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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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seyn ist seiner göttlichen Natur ganz fremd,
und es fodern, heißt, die Erhabenheit enta¬
deln, und zu den gemeinen Bedürfnissen der
Menschheit herüberwürdigen. Denn freilich
bedarf der Mensch vieles, aber er muß seinen
Geist nicht zum Knecht seines Knechtes, des
Körpers erniedrigen: er muß wie ein guter
Hausherr sorgen, aber diese Sorge für den
Unterhalt muß nicht sein Lebenslauf seyn.
So halte ich die Kunst für ein Unterpfand
unsrer Unsterblichkeit, für ein geheimes Zei¬
chen, an dem die ewigen Geister sich wun¬
derbarlich erkennen; der Engel in uns strebt
sich zu offenbaren, und trifft nur Menschen¬
kräfte an, er kann von seinem Daseyn nicht
überzeugen, und wirkt und regiert nun auf
die lieblichste Weise, um uns, wie in einem
schönen Traum, den süßen Glauben beizu¬
bringen. So entsteht in der Ordnung, in
wirkender Harmonie die Kunst. Was der

ſeyn iſt ſeiner göttlichen Natur ganz fremd,
und es fodern, heißt, die Erhabenheit enta¬
deln, und zu den gemeinen Bedürfniſſen der
Menſchheit herüberwürdigen. Denn freilich
bedarf der Menſch vieles, aber er muß ſeinen
Geiſt nicht zum Knecht ſeines Knechtes, des
Körpers erniedrigen: er muß wie ein guter
Hausherr ſorgen, aber dieſe Sorge für den
Unterhalt muß nicht ſein Lebenslauf ſeyn.
So halte ich die Kunſt für ein Unterpfand
unſrer Unſterblichkeit, für ein geheimes Zei¬
chen, an dem die ewigen Geiſter ſich wun¬
derbarlich erkennen; der Engel in uns ſtrebt
ſich zu offenbaren, und trifft nur Menſchen¬
kräfte an, er kann von ſeinem Daſeyn nicht
überzeugen, und wirkt und regiert nun auf
die lieblichſte Weiſe, um uns, wie in einem
ſchönen Traum, den ſüßen Glauben beizu¬
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[345/0356] ſeyn iſt ſeiner göttlichen Natur ganz fremd, und es fodern, heißt, die Erhabenheit enta¬ deln, und zu den gemeinen Bedürfniſſen der Menſchheit herüberwürdigen. Denn freilich bedarf der Menſch vieles, aber er muß ſeinen Geiſt nicht zum Knecht ſeines Knechtes, des Körpers erniedrigen: er muß wie ein guter Hausherr ſorgen, aber dieſe Sorge für den Unterhalt muß nicht ſein Lebenslauf ſeyn. So halte ich die Kunſt für ein Unterpfand unſrer Unſterblichkeit, für ein geheimes Zei¬ chen, an dem die ewigen Geiſter ſich wun¬ derbarlich erkennen; der Engel in uns ſtrebt ſich zu offenbaren, und trifft nur Menſchen¬ kräfte an, er kann von ſeinem Daſeyn nicht überzeugen, und wirkt und regiert nun auf die lieblichſte Weiſe, um uns, wie in einem ſchönen Traum, den ſüßen Glauben beizu¬ bringen. So entſteht in der Ordnung, in wirkender Harmonie die Kunſt. Was der

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/356>, abgerufen am 21.11.2024.