, oder weinte gar; vor<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0346] Vanſen hatte nur eine einzige Tochter, die er ungemein liebte. Sie galt in der Nachbarſchaft für ſchön, und ihr Geſicht war wirklich liebenswürdig. Der Kaufmann bat unſern jungen Mahler, das Bildniß ſeiner Tochter zu mahlen, und Franz mach¬ te ſich hurtig an die Arbeit. Seine Phan¬ taſie war weniger angeſpannt, er foderte nicht zu viel von ſich, und das Bild rückte ſchnell fort, und gelang ihm ungemein. Er hatte indeß einige Gemählde geſehn, die aus Italien gebracht waren, und er bemüh¬ te ſich, nach dieſen ſeine Färbung zu ver¬ beſſern. Franz bemerkte, daß die Tochter immer ſehr traurig war; er ſuchte ſie zu erheitern, er ließ oft, wenn er mahlte, auf einem Inſtrumente luſtige Lieder ſpielen, aber es hatte gewöhnlich die verkehrte Wirkung, ſie wurde noch trauriger, oder weinte gar; vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/346
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/346>, abgerufen am 24.11.2024.