Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Schönen, alles Großen, das ihn schon einst
bewegt hat, und es ist nun nicht mehr das
irrdische Bild, das ihn entzückt, liebliche
Schatten vom Himmel herab fallen in sein
Gemüth, und erregen eine bunte Welt von
Wohllaut, und süßer Harmonie in ihm.
O wenn uns die holde Natur lieb ist, wenn
wir gern die Pracht des Morgens, die
Schimmer des Abends sehn, wenn die
Schönheit in Menschengestalten uns an¬
spricht, wie könnten wir uns dann gegen
die liebliche Kunst so unfreundlich bezeigen?
Gegen die Kunst, die sich bestrebt, uns al¬
les das noch werther und theurer zu ma¬
chen, uns mit uns selbst zu befreunden, die
äußre Welt, die oft so hart um uns steht,
mit unserm weichen Herzen zu versöhnen?
Nein, es ist unmöglich, daß sich der Sinn
irgend eines Menschen freiwillig abwende;
es sind nur Mißverständnisse, die ihn vom

Schönen, alles Großen, das ihn ſchon einſt
bewegt hat, und es iſt nun nicht mehr das
irrdiſche Bild, das ihn entzückt, liebliche
Schatten vom Himmel herab fallen in ſein
Gemüth, und erregen eine bunte Welt von
Wohllaut, und ſüßer Harmonie in ihm.
O wenn uns die holde Natur lieb iſt, wenn
wir gern die Pracht des Morgens, die
Schimmer des Abends ſehn, wenn die
Schönheit in Menſchengeſtalten uns an¬
ſpricht, wie könnten wir uns dann gegen
die liebliche Kunſt ſo unfreundlich bezeigen?
Gegen die Kunſt, die ſich beſtrebt, uns al¬
les das noch werther und theurer zu ma¬
chen, uns mit uns ſelbſt zu befreunden, die
äußre Welt, die oft ſo hart um uns ſteht,
mit unſerm weichen Herzen zu verſöhnen?
Nein, es iſt unmöglich, daß ſich der Sinn
irgend eines Menſchen freiwillig abwende;
es ſind nur Mißverſtändniſſe, die ihn vom

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0358" n="347"/>
Schönen, alles Großen, das ihn &#x017F;chon ein&#x017F;t<lb/>
bewegt hat, und es i&#x017F;t nun nicht mehr das<lb/>
irrdi&#x017F;che Bild, das ihn entzückt, liebliche<lb/>
Schatten vom Himmel herab fallen in &#x017F;ein<lb/>
Gemüth, und erregen eine bunte Welt von<lb/>
Wohllaut, und &#x017F;üßer Harmonie in ihm.<lb/>
O wenn uns die holde Natur lieb i&#x017F;t, wenn<lb/>
wir gern die Pracht des Morgens, die<lb/>
Schimmer des Abends &#x017F;ehn, wenn die<lb/>
Schönheit in Men&#x017F;chenge&#x017F;talten uns an¬<lb/>
&#x017F;pricht, wie könnten wir uns dann gegen<lb/>
die liebliche Kun&#x017F;t &#x017F;o unfreundlich bezeigen?<lb/>
Gegen die Kun&#x017F;t, die &#x017F;ich be&#x017F;trebt, uns al¬<lb/>
les das noch werther und theurer zu ma¬<lb/>
chen, uns mit uns &#x017F;elb&#x017F;t zu befreunden, die<lb/>
äußre Welt, die oft &#x017F;o hart um uns &#x017F;teht,<lb/>
mit un&#x017F;erm weichen Herzen zu ver&#x017F;öhnen?<lb/>
Nein, es i&#x017F;t unmöglich, daß &#x017F;ich der Sinn<lb/>
irgend eines Men&#x017F;chen freiwillig abwende;<lb/>
es &#x017F;ind nur Mißver&#x017F;tändni&#x017F;&#x017F;e, die ihn vom<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0358] Schönen, alles Großen, das ihn ſchon einſt bewegt hat, und es iſt nun nicht mehr das irrdiſche Bild, das ihn entzückt, liebliche Schatten vom Himmel herab fallen in ſein Gemüth, und erregen eine bunte Welt von Wohllaut, und ſüßer Harmonie in ihm. O wenn uns die holde Natur lieb iſt, wenn wir gern die Pracht des Morgens, die Schimmer des Abends ſehn, wenn die Schönheit in Menſchengeſtalten uns an¬ ſpricht, wie könnten wir uns dann gegen die liebliche Kunſt ſo unfreundlich bezeigen? Gegen die Kunſt, die ſich beſtrebt, uns al¬ les das noch werther und theurer zu ma¬ chen, uns mit uns ſelbſt zu befreunden, die äußre Welt, die oft ſo hart um uns ſteht, mit unſerm weichen Herzen zu verſöhnen? Nein, es iſt unmöglich, daß ſich der Sinn irgend eines Menſchen freiwillig abwende; es ſind nur Mißverſtändniſſe, die ihn vom

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/358
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/358>, abgerufen am 15.05.2024.