geist kühn in tausend Richtungen, in tau¬ send mannichfaltigen Strömen, wie die Röh¬ ren eines künstlichen Springbrunnens, der Sonne entgegen spielen zu sehn? Eben daß nicht alle Geister ein und dasselbe wollen, ist erfreulich; darum laßt der unschuldigen kindischen Kunst ihren Gang. Denn sie ist es doch, in der sich am reinsten, am lieb¬ lichsten, und auf die unbefangenste Weise die Hoheit der Menschenseele offenbart, sie ist nicht ernst wie die Weisheit, sondern ein frommes Kind, dessen unschuldige Spiele jedes reine Gemüth rühren und erfreuen müssen. Sie drückt den Menschen am deut¬ lichsten aus, sie ist Spiel mit Ernst gemischt und Ernst durch Lieblichkeit gemildert. Wo¬ zu soll sie dem Staate, der versammelten Gesellschaft nützen? Wann hat sich je das Große und Schöne so tief erniedrigt, um zu nützen? Ein neues Feuer facht der große
geiſt kühn in tauſend Richtungen, in tau¬ ſend mannichfaltigen Strömen, wie die Röh¬ ren eines künſtlichen Springbrunnens, der Sonne entgegen ſpielen zu ſehn? Eben daß nicht alle Geiſter ein und daſſelbe wollen, iſt erfreulich; darum laßt der unſchuldigen kindiſchen Kunſt ihren Gang. Denn ſie iſt es doch, in der ſich am reinſten, am lieb¬ lichſten, und auf die unbefangenſte Weiſe die Hoheit der Menſchenſeele offenbart, ſie iſt nicht ernſt wie die Weisheit, ſondern ein frommes Kind, deſſen unſchuldige Spiele jedes reine Gemüth rühren und erfreuen müſſen. Sie drückt den Menſchen am deut¬ lichſten aus, ſie iſt Spiel mit Ernſt gemiſcht und Ernſt durch Lieblichkeit gemildert. Wo¬ zu ſoll ſie dem Staate, der verſammelten Geſellſchaft nützen? Wann hat ſich je das Große und Schöne ſo tief erniedrigt, um zu nützen? Ein neues Feuer facht der große
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0354"n="343"/>
geiſt kühn in tauſend Richtungen, in tau¬<lb/>ſend mannichfaltigen Strömen, wie die Röh¬<lb/>
ren eines künſtlichen Springbrunnens, der<lb/>
Sonne entgegen ſpielen zu ſehn? Eben daß<lb/>
nicht alle Geiſter ein und daſſelbe wollen,<lb/>
iſt erfreulich; darum laßt der unſchuldigen<lb/>
kindiſchen Kunſt ihren Gang. Denn ſie iſt<lb/>
es doch, in der ſich am reinſten, am lieb¬<lb/>
lichſten, und auf die unbefangenſte Weiſe<lb/>
die Hoheit der Menſchenſeele offenbart, ſie<lb/>
iſt nicht ernſt wie die Weisheit, ſondern ein<lb/>
frommes Kind, deſſen unſchuldige Spiele<lb/>
jedes reine Gemüth rühren und erfreuen<lb/>
müſſen. Sie drückt den Menſchen am deut¬<lb/>
lichſten aus, ſie iſt Spiel mit Ernſt gemiſcht<lb/>
und Ernſt durch Lieblichkeit gemildert. Wo¬<lb/>
zu ſoll ſie dem Staate, der verſammelten<lb/>
Geſellſchaft nützen? Wann hat ſich je das<lb/>
Große und Schöne ſo tief erniedrigt, um<lb/>
zu nützen? Ein neues Feuer facht der große<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[343/0354]
geiſt kühn in tauſend Richtungen, in tau¬
ſend mannichfaltigen Strömen, wie die Röh¬
ren eines künſtlichen Springbrunnens, der
Sonne entgegen ſpielen zu ſehn? Eben daß
nicht alle Geiſter ein und daſſelbe wollen,
iſt erfreulich; darum laßt der unſchuldigen
kindiſchen Kunſt ihren Gang. Denn ſie iſt
es doch, in der ſich am reinſten, am lieb¬
lichſten, und auf die unbefangenſte Weiſe
die Hoheit der Menſchenſeele offenbart, ſie
iſt nicht ernſt wie die Weisheit, ſondern ein
frommes Kind, deſſen unſchuldige Spiele
jedes reine Gemüth rühren und erfreuen
müſſen. Sie drückt den Menſchen am deut¬
lichſten aus, ſie iſt Spiel mit Ernſt gemiſcht
und Ernſt durch Lieblichkeit gemildert. Wo¬
zu ſoll ſie dem Staate, der verſammelten
Geſellſchaft nützen? Wann hat ſich je das
Große und Schöne ſo tief erniedrigt, um
zu nützen? Ein neues Feuer facht der große
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/354>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.